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Fünftes Kapitel 1

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Meine Idee ist – ein Rothschild zu werden! Ich fordere den Leser auf, ruhig und ernst zu bleiben.

Ich wiederhole es, meine Idee ist, ein Rothschild zu werden, ebenso reich zu werden wie Rothschild; nicht einfach reich, sondern gerade wie Rothschild. Weswegen, wozu, was ich damit eigentlich für Ziele verfolge – davon wird später die Rede sein. Zunächst will ich beweisen, daß die Erreichung meines Zieles mit mathematischer Sicherheit garantiert ist.

Es ist eine sehr einfache Sache, ihr ganzes Geheimnis liegt in diesen zwei Worten: Hartnäckigkeit und Ausdauer.

»Da erfahren wir nichts Neues,« wird man mir sagen, »jeder Familienvater in Deutschland predigt das seinen Kindern, aber dabei ist Ihr Rothschild (das heißt, der verstorbene James Rothschild, der Pariser, von dem ich spreche) der einzige in seiner Art geblieben, und die Familienväter zählen nach Millionen.«

Auf so einen Einwurf würde ich antworten:

»Sie behaupten, das wäre nichts Neues, das wüßten Sie schon lange, aber dabei wissen Sie gar nichts. Es ist ja richtig, in einem Punkt haben Sie recht; wenn ich gesagt habe, diese Sache wäre ›sehr einfach‹, so habe ich vergessen, hinzuzufügen, daß sie zu gleicher Zeit furchtbar schwer ist. Alle Religionen und Sittenlehren in der Welt laufen auf den einen Satz hinaus: ›Du sollst die Tugend lieben und das Laster meiden.‹ Was könnte anscheinend einfacher sein? Aber tun Sie doch eine tugendhafte Tat oder meiden Sie doch auch nur ein einziges von Ihren Lastern, versuchen Sie es mal – nun, und –? Und genau so ist es hiermit.«

Das ist der Grund, warum die unzähligen Familienväter im Laufe unzähliger Jahrhunderte diese beiden wunderbaren Wörter immer wiederholen konnten, in denen das ganze Geheimnis beschlossen liegt, und daß Rothschild dennoch der einzige in seiner Art blieb; Also: das ist durchaus nicht dasselbe, und die Familienväter predigen durchaus nicht meinen Gedanken.

Von Hartnäckigkeit und Ausdauer haben auch sie zweifellos gehört; aber zur Erreichung meines Zieles können Hartnäckigkeit und Ausdauer im Sinne der Familienväter nicht dienen.

Schon der eine Ausdruck »Familienväter« – ich spreche nicht von den deutschen allein – der Umstand, daß so ein Mensch Familie hat, daß er lebt, wie alle leben, daß er Ausgaben hat wie alle, Pflichten wie alle andern – schon das bedeutet für ihn, daß er kein Rothschild werden kann, sondern immer ein begrenzter, mittelmäßiger Mensch bleiben muß. Ich verstehe es nur zu gut, daß einer, der ein Rothschild wird oder auch nur einer werden will, aber nicht im Sinne der Familienväter, sondern ernsthaft – daß so einer schon mit diesem Entschluß ganz von selbst aus der Gesellschaft austritt.

Vor ein paar Jahren stand in den Zeitungen, auf einem Wolgadampfer wäre ein Bettler gestorben, der in Lumpen einhergegangen war und um Almosen gebeten hatte; jedermann dort kannte ihn. Nach seinem Tode fand man gegen dreitausend Rubel in Banknoten in seinen Bettelrock eingenäht. Und kürzlich habe ich wieder von einem Bettler gelesen, der von adliger Abkunft war, in den Wirtshäusern herumlief und um Almosen bat. Er wurde verhaftet, und es fanden sich bei ihm gegen fünftausend Rubel. Daraus ergeben sich ganz von selbst zwei Schlüsse: erstens, daß die Hartnäckigkeit im Sparen, wenn man auch nur Kopeke auf Kopeke legt, ganz kolossale Resultate erzielt (die Zeit hat hierbei gar nichts zu bedeuten), und zweitens, daß die primitivste, ungeklügeltste Form des Geldsammelns, wenn man sie nur mit Ausdauer und ohne jede Unterbrechung betreibt, mit mathematischer Sicherheit zum Erfolg führen muß.

Und dabei gibt es vielleicht reichlich viele achtbare, kluge und sparsame Leute, die (soviel sie sich darum plagen mögen) weder drei noch fünf Tausende haben, und die sie doch überaus gern haben möchten. Woher kommt das? Die Antwort ist klar: weil nicht ein einziger von ihnen, so gern er es auch wollte, so viel Willen besitzt, um zum Beispiel, wenn er es sich auf keine andere Weise verdienen kann, selbst zum Bettler zu werden, weil keiner von ihnen, selbst wenn er Bettler geworden ist, hartnäckig genug ist, um die ersten Kopeken, die er bekommt, nicht gleich für ein überflüssiges Stück Brot für sich oder seine Familie auszugeben. Und bei dieser Methode, Geld zu verdienen, das heißt, beim Betteln, darf man, wenn man soviel Geld zusammenhäufen will, nur von Brot und Salz leben und nach weiter gar nichts Verlangen tragen; wenigstens fasse ich das so auf. So haben es auch sicherlich die oben erwähnten Bettler gemacht, das heißt, sie haben nur trockenes Brot gegessen und fast ausschließlich unter freiem Himmel gelebt. Zweifellos haben sie nicht die Absicht gehabt, Rothschilds zu werden; es waren bloß Harpagons oder Pliuschkins in ihrer reinsten Erscheinungsform, weiter nichts; aber auch beim bewußten Geldzusammenraffen in einer ganz anderen Form, mit dem Ziele, ein Rothschild zu werden, braucht man nicht weniger Energie und Willenskraft als diese beiden Bettler. Ein Familienvater bringt diese Kraft nicht auf. Die Kräfte auf der Welt sind verschieden geartet, besonders die Kraft des Wollens und Strebens hat sehr mannigfache Abstufungen. Es gibt eine Temperatur, bei der das Wasser zu sieden anfängt, es gibt auch eine Temperatur, bei der das Eisen in Rotglut gerät.

Das ist ebenso schwer, wie ins Kloster zu gehen, so schwer wie die Selbstüberwindung asketischer Mönchsorden. Hier geht es ums Gefühl, nicht um die Idee. Und warum? Wozu? Ist das denn moralisch, und ist es nicht ganz ungeheuerlich, sein Leben lang in groben Gewändern zu gehen und nichts als Schwarzbrot zu essen, wenn man so einen Haufen Geld bei sich trägt? Von diesen Fragen später, jetzt will ich nur klarmachen, daß es möglich ist, mein Ziel zu erreichen.

Als ich mir »meine Idee« ausgedacht hatte (und in der Rotglut besteht sie eben), begann ich mich zu prüfen, ob ich fähig wäre zu Kloster und Askese. Zu diesem Zwecke genoß ich den ganzen ersten Monat hindurch nur Brot und Wasser. Ich brauchte nicht mehr als zweieinhalb Pfund Schwarzbrot für den Tag. Um das durchführen zu können, mußte ich Nikolaj Semionowitsch betrügen, der sehr klug war, und Maria Iwanowna, die mir wohlwollte. Ich bestand darauf, daß mir das Essen in mein Zimmer gebracht wurde, zu ihrer Betrübnis und zur zweifelnden Verwunderung des sehr korrekten Nikolaj Semionowitsch; dort schaffte ich das Essen einfach beiseite: die Suppe goß ich zum Fenster hinaus, in die Nesseln oder sonstwohin, das Fleisch warf ich entweder durchs Fenster dem Hunde zu, oder ich wickelte es in ein Stück Papier, steckte es in die Tasche und brachte es nachher fort, und so mit allem übrigen. Da mir zum Mittagessen natürlich viel weniger als zweieinhalb Pfund Brot heraufgeschickt wurde, so kaufte ich mir heimlich für mein eigenes Geld welches dazu. Das hielt ich einen Monat aus und verdarb mir nur vielleicht ein bißchen meinen Magen dabei; im nächsten Monat fügte ich die Suppe zum Brot, und morgens und abends je ein Glas Tee – und ich kann versichern, so habe ich ein ganzes Jahr gelebt, vollkommen gesund und zufrieden und moralisch in einem Taumel und einer fortwährenden heimlichen Ekstase. Nicht nur, daß es mir um die Speisen nicht leid tat, nein, ich war geradezu in einer Verzückung. Als das Jahr zu Ende war und ich mich überzeugt hatte, daß ich jedes beliebige Fasten ertragen konnte, begann ich wieder zu essen wie sie und ging zu Mittag zu ihnen hinunter. Aber mit dieser Probe war ich noch nicht zufrieden und machte noch eine zweite. Als Taschengeld, für meine kleinen Ausgaben, bekam ich außer dem Geld für meinen Unterhalt, das direkt an Nikolaj Semionowitsch gezahlt wurde, monatlich fünf Rubel. Ich beschloß, nur die Hälfte dieses Geldes auszugeben. Das war eine sehr schwere Prüfung, aber nach zwei Jahren, als ich in Petersburg ankam, befanden sich in meiner Tasche, außer anderem Geld, siebzig Rubel, die ich mir nur auf diese Art erspart hatte. Das Resultat dieser beiden Versuche war für mich einfach gewaltig: ich hatte jetzt die sichere Gewißheit, daß ich genug Willenskraft besaß, um mein Ziel zu erreichen, und darin, ich wiederhole, liegt meine ganze Idee begründet – alles andere sind jämmerliche Kleinigkeiten.

Ein Werdender

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