Читать книгу Wo die ganze Welt vor Anker geht - Felix Henrichs - Страница 16
ОглавлениеGottes Liebe weiterschenken … |
Felix Henrichs, Rotterdam
Uns Seemannsmissionaren ist es wichtig, den Männern auf den Schiffen auch in praktischer Hinsicht zu helfen und ihnen ihren oft überaus harten Alltag erträglicher zu machen. Die Liegezeiten der meisten Schiffe sind zwar eher kurz, was unsere Möglichkeiten einschränkt, doch wir tun, was wir können und nutzen jede Chance, den Seeleuten zu helfen:
Beispielsweise bringe ich vielen Mannschaftsangehörigen von Schiffen günstige Telefonkarten vorbei, damit sie ihre Familien zu Hause anrufen können. Oder ich kaufe für sie ein, wenn sie etwas dringend benötigen, wie Hygieneartikel oder Schulmaterial für die Kinder zu Hause. Sie haben in den Häfen ja kaum Zeit, um selbst einkaufen zu gehen. Oder ich bringe ihre Briefe zur Post.
Auch gute gebrauchte Kleidung ist gefragt. Zudem habe ich inzwischen einige ältere Damen in holländischen Gemeinden motiviert, dass sie uns warme Mützen stricken, die unter die Helme der Männer passen. Die meisten der Seemänner kommen ja aus eher warmen Gefilden, im Winterhalbjahr leiden sie deshalb unter den Temperaturen in Europa und freuen sich sehr über die Wollmützen und warme Kleidung, die wir ihnen schenken.
Manchmal liegt ein Schiff dann doch länger im Hafen als geplant, beispielsweise wenn ein Schaden behoben werden muss. Dann hat die Mannschaft plötzlich viel Zeit, viel mehr als sie sich eigentlich wünscht. In solchen Situationen nehme ich Einzelne mit in die Stadt oder zu uns nach Hause. Nach den Monaten auf See ist dieser Szenenwechsel etwas Besonderes für sie. Endlich mal weg von der ständigen Geräuschkulisse im Hintergrund durch die unaufhörlich laufenden Dieselaggregate, die das Schiff mit Strom versorgen. Die meisten müssen sich erst wieder an die Stille in der freien Natur gewöhnen. Oft entstehen bei Landausflügen und Spaziergängen die besten Gespräche. Gleichzeitig tun sie den Matrosen gut.
Während im Hafen Zeit meist ein überaus knappes Gut ist, plagt die Seeleute unterwegs auf den Ozeanen eher die Langeweile. Mit den Monaten an Bord gehen ihnen die interessanten Filme, Bücher und Gesprächsthemen aus. Deshalb organisieren meine Kollegen und ich manchmal auch größere Geschenke, die den Mannschaften helfen sollen, ihre freie Zeit an Bord gemeinsam sinnvoll und fröhlich zu gestalten. Vor einer Weile beispielsweise hat mein Freund und Kollege Wout de Vries einen funktionstüchtigen, fast neuwertigen Kickerkasten in unserem Literaturlager abgestellt, den eine Gemeinde uns geschenkt hat. Dort stand er eine Weile, während ich mich nach dem passenden Schiff dafür umgesehen habe.
Zu dieser Zeit besuchte ich einen kleinen Containerfrachter, der alle zwei Tage Rotterdam anläuft. Er pendelte wie eine Fähre zwischen dem Festland und Großbritannien hin und her. An Bord traf ich auf den philippinischen Bootsmann Long, der in unserem Gespräch eher beiläufig den Satz fallen ließ: »Ich wünsche mir, dass unsere Mannschaft mehr Zeit miteinander verbringt und sich sportlich und spielerisch betätigen kann.«
Das war das Stichwort. Ich fragte nach, wie er sich das vorstellt. Da erzählte er mir, dass er eigenhändig eine Dartscheibe und ein Schachspiel gebastelt hatte. Mir wurde klar, dass ich unseren guten Kickerkasten auf dieses Schiff bringen sollte. »Wollt ihr vielleicht einen Kicker haben?«, fragte ich Long. Erstaunt blickte er mich an. Zunächst wollte er es gar nicht glauben. Vor allem nicht, als ich sagte, dass sie ihn wirklich geschenkt bekommen. Doch dann strahlte er mich an und rief: »Na, klar!«
Eine Woche später fuhr ich mit dem Kickerkasten im Kofferraum erneut an das Schiff heran. Der Bootsmann und ein weiterer Matrose halfen mir, alle Teile an Bord zu wuchten. Im engen Speiseraum bauten wir ihn gemeinsam wieder zusammen. Sogleich gab es das erste Match – der neue Kicker wurde ausgiebig getestet. Es war eine Freude, den Asiaten zuzuschauen, wie sie mit lautem Gelächter, immer zwei Mann auf jeder Seite, den Ball ins gegnerische Tor droschen. Seitdem bin ich auf dem kleinen Containerfrachter ein gern gesehener Gast.
Durch solche kleinen und großen Hilfsdienste bringt die Seemannsmission den Mannschaften an Bord ganz praktisch Gottes Liebe nahe. Das kommt an und öffnet uns die Herzen.