Читать книгу Wo die ganze Welt vor Anker geht - Felix Henrichs - Страница 13

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Der Klavierspieler

Guus Peters, Gent

Ich stehe bei uns zu Hause im Flur und staune nicht schlecht. In meinen Händen liegt ein langer Brief aus der Türkei, von Fahti, einem türkischen Seemann, den ich gut kenne. Lange Zeit habe ich nichts mehr von ihm gehört. Sein Brief bewegt mich tief. Und ich denke an den Samstagnachmittag zurück, an dem ich ihn das erste Mal getroffen habe:


Damals bin ich an Bord eines Schiffes aus der Türkei gegangen. Das Schöne an türkischen Seemännern ist, dass sie einen meistens sehr herzlich willkommen heißen. Sie bieten mir immer etwas zu trinken an, ihren süßen Tee mag ich besonders. Ich sitze also im Pausenraum des Schiffes, trinke Tee mit ein paar türkischen Matrosen und versuche ein Gespräch anzufangen. Ich frage nach ihren Familien und wie viele Monate sie schon an Bord sind, in der Hoffnung, mit ihnen auch über den Glauben ins Gespräch zu kommen.

Plötzlich steht ein riesiger Mann in der Tür. Er hat ein kleines, blaues Neues Testament in der Hand, hebt es deutlich sichtbar hoch und fragt mit lauter Stimme: »Bist du Christ?« Etwas verblüfft und leicht eingeschüchtert sage ich: »Ja.« Da setzt sich der bullige Seebär zu mir und erzählt, dass er sein Neues Testament schon mehrmals gelesen und viele Fragen dazu hat. Ich bin mir nicht sicher, ob es weise ist, im Beisein all der anderen Seeleute darüber zu sprechen. Also biete ich ihm an, dass er mit zu mir nach Hause kommen kann, wo wir in Ruhe reden können. Da er gerade ein paar Stunden freihat, nimmt er die Einladung gerne an.

Wir fahren aus dem Hafen von Gent heraus in Richtung Terneuzen. Fahti bittet mich, bei einem Blumenladen anzuhalten, und kauft einen schönen bunten Blumenstrauß für meine Frau. Als er unser Wohnzimmer betritt und unsere Kinder sieht, freut er sich sehr. Von unserer kleinen Tochter ist er besonders angetan. Dann bemerkt er unser Klavier und fragt, ob er etwas darauf spielen darf. »Natürlich!« Als er in die Tasten greift, kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wie kann ein Hüne mit solchen Pranken so gefühlvoll musizieren. Unvergesslich …

Dann erzählt Fahti uns, dass er verheiratet ist und Zwillingstöchter hat, etwa im selben Alter wie unsere Tochter. Deshalb hat es ihm das Mädchen so angetan, sie hat ihn an seine Töchter erinnert, die er schon Monate nicht mehr gesehen hat.

Das Leben auf See ist hart, Seeleute aus Ländern wie der Türkei sind viele Monate am Stück auf den Ozeanen unterwegs, bevor sie, oft nur für wenige Wochen, nach Hause können. Bei Fahti jedoch ist nicht sein Vertrag das Problem. Der Hauptgrund ist, dass er von seiner Frau und seinen Töchtern getrennt lebt. Wie sehr er seine Töchter vermisst!

Während wir auf unserer Couch sitzen und eine Tasse Tee trinken, erzählt er mir aus seinem Leben. Lange schon sei er auf der Suche nach Wahrheit. Früher war Fahti Moslem. Er war viel in der Moschee und hat dem Imam zugehört. Doch der Gedanke, dass man den Koran auf Arabisch lesen muss, hat ihm einfach nicht zugesagt. Das war für ihn als Türke eine fremde Sprache, die er nicht verstand. Eine Zeit lang beschäftigte er sich mit der kommunistischen Ideologie, letztendlich konnte er aber auch in dieser Lehre keine echte Wahrheit finden. Ein paar Monate vor unserem Gespräch hatte ihm ein anderer türkischer Seemann das Neue Testament geschenkt.

Fahti hat es durchgelesen, dreimal hintereinander, denn auf See hat man manchmal wirklich viel Zeit. Was in diesem Büchlein über Jesus stand, hat ihn tief berührt. Von mir will Fahti nun wissen, was der Unterschied zwischen dem Koran und seinem Büchlein ist.

Ich erkläre ihm, dass der Koran für Muslime ein heiliges Buch ist; jeder gedruckte Buchstabe ist heilig und entsprechend vorsichtig wird es behandelt. Für mich als Christ jedoch ist die Bibel ein normales Buch, nur dass es die Geschichte Gottes erzählt, wie er die Welt liebt und retten will. Da wird Gottes Herz sichtbar. Der Koran ist voller Regeln und Gesetze, wie wir uns in allen Lebenslagen verhalten sollen. Die Bibel dagegen lehrt, dass wir alle Sünder sind und Erlösung benötigen; sie zeigt den einzigen Weg auf, wie Menschen fürs ewige Leben gerettet werden – nämlich durch Gottes eigenes Opfer, der als vollkommener Mensch auf diese Welt gekommen ist: durch Jesus Christus.

An diesem Nachmittag schenke ich Fahti einen Jesus-Film in türkischer Sprache und biete ihm an, dass er mir hinterher seine Fragen dazu stellen kann. Sein Schiff ist mehr als eine Woche im Hafen. Er verspricht mir, den Film zu schauen und wiederzukommen.

Zwei Tage später hole ich ihn erneut ab. Inzwischen hat er den Jesus-Film angeschaut, und er betont, dass er ihm sehr gefallen hat. Da sitzt mir dieser friedliche Hüne aus der Türkei gegenüber, und ich darf ihm das Evangelium erklären. Ihm erzählen, dass es bei der Botschaft von Jesus um Vergebung und Gottes Barmherzigkeit geht. Was für ein Geschenk!

Er versteht, dass Jesus für seine Sünden gestorben ist, und will es für sich annehmen. Später kommen wir auch auf seine Ehe zu sprechen. Ich habe ja keine Ahnung, was zwischen ihm und seiner Frau eigentlich vorgefallen ist. Ich sage ihm, dass es für einen neuen Christen wie ihn wichtig ist, seiner Frau zu vergeben und sich wieder mit ihr zu versöhnen – so wie Gott ihm die eigenen Sünden vergeben hat. Ob er nicht noch einmal über die Beziehung zu seiner Frau nachdenken will …

Beim Abschied erzählt mir Fahti von seinem Traum: Er will nicht mehr lange als Seemann auf einem großen Containerfrachter arbeiten, sondern ein eigenes Boot kaufen, um Touristen die türkischen Gewässer zu zeigen. Lächelnd erzählt er mir davon, bevor er wieder aufs Schiff muss. Am nächsten Tag legen sie ab. Einige Monate vergehen – bis ich heute Fahtis Brief in Händen halte.


Mit Freude lese ich seine Zeilen noch einmal. Fahti schreibt, dass er tatsächlich kein Seemann mehr ist und inzwischen sein eigenes Boot hat. Leider hat sich seine Idee als kleine Katastrophe entpuppt, er ist nämlich pleite. Aber er schreibt auch, dass ihn dies wenig bekümmert, weil er dennoch der glücklichste Mann auf der Welt ist.

Wie das? Weil er wieder mit seiner Frau und seinen Töchtern zusammenlebt – sie haben sich tatsächlich versöhnt! Seinen Glauben an Jesus lebt Fahti von Herzen, schreibt er. Er möchte sich bald taufen lassen. Sein Brief ist wie ein Geschenk von Gott. Ich bete für Fahti und seine Familie, dass Jesus sie beschützt und viele ihrer Freunde und Angehörigen in der Türkei durch sein Beispiel erkennen, dass es möglich ist, Türke zu sein und gleichzeitig überzeugt Jesus nachzufolgen …


Wo die ganze Welt vor Anker geht

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