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8. Die Kriegsflotte (classis)
ОглавлениеRom war am Anfang eine an das (Fest-)Land gebundene, auf Landwirtschaft basierende Gesellschaft. Solange die römische Expansion sich gegen andere italische Gemeinschaften richtete, gab es kein besonderes Interesse am Aufbau und der Entwicklung einer Kriegsflotte. Erst als sich Roms Macht nach Süditalien auszudehnen begann (wo sie auf die erfahrenen Seeleute der griechischen Städte traf), und erst recht, als die Römer in den Konkurrenzkampf mit den Karthagern im Mittelmeer eintraten, gewann in Rom der Aufbau einer Flotte an Interesse. Für das Jahr 311 v. Chr. sind zum ersten Mal zwei mit dem Aufbau und der Instandhaltung einer Kriegsflotte beauftragte Beamte als duumviri navales bezeugt. Jeder der beiden Beamten war für eine Flottille von je 10 Kriegsschiffen verantwortlich. Die Schiffe waren wahrscheinlich nach griechischem Vorbild gebaute Triëren (Dreiruderer).
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Drei- und Fünfruderer
Die römische Triëre (lat. triremis, altgr. triéres, „Dreiruderer“) wurde nach dem Vorbild der griechischen Triëre gebaut. Das Schiff war etwa 35 m lang, mit den Auslegern für die Ruder ca. 5,50 m breit und hatte einen Tiefgang von 1 m. Es gab 150 Ruderer, die auf je 25 pro Reihe und Seite auf verteilt waren. Neben den Ruderern bestand die Besatzung aus zwölf Seeleuten sowie 80–90 Soldaten. Im Bedarfsfall konnten die Schiffe etwa 200–250 Legionäre transportieren.
Der römische Fünfruderer (lat. quinqueremis) aus der Zeit der Republik (3. Jahrhundert v. Chr.) war nach Polybios der Nachbau eines Schiffstyps aus Karthago. Das Schiff war wahrscheinlich 37 m lang, hatte einschließlich der Ausleger eine Breite von 5 m und einen Tiefgang von 1,40 m. Die Rudermannschaft bestand aus 300 Mann, je 150 auf jeder Seite. Hinzu kamen noch 30 Seeleute sowie in Kriegszeiten bis zu 120 Soldaten. Vermutlich hatten die meisten Fünfruderer wie die Triëre drei Ebenen, wobei die Rudern der beiden oberen Ebenen doppelt besetzt waren; es sind aber auch Quinqueremen mit zwei Ebenen vorstellbar. Es wird davon ausgegangen, dass römische und karthagische Fünfruderer über eine gleich starke Ruderbesatzung verfügten. Dieser Schiffstyp war während des Ersten und Zweiten Punischen Krieges eine der römischen und die punische Standardeinheiten überhaupt.
Es scheint jedoch, dass sich die Römer zu dieser Zeit eher auf die Kriegsschiffe der seemännisch viel erfahreneren griechischen Verbündeten aus Italien (die sogenannten socii navales) verließen, wenn es um Seeschlachten ging. Erst als der römische Staat in direkten Konflikt mit den Karthagern geriet, wurde eine eigene römische Kriegsflotte aufgebaut. Die Bewohner Karthagos in Nordafrika waren Nachkommen von phönizischen Siedlern, und wie ihre Vorfahren waren sie geschickte Seeleute, was ihnen die Vormachtstellung im Westen des Mittelmeeres sicherte. Die römische Expedition nach Sizilien löste den Ersten Punischen Krieg aus (264–241 v. Chr.) – die Karthager waren von den Römern als „Puni“ bezeichnet, eine Ableitung von „Phoenices“, Phönizier. Dieser lange Krieg veranlasste die Römer, dem Ausbau ihrer eigenen Flotte eine gesteigerte Aufmerksamkeit zu schenken. Der Historiker Polybios behauptet sogar, dass die Römer ein punisches Schiff, eine Quinquereme (Fünfruderer), in die Hände bekommen und als Vorbild für ihre eigenen Schiffe benutzt hätten. So wurde im Jahr 261 v. Chr. der Aufbau einer mächtigen Flotte von 100 Fünfruderern und 20 Dreiruderern begonnen.
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Polybios über den Aufbau der ersten römischen Kriegsflotte
(Polybios 1, 20)
Da sie nämlich sahen, dass sich der Krieg in die Länge zog, gingen sie daran – es war das erste Mal –, Schiffe zu bauen, hundert Fünfruderer und zwanzig Dreiruderer. Da aber die Schiffsbaumeister im Bau von Fünfruderern völlig unerfahren waren, weil bis dahin noch niemand in Italien solche Fahrzeuge benutzt hatte, so hatten sie damit große Schwierigkeiten. Eben hieran aber kann man wohl am besten den hohen Sinn und den Wagemut erkennen, der den Römern eigen ist. Denn obwohl hinlängliche Voraussetzungen, ja überhaupt alle Voraussetzungen fehlten und sie ihre Gedanken bisher noch niemals auf das Meer gerichtet hatten, sondern ihnen dies damals zum ersten Mal in den Sinn kam, nahmen sie die Sache mit solcher Kühnheit in Angriff, dass sie, noch ehe sie sich darin versucht hatten, sogleich mit den Karthagern zur See zu kämpfen wagten, die von ihren Vorfahren her die unbestrittene Seeherrschaft besaßen. Zum Beweis für die Wahrheit des Gesagten und für das Außerordentliche ihres Wagemutes mag Folgendes dienen: Als sie zum ersten Mal ihre Truppen nach Messene hinüber fuhren wollten, besaßen sie nicht nur keine Schiffe mit Verdeck, sondern überhaupt kein Kriegsschiff, ja auch nicht einmal ein einziges Boot, sondern sie mussten sich von den Tarentinern und Lokrern, den Eleaten und Neapolitanern Fünfzigruderer und Dreiruderer borgen, auf denen sie dann ihre Leute tollkühn übersetzten. Damals nun, während die Karthager in der Meerenge gegen sie ausliefen, wagte sich ein mit Verdeck versehenes Schiff im Eifer des Angriffs zu weit vor, so dass es auf den Strand lief und den Römern in die Hände fiel. Dieses Schiff nahmen sie jetzt zum Modell und bauten danach ihre ganze Flotte. Ohne diesen Glücksfall hätten sie also wegen ihrer Unerfahrenheit an die Ausführung ihres Plans überhaupt nicht denken können. (Ü: H. Drexler)
Die gewöhnliche Taktik auf See war damals die hellenistische Methode, die gegnerischen Schiffe durch einen Rammstoß zu versenken, weshalb die Schiffe mit einem bronzenen Rammsporn versehen waren. Die Römer brachten jedoch ihre eigene Erfindung mit, die ihnen erlaubte, die überlegenen römischen Legionäre auch in Seeschlachten einzusetzen. Sie rüsteten ihre Schiffe mit einer Enterbrücke aus, die sie corvus („Rabe“) nannten. Mittels dieser Brücke konnten die an Bord befindlichen Soldaten das gegnerische Schiff betreten und erobern. Diese Taktik war so erfolgreich, dass die Römer schon in der großen Seeschlacht von Mylai (260 v. Chr.) die Karthager besiegten. Auch sonst trug die Flotte wesentlich zum Sieg der Römer im Ersten Punischen Krieg bei, auch wenn die corvus-Taktik am Ende aufgegeben und das Rammen der feindlichen Schiffe wieder aufgenommen wurde. Die Enterbrücke machte die römischen Schiffe schwerer und schwieriger zu steuern, vor allem auf stürmischem Meer.
Die Flotte war ein wichtiger Faktor auch in anderen Kriegen der Römer im Mittelmeer. Wenn auch die kommandierenden Magistrate und die Soldaten auf den Schiffen Römer waren, ist es wahrscheinlich, dass die Seeleute, Ruderer und Steuerleute, weiterhin aus den verbündeten griechischen Städten stammten.
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Porträt des Livius
Titus Livius wurde in Patavium (heute Padova in Norditalien) ca. 59 v. Chr. geboren. Seine Familie gehörte nicht zur Oberschicht und er wurde nicht in Rom erzogen. Im politischen und militärischen Bereich war er auch nicht aktiv. Livius war mit Octavianus Augustus befreundet, was sich auch in seinem Geschichtswerk widerspiegelt, das eine Ehrung des ersten Princeps darstellt, auch wenn Augustus gelegentlich kritisiert wird. Livius verfasste frühe philosophische Schriften, die aber nicht erhalten sind. Sein Hauptwerk ist Ab urbe condita (Seit der Gründung der Stadt) von dem jedoch nur die Bücher 1–10 und 21–45 von ursprünglich insgesamt 142 Büchern erhalten sind. Dieses Werk wurde schon zu Livius’ Lebzeiten viel gelesen und zitiert. Allerdings wurden seine langen Ausführungen später zusammengefasst, wobei viel von den Originaltexten verloren gegangen ist. Livius’ Geschichte Roms umfasst die Zeitspanne von der legendären Stadtgründung Roms im Jahr 753 v. Chr. bis zum Jahr 9 v. Chr. und stützt sich exklusiv auf ältere literarische Quellen wie die Werke von Fabius Pictor, Sempronius Asellio, Cäsar oder Sallust. Für Livius hatten die Fakten nur eine sekundäre Rolle, vielmehr war er bemüht, eine „schöne“, „exemplarische“ Geschichte zu schreiben. Die Vergangenheit sollte für seine Zeitgenossen moralisch benutzt werden und seine Deutung der Geschichte verfolgte konstant diesen Zweck. Deshalb war er nicht bemüht, die Information kritisch zu übernehmen. Dies ist der Grund, warum er in der modernen Forschung der Geschichtsschreibung als unzuverlässig angesehen wird. Für manche Zeitspannen der römischen Geschichte ist sein Werk jedoch die einzige vorhandene schriftliche Quelle und dadurch unentbehrlich.
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Porträt des Dionysios von Halikarnassos
Dionysios von Halikarnassos wurde ca. 54 v. Chr. in Halikarnassos (an der Südwestküste Kleinasiens) geboren und starb um 8 n.Chr. ebenda. Er war ein griechischsprachiger Rhetor und Schriftsteller. Sein Hauptwerk war eine Geschichte Roms (Rhômaïké Archaiología, „Römische Altertümer“), das die Zeitspanne von den Anfängen bis zum Beginn des ersten punischen Krieges in zwanzig Büchern darstellt. Von diesen sind die ersten 10 Bücher komplett erhalten, während Fragmente von den weiteren Büchern bei vielen anderen Autoren als Zitate existieren. Die Geschichte der Stadt Rom wird als diejenige einer idealen Polis vorgestellt und Dionysios sucht und findet im Rückblick Gründe für den idealisierten Werdegang Roms zum „Zentrum der Welt“, ganz im Sinne der imperialen Auffassung der Augustus-Ära. Das Werk wurde auch von einigen späteren griechischsprachigen Autoren der Prinzipatszeit benutzt, darunter wohl Plutarch, Appian und Cassius Dio.
Trotz der Idealisierung der römischen Geschichte wird Dionysios’ Werk meistens für die Zeitspanne von der gallischen Invasion Italiens am Anfang des 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum Ersten Punischen Krieg vom 264–241 v. Chr. (die in den Büchern XIV bis XX angesprochen wird) als eine der wichtigsten Quellen für Roms Geschichte angesehen, zumal wir für manche Aspekte über keine anderen Quellen verfügen.