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KAPITEL 2

Schön ist sie, wie der Sterne Licht

im schwarzen Samt der Tropennacht.

Schau ihre Augen, ihr Gesicht,

spür ihre dunkelhelle Macht.

(Byron)

Michael Hosea war gerade dabei, die Gemüsekisten von seinem Wagen abzuladen, als er die schöne junge Frau sah, die die Straße entlangging. Sie war schwarz gekleidet, wie eine Witwe, und neben ihr ging ein großer, rau aussehender Mann, der eine Pistole im Gürtel trug. Überall auf der Hauptstraße unterbrachen die Männer ihre Beschäftigungen, nahmen ihre Hüte ab und schauten der Frau hinterher. Sie blickte nicht nach links und nicht nach rechts. Ihre Bewegungen waren von einer schlichten, fließenden Grazie, die Schultern gerade, der Kopf hoch erhoben.

Michael konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden. Je näher sie kam, umso rascher schlug sein Herz. Er beschwor sie innerlich, ihn anzuschauen. Sie tat es nicht. Als sie vorbei war, atmete er tief aus; er hatte gar nicht gemerkt, dass er den Atem angehalten hatte.

Sie ist es.

Erregung, Freude. Gott! Gott!

„Schönes Figürchen, nicht?“, sagte Joseph Hochschild. Der stämmige Ladenbesitzer hatte einen Sack Kartoffeln auf der Schulter und grinste. „Das ist Angel. Das schönste Mädchen westlich der Rocky Mountains. Östlich auch, soviel ich weiß.“ Er ging die Stufen zu seinem Laden hinauf.

Michael nahm eine Kiste Äpfel. „Was weißt du über sie?“

„Nicht mehr als der Rest der Welt auch, schätze ich. Sie macht lange Spaziergänge, jeden Montag-, Mittwoch- und Freitagnachmittag. Immer so um diese Zeit.“ Er nickte in Richtung der Männer auf der Straße. „Die kommen alle extra hierher, um sie zu sehen.“

„Und wer ist der Mann neben ihr?“ Eine Wolke zog über Michaels Gesicht. „Ihr Mann?“

„Mann?“ Hochschild lachte. „Sagen wir mal Leibwächter. Magowan heißt er. Sorgt dafür, dass keiner sie belästigt. An die kommt keiner ran, wenn er nicht bezahlt.“

Michael runzelte die Stirn und ging wieder nach draußen. An der Ladefläche seines Wagens blieb er stehen und starrte hinter der Frau her. Sie brachte eine Saite in ihm zum Klingen, ganz tief drinnen. Was für eine tragische Würde sie ausstrahlte. Als der Ladeninhaber die nächste Kiste hochwuchtete, stellte Michael die Frage, die ihm auf den Nägeln brannte. „Wie kann ich sie kennenlernen, Joseph?“

Hochschild lächelte mitleidig. „Da musst du dich wohl anstellen. Die Gräfin hält ’ne richtige Lotterie ab unter den hoffnungsvollen Bewerbern.“

„Gräfin?“

„Da hinten.“ Hochschild nickte die Straße hinunter. „Die Dame, die den Palast betreibt, das größte Bordell in Pair-a-Dice.“

Michael fühlte sich, als hätte ihm jemand in den Magen geboxt. Er starrte Hochschild an, aber der trug schon seine Möhrenkiste in den Laden. Michael nahm die nächste Apfelkiste auf seine Schulter. Gott, habe ich dich eben missverstanden? Eine Hure? Sie kann doch unmöglich die Richtige sein!

„Hab ein-, zweimal selbst meinen Obolus gezahlt. Bis ich gemerkt habe, dass es mehr als eine Unze Gold braucht, um das große Los zu ziehen.“

Michael knallte die Kiste auf den Boden. „Ein gefallenes Mädchen also?“ Er wollte es immer noch nicht glauben.

„Sagen wir mal, kein gewöhnliches gefallenes Mädchen, Michael. Angel ist erste Sahne, heißt es. Spezielle Ausbildung und alles. Aber ich kann’s mir nicht leisten, es auszuprobieren. Wenn ich es nötig habe, geh ich zu Priscilla, die ist gute Hausmannskost und kostet einen nicht zu viel von seinem hart verdienten Gold.“

Michael hatte das dringende Gefühl, dass er frische Luft brauchte. Er ging zurück nach draußen. Wie von selbst wanderten seine Augen wieder zu der schlanken Gestalt in Schwarz. Gerade kam sie auf der anderen Straßenseite zurück und ging wieder an ihnen vorbei. Diesmal war seine Reaktion noch heftiger.

Hochschild lud eine Kiste mit Rüben ab. „Du glotzt ja wie der Ochs vorm Scheunentor.“ Er grinste trocken.

„Machen wir die Rechnung“, sagte Michael knapp und trug die letzte Kiste in den Laden. Er musste seinen Kopf wieder klar bekommen, Geschäft war Geschäft.

„Wenn ich dich ausbezahlt habe, hast du genug Gold für sie“, sagte Hochschild. „Mehr als genug.“ Er leerte die letzte Kiste aus, dann stellte er seine Waage auf die Theke. „Frisches Gemüse ist ein Vermögen wert hier oben. Diese Goldwäscher leben von Wasser, Mehl und Pökelfleisch, und dann kommen sie mit Zahnfleischbluten und geschwollenen Skorbut-Beinen in die Stadt und denken, sie brauchen ’nen Arzt. In Wirklichkeit brauchen sie nur anständiges Essen und ein bisschen gesunden Menschenverstand. Aber jetzt lass sehen, was wir da alles haben. Je zwei Kisten Äpfel, Möhren und Rüben, plus sechs Kisten Kürbisse und zwanzig Pfund gedörrtes Wildfleisch.“

Michael nannte ihm seinen Preis.

„Was? Willst du mich ruinieren?“

Michael lächelte. Er war kein Grünschnabel mehr. Den Großteil der letzten beiden Jahre hatte er selbst als Goldwäscher verbracht und wusste, was die Männer brauchten. „Du kriegst das Doppelte wieder raus.“

Hochschild öffnete den Safe hinter der Theke und holte zwei Säcke mit Goldstaub heraus. Den einen schob er Michael ganz hin, aus dem anderen maß er etwas in einen kleineren Beutel ab, dann warf er den zweiten Sack zurück in den Safe, schloss die Tür mit dem Fuß und überprüfte den Riegel.

Michael leerte den Goldstaub in den Geldgürtel, den er sich gemacht hatte. Hochschild sah ihm zu, sein Mund verzog sich amüsiert. „Na, jetzt kannst du dir ja was leisten. Wenn du zu Angel willst, brauchst du der Gräfin bloß was von dem Zeug zu zeigen, dann bringt sie dich gleich nach oben.“

Angel. Schon der Klang dieses Namens … „Jetzt nicht.“

Hochschild musterte kurz sein Gesicht und nickte. Michael Hosea war ein stiller Typ, aber er war kein Weichling. Wer ihn sah, hatte Respekt vor ihm. Nicht nur, weil er groß und muskulös war. Es war vor allem sein Blick. Der Mann wusste, was er wollte. Joseph mochte ihn, und er hatte sehr wohl gemerkt, was für einen Eindruck Angel auf ihn gemacht hatte. Aber wenn er nicht darüber reden wollte – nun gut. „Was hast du dann mit dem ganzen Goldstaub vor?“

„Ein paar Stück Vieh kaufen.“

„Das ist eine gute Idee! Mit Rindfleisch kannst du noch mehr Geld machen als mit dem Gemüse.“

Auf seinem Weg hinaus aus der Stadt fuhr Michael an dem Bordell vorbei. Das Gebäude war groß und grell bemalt, und es wimmelte von Männern – fast alle betrunken oder halb betrunken. Irgendjemand spielte auf einer Geige, und die Männer sangen Lieder dazu, die eine Strophe deftiger als die andere.

Da drin wohnt sie also, dachte Michael. In einem dieser Zimmer, mit einem Bett und sonst nichts. Er ließ die Zügel über den Rücken der Pferde streichen und fuhr weiter, die Stirn in Falten.

Er kam nicht los von ihrem Bild, den ganzen Weg zu seinem Tal. Immer wieder sah er sie vor sich, wie sie die staubige Straße entlangschritt, ein schlanker, schwarzer Engel mit einem blassen, schönen Steingesicht. Wo mochte sie herkommen?

Seine Zunge testete ihren Namen: „Angel.“ Er prüfte und schmeckte das Wort, und er spürte, dass die Zeit des Wartens vorbei war.

„Oh Gott“, seufzte er. „Ich hatte eigentlich an was anderes gedacht.“

Aber er wusste: Dieses Mädchen würde er heiraten.

Die Liebe ist stark

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