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ОглавлениеSie hatten sich zum Wochenende verabredet. Florian holte Vera ab und dann fuhren sie zusammen nach P. in den Park. Sie suchten sich eine Bank im Schatten unter einem der großen Bäume. Die junge Frau hatte eine weiße Bluse an und einen hellen Rock. Die dunkelblonden Haare waren wie immer glatt nach hinten gekämmt. Sie wurden von einem Gummiring zusammengehalten. Florian legte seinen Arm um die Schultern der jungen Frau und zog sie an sich. Sie küssten sich. Dann holte die junge Frau ein Buch aus ihrer Tasche.
„Wir sind nicht zum turteln hier. Der Montag kommt schneller als man denkt.“
„Und Frau K. Sie sieht immer sehr ernst aus.“
„Ich glaube sie mag dich. Ich bin etwas eifersüchtig.“
„Wenn du Frau K. kennen gelernt hast, wirst du nicht mehr eifersüchtig sein. Sie ist eine Art Gouvernante.“
„Ist sie verheiratet?“
„Wer sollte sie heiraten?“
„Ist sie unglücklich?“
„Ich weiß nicht. Ich glaube, die Arbeit ist für sie alles.“
„Damit ist sie ganz von den Schülern abhängig. Wenn die sie nicht mögen, ist sie verloren. Eine gefährliche Situation.“
„Hast du das in Pädagogik gehabt?“
„Ja. In Pädagogik.“
„Ich habe keine Ahnung von Pädagogik. Ich versuche interessanten Unterricht zu machen.“
„Du bist eben etwas ganz besonderes.“
„Bin ich ein interessanter Mann?“
„Der interessanteste, den ich kenne.“
„Bleibst du bei mir?“
„Natürlich. Wenn du es willst.“
„Du bist mein größtes Glück.“
Florian war wirklich glücklich. Er war nicht oft glücklich. Jetzt war er es. Er glaubte der jungen Frau. Sie sagte nur das, was sie wirklich meinte. Er suchte wieder ihren Mund.
„Ich bin deine erste richtige Liebe. Vor mir gab es nichts und nach mir wird es nichts geben.“ Florian musste jetzt doch lachen.
„Ich kenne mich aus mit Frauen. Mir kann keine Frau etwas vormachen.“
„Erzähle!“
„Wir dürfen nicht turteln, hast du gesagt. Die Arbeit ruft. Ich habe auch ein Buch mit. Meines ist dicker als deines.“
„Erzähle von deiner ersten Freundin. Das ist wichtiger als die Wissenschaft.“
Florian dachte nach.
„Sie war hellblonder als du. Sie hatte einen richtigen Pferdeschwanz. Auf der niedlichen kleinen Nase hatte sie Sommersprossen.“
„Wie alt war sie?“
„Sechzehn. Ich war achtzehn.“
„Hast du sie geküsst?“
„Nein. Ich habe ihre Hand gehalten. Das hat mir gereicht. Ich glaube, ich habe sie enttäuscht. Sie konnte ihren Freundinnen nichts erzählen.“
„Wie lange hast du ihre Hand gehalten?“
„Ein Jahr. Es war eine schöne Zeit. Ich habe immer an sie gedacht.“
„Und dann?“
„Ich bin nach B. gegangen zum Studium. Eines Tages kam ein Brief von ihr. Ich sollte sie nicht mehr besuchen. Ich war sehr enttäuscht. Was ist in ihr vorgegangen?“
„Vielleicht hat sie einen anderen Jungen kennen gelernt.“
„Nach mir? Das konnte nicht sein. Nach mir konnte es keinen anderen geben.“
„Da hast du Recht.“
„Wie war das mit deiner ersten Liebe?“
„Unser Deutschlehrer.“
„Wie war er?“
„Groß, schlank, dunkel, dichte Augenbrauen, Brille mit dickem Rand, männliche Stimme, trotzdem sehr feinfühlig, konnte Gedichte sehr gut rezitieren. Hatte ein wunderbares Lächeln. Wenn er lächelte, ging die Sonne auf.“
„Waren alle Mädchen in ihn verliebt?“
„Fast alle.“
„Machte dir das nichts aus.“
„Ich wusste, dass er nur mich liebte.“
„Habt ihr euch geküsst?“
„Wo denkst du hin? Er war verheiratet. Aber unglücklich. Er hat nie etwas erfahren von meiner großen Liebe.“
Sie begannen nun wirklich in ihren Büchern zu lesen. Der Montag rückte immer näher.
Der Montag wurde ein guter Tag. Sie hielten beide ihre Referate und waren zufrieden.
Am Abend gingen sie zum Deutschen Theater. Sie wussten nicht, was gespielt wurde, und sie hatten auch keine Karten. Sie bekamen zwei billige Karten auf der Empore der Kammerspiele. Sie saßen nebeneinander und Florian war glücklich. Wieder einer jener seltenen Momente, in denen er wirklich glücklich war. Er sah die junge Frau neben sich. Er sah ihr Profil ganz nahe. Die Strähnen der dunklen Haare, die über der Stirn begannen und hinten in einem Gummiring endeten. Die dunklen Augenbrauen. Die Augen, die ihn manchmal ansahen. Er sah die Menschen neben sich. Manche waren allein. Er war nicht allein. Er war zusammen mit dieser wunderbaren Frau. Keine war so schön wie sie. Sie hatten kein Programmheft. Sie hatten am Eingang gesehen, was gespielt wurde. Sie kannten das Stück. Sie kannten den Dichter. Sie kannten sein Leben und andere Stücke von ihm. Sie kannten einige der Schauspieler. Sie kannten den Namen des Regisseurs. Sie gehörten hierher. Das war ihre Welt. Die Welt der Literatur. Es wurde dunkel. Die Welt des Theaters nahm sie gefangen. Die junge Frau nahm seine Hand, und nun gehörten sie ganz zusammen. In der Pause gingen sie hinunter ins Foyer und besprachen, was sie gesehen hatten. Es gab kleine Unterschiede. Das war selbstverständlich. Am Ende gab es Beifall, und sie gingen hinaus in die milde Nacht mit ihren Lichtern. Sie gingen zu Fuß bis zu dem Haus, in dem die junge Frau wohnte. Sie schloss die große Türe an der Straße auf, und dann gingen sie die Treppe hinauf. Sie blieben die Nacht zusammen und am Morgen gingen sie zusammen weg.