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Ein Hafen der Superlative …

Felix Henrichs, Rotterdam

Der Hafen unserer Stadt Rotterdam ist einfach nur riesig: Über ein Gebiet von 10 500 Hektar sieht man nach allen Richtungen nur Schiffe, Kräne, Container, Lagerbunker, Schornsteine, Silos und Tanks aller Art, verstreut über 105 Quadratkilometer oder umgerechnet 105 Millionen Quadratmeter. Zirka 100 Schiffe, vom größten Ozeanriesen bis zum kleinen Küstenfrachter, werden hier täglich an den 90 Terminals be- und entladen. Die Terminals, das sind Freiflächen, auf denen die Fracht, meist Unmengen Container, gestapelt und verteilt werden. Fast jedes hat eine eigene Autobahnauffahrt, damit Lastwagen die Güter aus Übersee – alles vom modernen Tabletcomputer bis zu Rohstoffen wie Eisenerz und Benzin – aufnehmen und von hier aus auf dem direktesten Weg quer durch ganz Europa verteilen können.


Ich bin inzwischen drei Jahre als Seemannsmissionar in Rotterdam tätig. Wenn ich morgens meinen Helm mit der Aufschrift »Chaplain« (Pastor/Seelsorger) aufsetze, die neongelbweiße Warnweste überziehe und mein Auto mit christlichen Schriften, Video-DVDs und Bibeln belade, freue ich mich auf einen Tag im vielleicht interessantesten Arbeitsplatz der Welt. Dabei weiß ich nie, auf welche Menschen ich treffe …

Heute ist Montag. Übers Internet habe ich mich für die Schiffe angemeldet, die ich heute besuchen möchte. Ich fahre in den größten Containerhafen hinein, auf die sogenannte Maasvlakte am äußersten Ende des Hafens. Angesichts der gewaltigen Kulisse fühle ich mich in meinem silbergrauen Kombi irgendwie ziemlich klein und unbedeutend. Aber ich weiß, dass viele Seeleute auf meinen Besuch warten, deshalb erfüllt mich auch Vorfreude. Ich halte an der Zufahrt zum Terminal an, steige aus und lasse mir einen Passierschein geben, den ich später, von den Kapitänen der besuchten Schiffe unterschrieben, wieder hier abgeben muss.

Nachdem ich den Wachleuten meinen Ausweis vorgelegt habe, darf ich die Schranke am Eingang des riesigen Geländes passieren und rolle aufs Hafengelände hinaus. Hier muss ich extrem achtgeben, denn bis zum Pier und zu den Schiffen geht es ständig unter hohen beweglichen Kränen hindurch, die sich auf ihren Schienen hin- und herbewegen und tonnenschwere Container in allen Farben transportieren. Ampeln leuchten rot auf, wenn ein Container in 20 bis 40 Metern Höhe über die Straße hinweggehoben wird. Sie schalten wieder auf Grün, sobald die Lage sicher ist. Es ist gefährlich hier, man darf keine Ampel übersehen. Immer wieder werden Autos und Menschen unter herabstürzenden Gütern begraben.

Ich biege um die Kurve an die Kaimauer. Mit größter Vorsicht fahre ich unter den gigantischen Containerbrücken hindurch. Links von mir bringen hochmoderne, ferngesteuerte Großtransporter – ganz ohne Fahrer – Container von und zu den riesigen Kränen, die die Schiffe be- und entladen.


Rechts neben mir, hinter einem niedrigen Randstein, geht es senkrecht hinab ins Hafenbecken, hier liegen die meist riesigen Schiffe. Wenn man sich mit dem Auto zwischen der gigantischen Bordwand so eines mit monströsen weißen Buchstaben auf blauem Grund beschrifteten Containerfrachters zur Rechten und dem noch höheren auf rostigen Schienen stehenden orangegrauen Krans zur Linken hindurchquetscht, kommt man sich vor wie ein Zwerg in einer Konservendose. Kein gutes Gefühl …

Manche Schiffe sind wahre Stahlmonster von bis zu 400 Metern Länge, 65 Metern Breite und mit einer Gangway, die man erst einmal beinahe 20 Meter hochklettern muss, um schwer atmend überhaupt an Bord zu kommen. Selbst nach drei Jahren Dienst ist das Hafengelände immer noch ein überwältigender Anblick für mich.

Ich parke in der Nähe des Piers an einer sicheren Ecke. Dann bete ich, wie vor jedem Einsatz. Noch weiß ich nicht, was für eine Situation ich auf den Schiffen heute antreffen werde. Ich bitte Jesus, dass er mich zu Seemännern führt, deren Herzen er bereits vorbereitet hat. Dann steige ich aus und mache mich auf den Weg. Zahllose Möwen hinter einem rostigen Zaun krächzen mir heiser hinterher.

Ich bin gespannt. Bei den vielen Containerschiffen, Erzfrachtern und Tankern, die täglich hier anlegen, kann ich unmöglich planen, welcher Mannschaft ich am besten als Seelsorger helfen kann. Aber Gott weiß alles, er kennt die Seeleute auf jedem Frachtschiff genau und kann mich zu den richtigen Menschen führen. Das Besondere an meiner Arbeit ist im Grunde, dass Gott genau das tut. Er verblüfft mich immer wieder; wie er mich durch Umstände und vermeintliche Zufälle zu den richtigen Schiffen und Menschen leitet. Ein Beispiel dafür ist die nächste Geschichte.

Wo die ganze Welt vor Anker geht

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