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W.H. ließ sich bei einigen Vorlesungen vertreten. Von einem jüngeren Kollegen, der vom Blatt ablas. Ein Blatt nach dem anderen. Lange verschachtelte Sätze. Zu Hause ausgedacht und aufgeschrieben. Nicht der Gang der Gedanken und deren Aufleuchten in kurzen und längeren Sätzen und alles dienend der Darstellung eines Problems. Eines Problems, das interessierte. Das war W.H. Der war nicht da. Krank? Verreist? Oder etwas anderes? Etwas Grundsätzliches?

Florian arbeitete weiter an seiner Examensarbeit. Er hatte jetzt elf Seiten geschrieben. Er hatte ein Inhaltsverzeichnis. Er hatte eine Vorstellung, wie es weitergehen könnte. Er hatte ein paar Bücher, die er noch lesen musste. Manches war schwer zu verstehen. Manche Sätze musste er mehrmals lesen. Und war sich dann immer noch nicht sicher, ob er den Satz richtig verstanden hatte. Er versuchte, möglichst klar zu schreiben. Das hatte er immer gewollt. Das Problem sollte deutlich werden. Das Problem stand über allem. Ihm hatte sich alles unterzuordnen. Er wollte keine Sätze, die nicht zu verstehen waren. Er wollte nicht mit langen komplizierten Sätzen Eindruck machen. Er wollte durch die Erörterung eines Problems Eindruck machen. Durch die Vielfalt der Gedanken. Und durch die klaren Gedankengänge.

Dann war W.H. wieder da. Florian saß in seinen Vorlesungen und wieder war er begeistert von diesem Mann. Von der Klarheit seiner Gedankengänge und von ihrer Umsetzung in seiner Rede. Florian holte sich wieder die Stapel von Literatur ab und schrieb Zusammenfassungen. Er wusste, was W.H. las. Er wusste etwas, was nicht viele wussten. Die Sekretärin nickte freundlich, wenn er wieder etwas abgab.

W.H. winkte ihn zu sich nach einer Vorlesung. Er stand auf und ging nach vorn. Er stand neben W.H. und alle sahen das. Und dass sie zusammen durch die Tür gingen, durch die nur W.H. und einige seiner Mitarbeiter gingen.

„Ich möchte ihnen danken. Sie sind mit meiner Literatur beschäftigt. Das ist eine große Hilfe für mich. Ich weiß nicht, ob sie sich vorstellen können, wie schwierig es ist, die Literatur aufzuarbeiten. Ich habe sehr viele weitere Verpflichtungen. Als Direktor eines Instituts muss man sich um vieles kümmern. Die Mitarbeiter müssen betreut werden. Es gibt Spannungen zwischen den Mitarbeitern. Da muss man sich einbringen. Und dann habe ich auch eine Familie.“ Florian war gerührt von diesen Sätzen.

„Ist ihre Frau auch Germanistin?“ Er wollte näher an diesen Mann. Er wollte eine Beziehung zu diesem Mann. Er wusste nicht, ob der Mann ihm das übel nahm. Ob er das unpassend fand. Er sagte zunächst nichts und Florian war entsetzt. Wie hatte er so etwas sagen können. Aber dann sagte der Mann:

„Meine Frau hat bei einem Verlag gearbeitet. Jetzt ist sie zu Hause. Wir haben zwei Söhne. Um die muss sie sich kümmern. Sie würde gern wieder arbeiten.“ Vielleicht freute es den Mann, dass Florian sich für ihn interessierte.

„Wir haben uns Sorgen gemacht, als sie sich vertreten ließen.“ Der Mann lächelte.

„Ich schreibe an einem Buch. Ich brauchte etwas Ruhe. Ich kam nicht voran.“

„Und jetzt geht es voran?“

„Es sieht so aus.“ Der Mann stand auf und drückte Florian die Hand und sah ihn anerkennend an. Florian hatte jedenfalls so ein Gefühl. Er war sich nicht ganz sicher.

Er stand vor dem Institut. Er war so glücklich. Er hatte mit dem Mann gesprochen. Mit dem großen Mann. Daran war kein Zweifel. Ein großer Mann. Und so zugewandt. Fast wie ein Vater. Die Söhne waren zu beneiden. Die Gespräche mit diesem Vater. Das musste schön sein.

Florian gab seine Examensarbeit ab. In den letzten Tagen hatte er bis in die Nacht hinein gearbeitet. Nun war es geschafft. Und dann begann das Warten. Und dann kamen die Zweifel. Wie würde sie bewertet werden? Würde sie abgelehnt werden?

Florian hatte sechs Wochen gewartet und nichts hatte sich getan. Schließlich ging er zur Sekretärin und erkundigte sich nach seiner Examensarbeit. Sie lag noch bei W.H. Er hatte sie der Sekretärin noch nicht zurückgegeben. Florian wartete weiter. Und dann fand er einen Brief von der Universität vom Institut. Von W.H.

Gutachten zur Examensarbeit von Florian L.: Die Arbeit ist sehr umfangreich und sehr sorgfältig ausgeführt. Sie gründet sich auf ein ausführliches Studium der Literatur. Die Problematik ist richtig erfasst und dargestellt. Eine Reihe kreativer Gedankengänge sind in die Arbeit eingegangen. Leider ist es nicht gelungen, die Schlussfolgerungen logisch zu begründen. Deshalb kann die Arbeit nur mit „genügend“ bewertet werden.

Florian hatte sich setzen müssen. Eine Unruhe hatte ihn erfasst. Und Angst. Die besonders. Was sollte aus ihm werden? Er hatte versagt. Mit einem „genügend“ hatte er keine Aussichten. Wo sollte er sich mit einem „genügend“ bewerben? Er hatte mit dem Gedanken gespielt, sich im Institut von W.H. zu bewerben. Das war nun völlig ausgeschlossen. Er konnte diesem Mann nie wieder unter die Augen treten. Er hatte ihn nach seiner Frau gefragt. Was hatte er sich herausgenommen? Wie falsch hatte er sich eingeschätzt. Er war unter den Studenten ganz hinten. Er war nicht vorn, wie er angenommen hatte. Er ging einige Tage nicht zu den Vorlesungen. Die anderen Studenten wussten von seiner Niederlage. Er konnte ihnen nicht in die Augen sehen.

Auferstanden aus Ruinen

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