Читать книгу Ein Werdender - Fjodor M. Dostojewski - Страница 32

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»Ich will euch allen nur erzählen,« begann ich, scheinbar höchst ungezwungen, »wie ein Vater seinem lieben Sohn zum erstenmal begegnete; passiert ist das eben da, ›wo du deine Kindheit verbracht hast‹ . . .«

»Lieber Freund, wird das aber . . . nicht langweilig? Du weißt ja: tous les genres . . .«

»Machen Sie kein so finsteres Gesicht, Andrej Petrowitsch, ich will gar nicht auf das hinaus, was Sie glauben. Ich will nur, daß alle lachen.«

»Möge Gott dich hören, lieber Freund. Ich weiß ja, du liebst uns alle und . . . und du wirst uns den Abend nicht verderben wollen«, brachte er in einem gemachten, nachlässigen Ton hervor.

»Das haben Sie wohl auch in meinem Gesicht gelesen, daß ich Sie liebe?«

»Ja, zum Teil hab' ich's auch in deinem Gesicht gelesen.«

»Na ja, und ich habe es längst in Tatjana Pawlownas Gesicht gelesen, daß sie in mich verliebt ist. Schaun Sie mich doch nicht an, wie 'n wildes Tier, Tatjana Pawlowna, lachen Sie lieber! Lachen Sie lieber!«

Sie wendete sich auf einmal schnell nach mir um und sah mich eindringlich an, vielleicht eine halbe Minute lang:

»Sieh dich vor!« drohte sie mir mit dem Finger, aber so ernst, daß sich das gar nicht mehr auf meinen dummen Spaß beziehen konnte, sondern eine Warnung vor etwas anderem sein mußte: »Willst du wirklich schon anfangen?«

»Andrej Petrowitsch, so wissen Sie es wirklich nicht mehr, wie wir uns zum erstenmal im Leben begegnet sind?«

»Ich hab' es, weiß Gott, vergessen, lieber Freund, und bitte dich von Herzen, es mir zu verzeihen. Ich weiß nur, daß das schon sehr lange her sein muß, und daß, daß . . . ja, wo war's doch gleich?«

»Mama, und erinnern Sie sich nicht, wie Sie einmal auf dem Lande bei mir waren, ich kann damals sechs oder sieben Jahre gewesen sein, und was mir das wichtigste ist, sind Sie dort auf dem Lande wirklich einmal bei mir gewesen, oder schwebt mir das nur so wie in einem Traum vor, daß ich Sie dort das erstemal gesehen hätte? Das hab' ich Sie schon längst fragen wollen, aber ich hab's immer wieder verschoben: jetzt ist die Zeit gekommen.«

»Gewiß, Arkaschenka, gewiß! Jawohl, ich bin dreimal dort bei Warwara Stepanowna zu Besuch gewesen; als ich das erstemal da war, warst du höchstens ein Jahr alt, beim zweitenmal vier, und beim letztenmal warst du schon sechs.«

»Na also, und danach wollte ich Sie schon den ganzen Monat fragen.«

Meine Mutter wurde ordentlich rot, so schnell strömten die Erinnerungen auf sie ein, und sie fragte mich warm:

»Arkaschenka, kannst du dich denn wirklich noch auf mich in der Zeit besinnen?«

»Ich besinne mich auf nichts und weiß nichts, mir ist nur ein Etwas aus Ihrem Gesicht mein Lebtag in meinem Herzen zurückgeblieben, und dann ist mir das Bewußtsein geblieben, daß Sie meine Mutter waren. Ich sehe jenes ganze Gut jetzt wie im Traume vor mir, ich hatte sogar meine Pflegemutter vergessen. Von jener Warwara Stepanowna war mir nur deswegen ein Schimmer von Erinnerung geblieben, weil sie immer an Zahnschmerzen litt und die Wangen verbunden hatte. Ich weiß noch, daß ums Haus herum riesige Bäume standen, Linden glaub' ich, und dann schien manchmal die Sonne so stark durch die offenen Fenster, und dann war da ein Lattenzaun, an dem Blumen blühten, ein schmaler Weg . . . und Sie, Mama, seh' ich nur in einem Moment klar vor mir, als ich dort in der Kirche das Abendmahl bekam, und Sie hoben mich auf, damit ich das Sakrament empfangen und den Kelch küssen konnte, – das war im Sommer, und eine Taube flog oben quer durch die Kuppel, zu einem Fenster herein, zum andern hinaus . . .«

»Herrgott! Ja, so war das auch alles,« rief meine Mutter und schlug die Hände zusammen, »auch die Taube seh' ich noch wie heute. Direkt vor dem Kelch fuhrst du auf und schriest: ›eine Taube, eine Taube!‹«

»Ihr Gesicht, oder irgend etwas in ihm, der Ausdruck, ist in meinem Gedächtnis so fest haftengeblieben, daß ich Sie fünf Jahre später in Moskau sofort erkannte, obgleich mir damals kein Mensch sagte, daß Sie meine Mutter wären. Aber als ich Andrej Petrowitsch zum erstenmal sah, das war damals, als ich von den Andronikows fortgenommen wurde; bei denen hatte ich bis dahin still und vergnügt fünf Jahre hintereinander dahingelebt. Ich erinnere mich noch bis in die kleinsten Einzelheiten an ihre Dienstwohnung und alle diese Damen und Fräulein, die jetzt hier alle so alt geworden sind, und an das volle Haus, und an Andronikow selbst, wie er allen Proviant fürs Haus, Geflügel, Zander und Spanferkel, selbst in allerlei Paketchen aus der Stadt mitbrachte, und bei Tische tat er, statt seiner Frau, die sich immer sehr vornehm hatte, die Suppe auf, und der ganze Tisch lachte immer darüber, und er war der erste dabei. Und die Damen dort lehrten mich Französisch, aber das liebste waren mir Krylows Fabeln, ich konnte eine Menge von ihnen auswendig und deklamierte Andronikow jeden Tag eine Fabel vor. Ich ging einfach in sein kleines Kabinett, ob er nun zu tun hatte oder nicht. Na, und so einer Fabel verdanke ich auch meine Bekanntschaft mit Ihnen, Andrej Petrowitsch. Ich sehe, es dämmert Ihnen was.«

»Ja, mir schwant so was, lieber Freund, da hast mir damals irgendwas aufgesagt . . . eine Fabel, oder etwas aus Gribojedows Komödie ›Verstand bringt Leiden‹, glaub' ich? Was du übrigens für ein Gedächtnis hast!«

»Gedächtnis! Das fehlte noch! An dies eine habe ich ja mein Leben lang ganz allein gedacht.«

»Schön, schön, lieber Freund, du machst mich ja ordentlich munter.«

Er lächelte sogar, und sogleich lächelten auch meine Mutter und meine Schwester. Das Vertrauen kehrte zurück; aber Tatjana Pawlowna, die die Teller mit Süßigkeiten auf den Tisch gestellt und sich in eine Ecke gesetzt hatte, sah mich weiterhin mit bösem Blick scharf an.

»Das war so«, fuhr ich fort. »Eines schönen Morgens erschien auf einmal bei uns die Freundin meiner Kindheit, Tatjana Pawlowna, die in meinem Leben immer plötzlich, wie im Theater, aufgetaucht ist, ich wurde in einen Wagen gesetzt und in ein herrschaftliches Haus gebracht, in eine luxuriöse Wohnung. Sie waren damals bei Frau Fanariotowa abgestiegen, Andrej Petrowitsch, in ihrem leerstehenden Hause, das sie früher einmal von Ihnen gekauft hatte; sie selbst war damals im Auslande. Ich hatte bisher immer Blusen getragen; jetzt wurde mir auf einmal ein hübsches blaues Jackett und sehr feine Wäsche angezogen. Tatjana Pawlowna pusselte den ganzen Tag an mir herum und kaufte eine Menge Sachen für mich; ich ging unermüdlich durch alle die leeren Zimmer und bewunderte mich in allen Spiegeln. Und auf die Art geriet ich am nächsten Morgen, so um neun, auf meiner Wanderung durch die Wohnung ganz unvermutet auch in Ihr Kabinett. Ich hatte Sie schon am Tage vorher gesehen, als ich grade angekommen war, aber nur ganz flüchtig auf der Treppe. Sie kamen die Treppe herunter, um sich in den Wagen zu setzen und auszufahren; Sie waren damals ganz allein nach Moskau gekommen, nach einer langen Abwesenheit, und nur für kurze Zeit, so daß sich alles um Sie riß und Sie fast überhaupt nicht zu Hause waren. Als Sie Tatjana Pawlowna und mich erblickten, ließen Sie nur ein gedehntes: ›Ah!‹ hören und blieben nicht einmal stehen.«

»Er erzählt das mit viel Liebe«, bemerkte Wersilow, zu Tatjana Pawlowna gewendet; die aber drehte den Kopf zur Seite und antwortete nicht.

»Ich sehe Sie noch, blühend und hübsch, wie Sie damals waren, als wäre es heute gewesen. Sie sind in diesen neun Jahren erstaunlich alt und verbraucht geworden; entschuldigen Sie, bitte, daß ich so aufrichtig bin; übrigens waren Sie auch damals schon siebenunddreißig, aber ich konnte mich gar nicht satt sehen an Ihnen, was hatten Sie für wundervolle Haare, fast kohlschwarz, mit einem blanken Glanz darauf, ohne eine Spur des Ergrauens; ein Schnurrbart und ein Backenbart, die reine Juwelierarbeit, – ich weiß es nicht anders auszudrücken: das Gesicht von einer matten Blässe, nicht kränklich-blaß wie jetzt, sondern wie es jetzt Ihre Tochter Anna Andrejewna hat, die ich neulich kennenzulernen die Ehre hatte; feurige und dunkle Augen und blitzende Zähne, besonders wenn Sie lachten. Sie lachten eben grade, wie Sie mich so musterten, als ich zu Ihnen hereinkam; ich konnte damals noch nicht so viel Unterschiede machen, und Ihr Lächeln heiterte mir das Herz auf. Sie trugen an dem Morgen einen dunkelblauen Samtkittel mit einer gestickten solferinofarbenen Schärpe über einem kostbaren Hemd mit Alençonspitzen; Sie standen vor dem Spiegel und studierten den letzten Monolog Tschazkijs und insbesondere seinen letzten Ruf:

Den Wagen, meinen Wagen!«

»Ach Gott ja,« rief Wersilow, »er hat wahrhaftig recht. Ich hatte es damals, obschon ich nur für kurze Zeit in Moskau war, übernommen, den Tschazkij in einer Liebhabervorstellung bei Alexandra Petrowna Witowtowa zu spielen, weil Shilejko krank geworden war!«

»Hatten Sie das wirklich vergessen?« lachte Tatjana Pawlowna.

»Er hat mich wieder daran erinnert! Offengestanden, die paar Tage damals in Moskau sind vielleicht die schönste Zeit in meinem Leben gewesen! Wir alle waren damals noch so jung . . . und warteten alle mit solch einer Glut . . . Ganz unerwartet traf ich damals in Moskau soviel . . . Aber erzähl' nur weiter, lieber Freund. Diesmal hast du sehr wohl daran getan, daß du so ausführlich warst . . .«

»Ich stand da, schaute Ihnen zu und rief auf einmal: ›Ausgezeichnet, der richtige Tschazkij!‹ – Sie drehten sich mit einem Ruck nach mir um und fragten: ›Ja, was weißt du denn schon von Tschazkij?‹ – und dann setzten Sie sich auf den Diwan und machten sich in vorzüglichster Stimmung an Ihren Kaffee, – Sie sahen einfach zum Küssen aus. Und dann erzählte ich Ihnen, daß bei den Andronikows alle sehr viel lasen, daß die Damen viele Verse auswendig wüßten, daß sie ganze Szenen aus ›Verstand bringt Leiden‹ zusammen aufführten, daß wir in der verflossenen Woche alle zusammen abends laut die ›Memoiren eines Jägers‹ gelesen hätten, daß ich Krylows Fabeln am meisten liebte und sie auswendig wisse. Und Sie sagten, ich sollte Ihnen etwas aus dem Kopf hersagen, und ich deklamierte ›Die wählerische Braut‹:

Ein junges Mädchen träumt sich einmal einen Mann.«

»Ja, ja, ja, jetzt weiß ich wieder alles,« rief Wersilow, »aber, lieber Freund, ich sehe auch dich noch ganz deutlich vor mir: du warst damals so ein netter Junge, ein sehr manierlicher flotter Junge sogar, und ich kann dir mein heiliges Ehrenwort geben, du hast dich in diesen neun Jahren auch nicht grade zum Vorteil verändert.«

Jetzt fingen aber alle, selbst Tatjana Pawlowna, an zu lachen. Es war ja klar, daß Andrej Petrowitsch sich einen kleinen Scherz erlaubte und mir mit gleicher Münze für meine boshafte Bemerkung zurückzahlte, daß er so alt geworden sei. Alle wurden ganz lustig; und es war ja auch sehr hübsch gesagt.

»Je weiter ich deklamierte, desto freundlicher lächelten Sie, aber ich war noch nicht bis zur Mitte gekommen, da sagten Sie, ich sollte ein bißchen warten, klingelten und befahlen dem eintretenden Diener, Tatjana Pawlowna herzubitten. Die kam auch sofort angelaufen und sah so vergnügt aus, daß ich, der sie am Tage vorher gesehen hatte, sie fast nicht wiedererkannte. In Tatjana Pawlownas Gegenwart fing ich ›Die wählerische Braut‹ noch einmal an und führte meinen Vortrag glänzend zu Ende. Selbst Tatjana Pawlowna lächelte, und Sie, Andrej Petrowitsch, riefen sogar: bravo! und bemerkten begeistert, es wäre ja weiter nichts Erstaunliches gewesen, wenn ein gescheiter Junge in meinen Jahren die Fabel von der Grille und der Ameise gut vorgetragen hätte. Aber mit dieser Fabel wäre es doch ganz was anderes:

›Ein junges Mädchen träumt sich einmal einen Mann,

Da ist nichts Böses dran.‹

›Hören Sie nur, wie er das sagt:

Da ist nichts Böses dran!‹

– Kurz und gut, Sie waren entzückt. Und dann fingen Sie auf einmal mit Tatjana Pawlowna an französisch zu sprechen, sie wurde mit einem Ruck verdrießlich und widersprach Ihnen, ja, sie erhitzte sich sogar sehr dabei. Aber da es ganz unmöglich ist, Andrej Petrowitsch zu widersprechen, wenn er sich einmal was in den Kopf gesetzt hat, so führte mich Tatjana Pawlowna schleunigst in ihr Zimmer hinüber: Gesicht und Hände wurden mir frisch gewaschen, ich bekam frische Wäsche an, wurde pomadisiert, und sogar Locken wurden mir eingelegt. Und dann gegen Abend zog sich Tatjana Pawlowna selbst ziemlich elegant an, so elegant, wie ich's bei ihr nie erwartet hätte, und nahm mich in einem Wagen mit. Ich kam zum erstenmal in meinem Leben in ein Theater, es war das Liebhabertheater bei Frau Witowtowa; Lichter, Kronleuchter, Damen, Militärs, Generale, junge Mädchen, der Vorhang, die Stuhlreihen, – nichts der Art hatte ich bisher gesehen. Tatjana Pawlowna suchte sich ein äußerst bescheidenes Plätzchen in einer der hintersten Reihen und setzte mich neben sich. Es waren natürlich auch Kinder da und Kinder wie ich, aber ich achtete überhaupt auf gar nichts, sondern wartete nur mit angehaltenem Atem auf den Beginn der Vorstellung. Als Sie auftraten, Andrej Petrowitsch, war ich begeistert, begeistert bis zu Tränen, – warum, weshalb, weiß ich selber nicht. Warum diese Tränen der Begeisterung? – Das war es, was mir so fremdartig erschien, wenn ich in diesen neun Jahren daran zurückdachte! Mit angehaltenem Atem folgte ich dem Gang der Handlung; ich verstand davon natürlich nur, daß sie ihn betrogen hatte, daß dumme und unwürdige Leute sich über ihn lustig machten, die nicht wert waren, ihm die Schuhriemen zu lösen. Als er auf dem Balle deklamierte, begriff ich, daß er erniedrigt und beleidigt war, daß er allen diesen traurigen Leuten Vorwürfe machte, daß er groß war – groß! Natürlich förderte auch die Vorbereitung bei den Andronikows mein Verständnis, aber – auch Ihr Spiel, Andrej Petrowitsch! Ich sah zum erstenmal ein Theater! Bei der Schlußszene aber, als Tschazkij rief:

›Den Wagen, meinen Wagen!‹

(und Sie brachten das erstaunlich heraus), da sprang ich von meinem Stuhl auf und klatschte, zugleich mit dem ganzen Saal, der vom Applaus widerhallte, und schrie aus aller Kraft meiner Lungen: bravo! Und ich weiß noch, wie heute, daß ich im selben Moment etwas wie einen Stecknadelstich in ›der Fortsetzung meines Rückens‹ verspürte, es war Tatjana Pawlowna, die mich wütend kniff, aber ich achtete nicht darauf! Selbstverständlich brachte mich Tatjana Pawlowna, als das Stück aus war, sofort nach Hause: ›Zum Tanz kannst du ja doch nicht dableiben, und ich hab' weiter nichts davon, als daß ich nun auch nach Hause muß!‹ zischten Sie mich während der Heimfahrt die ganze Zeit an, Tatjana Pawlowna. Ich lag die ganze Nacht wie im Fieber, und am nächsten Tage, um zehn Uhr, stand ich schon vor Ihrem Kabinett, aber die Türe war verschlossen; es waren Leute bei Ihnen, und Sie verhandelten mit ihnen über Geschäfte; dann fuhren Sie gleich für den ganzen Tag aus, bis in die tiefe Nacht – so bekam ich Sie denn nicht zu Gesicht! Was ich Ihnen sagen wollte – hab' ich jetzt natürlich vergessen und wußte es wohl auch damals nicht, aber ich hatte den glühenden Wunsch, Sie möglichst bald zu sehen. Aber den Tag darauf geruhten Sie schon um acht Uhr nach Serpuchow hinauszufahren. Sie hatten damals gerade Ihr Gut im Gouvernement Tula verkauft, um sich mit Ihren Gläubigern auseinanderzusetzen, aber immerhin hatten sie noch ein ganz appetitliches Sümmchen in der Hand, deswegen beehrten Sie damals auch Moskau mit Ihrem Besuch, das Sie vorher hatten meiden müssen, aus Furcht vor Ihren Gläubigern; und nur dieser Grobian in Serpuchow wollte sich als einziger von Ihren Gläubigern nicht mit der Hälfte der Summe, die Sie ihm schuldeten, abfinden lassen. Tatjana Pawlowna antwortete nicht einmal auf meine Fragen, ›das geht dich gar nichts an, übermorgen bringe ich dich in die Pension; mach' dich bereit, nimm deine Hefte, bring' deine Bücher in Ordnung, du könntest jetzt auch wirklich bald lernen deinen Koffer selber zu packen, bild' du dir nur nicht ein, daß du den Kavalier mit den gepflegten Händen spielen mußt, hoher Herr‹, und so und so, und dies und das, Sie haben mich in diesen drei Tagen schon recht freundlich auf den Trab gebracht, Tatjana Pawlowna! Und das Ende war, daß ich in die Pension zu Touchard kam, Andrej Petrowitsch, verliebt in Sie und unschuldig wie ich war. Und mag das alles auch als ganz dummer Zufall erscheinen, das heißt, meine Begegnung damals mit Ihnen, aber glauben Sie mir, ich wollte nachher, ein halbes Jahr später, von Touchard aus zu Ihnen entfliehen!«

»Das hast du sehr schön erzählt und mir alles so lebendig ins Gedächtnis zurückgerufen,« sagte Wersilow langsam, jede Silbe betonend, »aber was mir an deiner Erzählung besonders auffällt ist der Reichtum an allerlei merkwürdigen Einzelheiten, über meine Schulden zum Beispiel. Ich will gar nicht davon reden, daß das Eingehen auf diese Einzelheiten ein wenig taktlos ist, aber ich begreife nicht, woher du sie eigentlich hast?«

»Die Einzelheiten? Woher ich die habe? Ich wiederhole Ihnen, ich habe diese ganzen neun Jahre nichts weiter getan als Einzelheiten über Sie gesammelt.«

»Ein seltsames Geständnis und ein seltsamer Zeitvertreib!«

Er wendete sich um, nahm in seinem Sessel eine halb liegende Stellung an und gähnte sogar flüchtig, – ob mit Absicht oder nicht, das weiß ich nicht.

»Soll ich weiter erzählen, wie ich von Touchard zu Ihnen fliehen wollte?«

»Verbieten Sie's ihm, Andrej Petrowitsch, nehmen Sie ihn am Kragen und werfen Sie ihn hinaus«, grollte Tatjana Pawlowna.

»Es geht nicht, Tatjana Pawlowna,« antwortete Wersilow eindringlich, »Arkadij hat sich offenbar etwas vorgenommen! und so muß man ihn also unbedingt aussprechen lassen. Mag er doch! Er wird es erzählen, und dann ist er's los, Und für ihn ist es eben die Hauptsache, daß er's los wird! Fang deine neue Geschichte nur an, lieber Freund; das heißt, neu, das ist nur so ein Ausdruck von mir; sei unbesorgt, ich kenne ihr Ende.«

Ein Werdender

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