Читать книгу Der Marshal kommt: Goldene Western Sammelband 12 Romane - Frank Callahan - Страница 16
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ОглавлениеLangsam begann sich der Nebel aus dumpfer Bewusstlosigkeit aufzulösen, der sich über ihn gelegt hatte.
Das Erste, was Jesse Nelson wahrnahm, war das Tageslicht. Es drang durch seine Augenlider und färbte sich dabei rot. Dann, noch bevor er die Augen geöffnet hatte, kamen die Erinnerungen – und mit ihnen die Schmerzen. Er bemerkte, dass seine Wunden mit notdürftigen Verbänden versorgt waren. Nelson musterte den Raum, in dem er sich befand. Es war eine einfache, enge Wohnstube. Der Ofen schien fast unverhältnismäßig groß zu sein, so dass es fast den Eindruck machte, als habe man das Haus um ihn herum gebaut.
Nelson sah den Rücken einer Frau. Die ungepflegten, schweißverklebten Haare fielen ihr unfrisiert über den Rücken. Ihre Kleidung bestand aus vor Dreck starrenden Röcken und einer mehrfach geflickten Bluse.
Sie drehte sich und schaute zu ihm herüber. Ihr Gesicht war hart. Es war das Gesicht einer Frau, die es nicht leicht gehabt hatte.
Als sie sah, dass Nelson erwacht war, zog sie die Augenbrauen in die Höhe.
Misstrauen stand deutlich in ihren Zügen, selbst jetzt, da er fast hilflos dalag. Sie kam ein paar Schritte näher, zunächst zögernd, dann entschlossener.
Nelson hob den rechten Arm und blickte auf den Verband seiner Schulter. Aber dann verzog er das Gesicht vor Schmerz und ließ den Arm schleunigst wieder sinken. Es tat höllisch weh. Es war eine gewohnheitsmäßige Bewegung gewesen, er hatte zunächst gar nicht darüber nachgedacht.
„Wie geht es Ihnen?“, fragte die Frau. Nelson erwiderte ihren Blick, der jetzt nicht mehr ganz so hart und unnahbar war wie zu Anfang. Sein Mund verzog sich erneut etwas; es war eine Regung, die halb vom Schmerz diktiert, halb Lächeln war.
„Ich …“, hauchte er.
Nelson erschrak, als er den schwächlichen Klang seiner eigenen Stimme vernahm. Da war nicht mehr viel Kraft und Leben drin …
Er atmete tief durch und setzte ein zweites Mal an, jetzt etwas besser hörbar. „Ich bin froh, dass ich noch lebe!“, erklärte er. Er spürte die Schweißperlen auf seiner Stirn. Ihm war schwindelig und kalt.
„Sie hatten etwas Geld bei sich“, erzählte die Frau.
„Davon habe ich den Arzt bezahlt.“
„Welchen Arzt?“
„Sie erinnern sich nicht?“ Sie winkte ab. „Er hat Ihnen eine ganze Menge Laudanum gegeben, vielleicht liegt es daran.“
„Und die Kugeln?“
„Die sind raus. Was von Ihrem Geld übrig geblieben ist, liegt bei Ihren Sachen. Wir sind arm, aber ehrlich. Wenn Sie mir nicht glauben wollen, dann …“
„Ich glaube Ihnen!“, schnitt er ihren Redefluss ab.
„Ihre Wunden haben sich entzündet“, erklärte sie sachlich. „Sie haben Fieber!“
„Ja …“, erwiderte Nelson schwach. „Das glaube ich auch.“
„Sie haben eine Menge fantasiert!“
Nelson nickte.
Vor seinem inneren Auge erschein das Gesicht von Dan McLeish. Er sah die hellblauen, blitzenden Augen und den zynisch verzogenen Mund und spürte, wie sich sein Puls augenblicklich beschleunigte. Er ballte die Linke zur Faust.
„McLeish …!“
„Sie haben diesen Namen einige Male im Fieberwahn erwähnt“, stellte die Frau fest.
Sie kam an sein Lager heran und legte ihm einen feuchten Lappen auf die Stirn. Dabei blieb sie keine Sekunde länger als unbedingt notwendig in seiner Nähe. Sie war vorsichtig, aber wer konnte ihr das verdenken?
„Hat es irgendetwas auf sich mit diesem Namen?“, fragte die Frau dann.
Sie lässt nicht locker!, dachte Nelson. Sie bohrt, bis sie erfahren hat, was sie wissen will!
„Ich werde McLeish töten, wenn ich ihn das nächste Mal treffe!“, brummte Nelson finster. Die Frau erschrak über den abgrundtiefen Hass, der in seiner Stimme mit einem Mal mitschwang. Er sagte das in demselben Tonfall, in dem ein Richter vielleicht ein Todesurteil aussprechen mochte.
Absolute Gewissheit lag in diesen Worten. McLeishs Schicksal schien in diesem Augenblick so gut wie besiegelt.
„Dieser McLeish …“, begann die Frau vorsichtig von neuem. „Hat er auf Sie geschossen?“
„Ja.“
„Aber warum?“
„Nicht jetzt!“, keuchte Nelson.
„Vielleicht später.“