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2.4.2 Wiederholungen
ОглавлениеInnerhalb von Lk 15,11b–32 werden an zwei Stellen ganze Sätze wiederholt: In V. 21b–d zitiert der jüngere Sohn die ersten zwei Drittel seiner in 15,18b–19b konzipierten Ansprache; der letzte Teil des Konzepts: »Mache mich wie einen deiner Tagelöhner«, wird durch den unmittelbar auf sein Schuldeingeständnis folgenden Auftrag des Vaters an die Diener, den Heimkehrer feierlich als Sohn willkommen zu heißen (15,22–24b), verdrängt. In V. 32 weist der Vater seinen älteren Sohn dann mit signifikanten Modifikationen auf denselben Zusammenhang hin, den er in 15,23c–24b den Dienern angezeigt hat:
15,23c–24b | 15,32 |
»Lasst uns essen und feiern, | »(Jetzt) aber war es nötig, zu feiern und fröhlich zu sein, |
denn dieser mein Sohn war tot | denn dein Bruder da war tot |
und ist wieder lebendig geworden, | und ist lebendig geworden, |
er war verloren | und (er war) verloren |
und ist gefunden worden.« | und ist gefunden worden.« |
Beide Wiederholungen verstärken die innere Geschlossenheit des Gesamttextes;[67] im Übrigen erfüllen sie jedoch verschiedene Funktionen. Das wörtliche Zitat von 15,18b–19a in V. 21b–d unterstreicht, dass gerade das Schuldbekenntnis den Vater veranlasste, die feierliche Aufnahme des Heimgekehrten als seines Sohnes zu vollziehen – und markiert somit unübersehbar die aus dem Elend ins Fest führende Wende auf dessen Lebensweg. Dies Zitat verknüpft also Teilabschnitte innerhalb des dem jüngeren Sohn gewidmeten Teils der Erzählung. Die Variation von 15,23c–24b in V. 32 verstärkt hingegen den Kontrast zwischen den Dienern, die eingeladen wurden, an der Freude des Vaters über die Rettung des jüngeren Sohnes teilzuhaben, und dem älteren Sohn, der genau jene Freude nicht teilte, |21|damit aber seine Aufgabe als Bruder des Jüngeren verfehlte. Diese Variation hebt also die analoge Zuspitzung der auf je einen der Söhne fokussierten Hauptteile hervor. So zeigt sich: Wiederholungen können auf verschiedenen Ebenen der Erzählung als Gliederungsmerkmale dienen; gewichten lassen sie sich jedoch nur aufgrund einer mit anderen Kriterien vorgenommenen hierarchischen Ordnung jener Ebenen.
Dies wird noch deutlicher im Blick auf die Aussagen zur Schlachtung des »Mastkalbes«. Dreimal ist davon die Rede – nacheinander in der Anweisung des Vaters, im Bericht des Burschen und im Protest des älteren Sohnes:
15,23: »und holt das Mastkalb, schlachtet es, und lasst uns essen und feiern.«
15,27: »… Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das Mastkalb geschlachtet …«
15,30: »als aber dein Sohn da … kam, hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.«
Die doppelte Wiederholung signalisiert, dass etwas Außergewöhnliches vollzogen wurde: ein Akt, der zugleich die große Freude des Vaters ausdrückt und den zornigen Protest des älteren Sohnes erklärt.[68] Damit aber knüpft sie die Begegnungen des älteren Sohnes mit Bursche und Vater an das Fest, mit dessen Eröffnung die Darstellung der Heimkehr des jüngeren Sohnes schließt.
Verschiedenen Zwecken dienen auch die Wiederholungen bestimmter Ausdrücke. So markiert die Aufnahme des Adjektivs μακρά »fern« aus Lk 15,13 (»ein fernes Land«) im Adverb μακράν (V. 20b: »Als er … noch fern war …«) den Beginn des Abschnitts, der die Rückkehr des ausgewanderten Sohnes behandelt. Zuvor werden zum einen sein Selbstgespräch durch zwei Hinweise auf die »Tagelöhner« (V. 17b.19b), zum andern die ganze Schilderung seines inneren wie faktischen Aufbruchs durch Kombinationen des Reflexivpronomens ἑαυτόν/ἑαυτοῦ mit dem Verb »gehen« (V. 17a: »Er … ging in sich …«; V. 20a: »… und ging zu seinem eigenen Vater«) gerahmt; dabei repetiert V. 20a zugleich die Formulierung ἀναστὰς … πρὸς τὸν πατέρα aus V. 18a. Die Rede vom tötenden »Hunger« (λιμός) des Sohnes in V. 17c greift die Erwähnung der »schweren Hungersnot« (λιμὸς ἰσχυρά) in V. 14a auf, verknüpft also sein Selbstgespräch (15,17–19) mit der Darstellung seines Elends (15,14–16). Später zeigt die Umsetzung des Adhortativs »lasst uns feiern« (V. 23fin.) in die Aussage »und sie begannen zu feiern« (V. 24c) das Ende des Hauptteils an, der vom Werdegang des jüngeren Sohnes handelt; die erneute Aufnahme des Verbs »feiern«[69] im Disput zwischen älterem Sohn (V. 29fin.: »auf dass ich … feiere«) und Vater (V. 32a: »… war es nötig zu feiern …«) unterstreicht dann, wie der Schluss der Erzählung auf den jenes Hauptteils zurücklenkt.
Im letztgenannten Zusammenhang ist eine weitere Beobachtung bedeutsam. Die Erwähnung der δούλοι »Diener« in Lk 15,22a spiegelt sich im Selbstporträt des älteren Sohnes wider, der in V. 29b von sich sagt: »Siehe, so viele Jahre diene (δουλεύω) ich dir …« Der Erzähler verstärkt also den Kontrast zwischen den Dienern, die auf Anweisung des Vaters das Fest der reuigen Heimkehr des jüngeren Sohnes nicht nur ausrichteten, sondern auch mitfeierten (V. 23c.24c), und dem älteren Sohn, der dem Fest für seinen Bruder voller |22|Zorn fernblieb (V. 28a),[70] dadurch, dass er jenen Sohn sich selbst die Rolle eines Dieners zuschreiben lässt.
So dienen Wortwiederholungen in 15,11b–32 zur Kennzeichnung von Neueinsätzen (vgl. V. 20b nach V. 13), zur Rahmung von Abschnitten (vgl. V. 17a / 20a und V. 17b / 19b), zur Verklammerung von Absätzen (vgl. V. 17c im Gefolge von V. 14), zur Anzeige eines Abschnittsendes (vgl. V. 24c nach V. 23fin.) etc. Wie und auf welcher Ebene der Erzählung sie auf deren Aufbau hindeuten, kann man deshalb nur im Verein mit weiteren, deutlich segmentierenden Textmerkmalen entscheiden. Dies gilt umso mehr, als manche begrifflichen Doppelungen für die Gliederung wenig bis gar nichts besagen.[71]
Demnach ist festzuhalten: Wiederholungen von Sätzen, Aussagen und Begriffen können innerhalb einer Erzählung durchaus Grenzen oder Verknüpfungen zwischen einzelnen Abschnitten anzeigen; verlässlich in diesem Sinne deuten darf man sie jedoch nur im Konnex mit anderen, klaren Gliederungsmerkmalen. Wie aber steht es mit Rückbezügen, die sich nicht (primär) auf begrifflicher, sondern auf funktionaler und semantischer Ebene vollziehen?