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zu Beginn des Sommers

„Play it again, Sam!“

„Genau, erzähl’s noch mal, Micha.”

„Gute Idee. Ich könnt’s auch immer wieder hören. Na?“

Aha. „Play it again, Sam“ also. Ja sind wir hier in Casablanca? Sehe ich irgendwo Humphrey Bogart oder Ingrid Bergman? Sitze ich gerade am Klavier? Nein, nein und nein.

Mir kommt eher was anderes Klassisches in den Sinn: Ein Freund, ein guter Freund – genau, Heinz Rühmann. Und zwei weitere, deren Namen ich mir aber nicht merken kann. Zusammen hießen die dann: Die Drei von der Tankstelle. Und dieses Lied haben die sehr schön gesungen damals.

Ich glaube allerdings nicht, dass sie dabei an Typen gedacht haben wie jene, mit denen ich hier in der Kneipe sitze. Man schaue sie sich an: den Muckl, den Matze und den Herrn D. – hocken da, grinsen, feixen und hauen sich gegenseitig die Ellbogen in die Rippen. Da braucht man echt keine Feinde mehr.

„Sagt mal, Jungs, habt ihr was im Bier, was bei mir nicht drin ist?“

Ich drehe mich um, versuche, das Personal ausfindig zu machen, habe damit, welche Freude, auch gleich Erfolg, und rufe laut „Fräulein LOKALisierbar!“ durch den Laden.

Als ich noch klein und dümmlich war, dachte ich ja, das LOKALisierbar wäre die Lokalisier-Bar. Wegen Bar, logisch. Bald aber vergrub sich Matze, unser Oberschlaule, in die Recherche, und als er wieder hervorkam, faselte er was von Adenauer- und Radikalenerlass, von Spiegel- und Abhöraffäre, von APO, AStA und den 68ern, von Kommune 1 und Kommune 2.

Gemerkt habe ich mir davon nur, dass irgendwann dann in den 70ern ein paar verkrachte, ewige Studenten aus jener guten alten Zeit eine Kneipe aufmachten, die sie als allgemein protestierenden Mittelfinger verstanden haben wollten, mit in etwa dieser Aussage: Wir sind und bleiben die Coolen, wir sind immer noch da, wir denken gar nicht daran, uns einzufügen und brav zu funktionieren, und wir sind hier, an eben diesem Ort! In eben diesem LOKAL sind wir – na was? – genau: lokalisierbar!

Seitdem gibt es das LOKALisierbar, mit just dieser Schreibweise. Und nix von wegen die Lokalisier-Bar.

Herr D. nun, von Matzes Informationen zur Historie schwer begeistert, hatte das LOKALisierbar umgehend zu unserer offiziellen Stammkneipe erklärt, da er sich, wenn auch später geboren, den mittlerweile längst entschwundenen Gründungsvätern des Lokals politisch durchaus artverwandt fühlte.

Ebenso umgehend hatte Muckl gespürt, dass der Laden von einer sehr entspannten Atmosphäre des „Hier muss überhaupt nichts“ durchdrungen war. Da dies voll und ganz seinem Naturell entspricht, hatte es von seiner Seite keinerlei Einwände gegen Herrn D.s Beschluss gegeben.

Matze, der sich als hochintelligenten Sand im Getriebe versteht und dessen weitere Beweggründe oft unklar sind – zumindest mir –, fand sich ebenfalls bestens aufgehoben.

Und da man im LOKALisierbar selten lang auf flüssige Nahrung warten muss, war auch ich der guten Stube von Anfang an zugetan.

Sonderlich viel von seinem Gründungsgeist ist dem LOKALisierbar zwar nicht erhalten geblieben. Dass aber die vereinzelten Kerzen hier in Wachskleckerburgen stecken, die sich über Jahre hinweg eigenständig um, auf und über leere Weinflaschen modelliert haben, dass es auch noch ein Sofa gibt, dessen Stoffbezug jedoch so verdächtig aussieht, dass es niemand mehr zu besitzen wagt, und dass tatsächlich noch einige original alte Tonbandgeräte und Mikrofone als komplett verstaubte Dekoration herumstehen, die dereinst wohl als spöttischer Kommentar zu etwaigen Bespitzelungsversuchen dienen sollte, das weist dann doch in die Vergangenheit zurück.

In der Summe habe man vor Augen das Bild einer fröhlich benutzten, dienstalten Gaststube gängigen Typs, die sich aber mit einer angelottert-progressiven Altbau-WG vermischt hat und somit das Beste beider Welten in sich vereint: schwäbische Solidität und den legendär freien Geist einer Großstadt. Ganz recht, ganz recht: in diesem Falle den von Stuttgart!

Inzwischen nähert sich das gerufene Fräulein LOKALisierbar unserem Tisch. Der Blick jedoch, mit dem sie sich nähert, lässt mich vermuten, dass es wahrscheinlich gar nicht so schlau von mir ist, ständig den Namen der Süßen zu vergessen, die uns hier schon oft genug bedient hat. Punkt A: Sie ist wirklich süß, wenn auch mit einem Hauch von alternativ-anstrengend. Punkt B: Am Ende hat sie was dagegen, mit dem Namen der Kneipe gerufen zu werden, in der sie bedient?

Jetzt ist sie an unserem Tisch angekommen. Und was sie nun von sich gibt, lässt mich erkennen, dass ich tatsächlich einen Fehler gemacht habe. Ihre Strafandrohung jedoch ist unangemessen grausam. Mit leicht gepresster Stimme lässt sie mich dieses wissen:

„Micha, Freundchen, mein Lieber, jetzt pass gut auf: Der Begriff Fräulein ist genauso veraltet wie dein mickriger Machismo. Und wenn du noch ein einziges Mal meinen Namen vergisst, dann kriegst du hier künftig ausschließlich schönen heißen grünen Tee, Herr Höhlenmensch! Was hältst du davon?“

Die Sachlage ist klar: Ich bin kurz davor, es mir bei ihr zu verscherzen. Aber Höhlenmensch? Na gut, denke ich mir, dann versuche ich es mit schwäbischer Galanterie der Marke „Original Stuttgarter Kesselheld“:

„Oh bitte, tu mir das nicht an – für dich würde ich glatt sämtliche Stäffele rückwärts und auf einem Bein hochhüpfen! Ich könnte jetzt gleich loslegen! Wie wär’s zum Beispiel mit der Alten Weinsteige?“

Immerhin hat Stuttgart über 400 Stäffele mit einer Gesamtlänge von fast 25 Kilometern. Welch ein Angebot von mir!

Sie schweigt.

„Und, ist das nichts?“, hake ich nach.

„Die Alte Weinsteige ist kein Stäffele!“, zischt sie.

„Weiß ich“, sage ich, „aber sausteil ist sie.“

„Und das würdest du für mich tun?“, fragt sie.

„Aber klar!“, sage ich.

„Beeindruckend. Und wie heiße ich nun?“, fragt sie, und wieder hat sie diesen Blick, der mir echt Sorgen macht.

Das habe ich nun davon. Was rufe ich auch diese streitbare Dame herbei, statt den Jungs einfach zum hundertsten Mal zu erzählen, was sie hören wollen, wenn sie es doch so gern hören wollen. Und ich muss zugeben, dass es wirklich eine Story ist, die man immer wieder hören könnte – wenn es nicht gerade meine wäre, mit mir als Depp.

Na gut, okay. Hier ist sie, die Story:

Vor etwa zwei Wochen sitze ich bei mir zu Hause mit Katrin auf meiner schwarzen Rolf-Benz-Angeber-aber-trotzdem-gemütlich-Couch. Bei mir sitzen wir, weil ich die Technik habe! Die Erde mag meinetwegen nicht flach sein, aber das Display meines LCD-Fernsehers ist es. Und zwar über seine ganze 47-Zoll-Diagonale. Und das will ich genießen, ich habe lang genug in die Röhre geguckt. Und außerdem gehört zum fetten Bild ein fetter Sound. Nämlich 7.1, heutzutage ist das einfach State of the Art. Unter diesem Niveau will ich nichts mehr hören!

Nun, wir hocken also auf dem Sofa und schauen xXx – Triple X, für die kulturell Unterinformierten. Der Film ist jetzt schon ein moderner Klassiker. In der Kurzbeschreibung eine Art James Bond für Arme, aber dafür mit einer Extradosis Testosteron. Mit Vin Diesel, was eigentlich nicht noch extra erwähnt werden muss. Der Typ hat Talent.

Na, und als wir so vor uns hin gucken, merke ich, dass die Dame gar nicht in dem Maße von der Handlung gefesselt ist, wie ich es natürlich bin. Nun weiß ich ja, dass Frauen zuweilen abweichende Meinungen über handlungsbetonte Filme haben. Aber: Den Diesel hat sie doch schon als „durchaus sexy“ bezeichnet – was mich übrigens ein kleines bisschen genervt hat. Wieso denn gleich „durchaus sexy“? „Ach, sieht ganz okay aus“ hätte es schließlich auch getan.

Wieso also konzentriert sie sich nicht auf Vin und die doch recht komplexe Handlung von Triple X? Sondern starrt stattdessen ständig mich an? Ob ich mich geschmeichelt fühlen sollte? Immerhin war ich in diesem Monat bereits dreimal im Fitnessstudio!

„Baby, sag, schaust du hier eigentlich ständig auf meinen Bizeps? Darfst gern fühlen, da hast du ganz klar das Erstberührungsrecht!“, scherze ich harmlos vor mich hin. Und ahne nicht, welch absolut perfekten Pass ich ihr damit zugespielt habe.

„Ich habe das Erstberührungsrecht?“

„Na sicher!“, bestätige ich, aber da ist etwas Irritierendes in ihrem Tonfall. Trotzdem grinse ich cool. Zumindest versuche ich es.

„Und wer hat das Zweitberührungsrecht?“

Oha. Also, ich weiß ja, dass sie nicht weiß, was ich derzeit weiß, aber wüsste ich das nicht, würde ich jetzt glatt denken, sie wüsste was.

„Baby, ich kapier grad nicht so ganz, was du meinst.“

„Lass bitte das ‚Baby‘ weg, okay? Was ich meine, ist: Hast du in letzter Zeit mal in deinen, Gesendet‘-Ordner geschaut?“

Jetzt weiß ich wirklich nicht mehr, wovon sie gerade spricht.

„Ähm, bei meinen Mails, oder wo?“

Im Hintergrund drischt Mister Diesel grad auf irgendwen ein, aber momentan ist meine Konzentration etwas beeinträchtigt.

„Ja, bei deinen Mails“, antwortet sie, und – ich hasse das! – an den Unterlidern ihrer ohnehin schon wasserblauen Augen beginnt es, dezent zu schwappen. Baby, tu mir das nicht an. Fang jetzt nicht an zu heulen! Und vor allem nicht – wegen meiner Mails? Wieso das denn!?

„Nein, hab ich nicht reingeschaut. Sollte ich?“

Was zugegebenermaßen eine ziemlich dämliche Frage ist. Klar sollte ich, sonst hätte sie’s ja nicht gesagt. Aber warum um alles in der Welt sollte ich?

„Du hast mir eine Mail geschickt, Micha. Aber die war wohl nicht für mich …“

Oh nein. Oh je. Auweia. Auf dem Bildschirm haucht jemand sein Leben aus. Vor dem Bildschirm auch. Ich nämlich. Denn schlagartig kann ich mir denken, wovon sie spricht:

Und zwar von einem im Grunde genommen vollkommen harmlosen, na, sagen wir: Techtelmechtel mit einer netten kleinen Maus, die ich da oben in Möhringen in Musicalcity kennengelernt habe. Und die noch nicht mal von hier ist (sondern aus Baden. Schlimm eigentlich). Deswegen auch der Mailverkehr, und kaum sonstiger … Himmelherrgott, was muss die Maus auch Katja heißen. Vielleicht sollte ich meine Mailadressen besser nach Familiennamen sortieren? Kenne ich die überhaupt von allen?

Da mir auf Katrins Verkündung nichts Schlagfertiges, eigentlich gar nichts einfällt, studiere ich zunächst meine Holzdielen, die, passend zur Couch, in einem sehr schön kräftigen Dunkelbraun lasiert sind.

Damit komme ich aber auch nicht weiter. Katrin wässert (geringfügig) und schweigt. Was sicher heißt, dass sie auf etwas wartet. Wahrscheinlich auf eine Reaktion von mir oder eine Erklärung. Wenn mir die allerdings gerade entfallen ist? Frauen sind ziemlich oft etwas drängelig bei so was.

Aber da Katrin, wie halb Stuttgart, im Theaterhaus gewesen ist und Caveman gesehen hat, sollte sie eigentlich wissen: Es gibt Situationen, da muss der Mann erst in seine Höhle gehen und drüber nachdenken. Und das kann gut und gern auch eine Weile dauern. Nur, ich merke schon: Diese Weile will sie mir jetzt nicht gönnen.

Also gut. Sie verlangt nach einer Erklärung? Dann soll sie die auch bekommen. Etwas in der Art: Ich bin eben ein Mann, soweit sind wir uns ja wohl einig. Und da passieren manche Dinge einfach.

Das ist doch eine gute und plausible Erklärung, finde ich.

Na schön, dann werde ich Katrin das jetzt darlegen. Ich schaue hoch – und stelle gleichermaßen überrascht wie fasziniert von solch rasanter Wandlungsfähigkeit fest: in 1,5 Sekunden von Rosamunde Pichler (Pichle? Pilcher? Pilsner?) auf Roland Emmerich. Tränen waren vorhin, ab jetzt ist 2012. Die totale Apokalypse, Weltuntergang für alle.

Das Sternzeichengetue scheint mir leicht albern zu sein, aber bei den Löwen könnte es stimmen. Denn mit dem folgenden und bestens zu ihrer blonden Mähne passenden Gebrüll würde Katrin in jeder Savanne eine prima Figur machen.

Dass sie die auch wirklich hat, demonstriert sie mir dabei zusätzlich (und überflüssigerweise), indem sie vom Sofa hochschießt, als ob eine Sprungfeder unter ihr explodiert wäre, und sich vor mir aufbaut – breitbeinig, die Fäuste in die Seiten gestemmt, den Oberkörper kämpferisch vorgebeugt, das Kinn angriffslustig vorgeschoben, wallend die Mähne.

Und sie brüllt (sie brüllt wirklich. Sie kreischt oder keift nicht nach guter Frauenart, nein, sie brüllt. Ich wusste gar nicht, dass sie so brüllen kann. Dass sie überhaupt brüllen kann. Sie sollte über eine Karriere als Hardcore-Sängerin nachdenken) – sie brüllt also:

„Micha, es reicht! Es reicht mir echt, verdammt noch mal! Du bist wirklich das Allerletzte! Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie ich mich gerade fühle? Kannst du dir das bitte mal vorstellen, wie demütigend das für mich ist? Wie erniedrigend? Wie sehr eine Frau durch so etwas verletzt wird?“

Für eine Schwerverletzte dreht sie aber ganz ordentlich auf, denke ich mir.

„So etwas tut einfach nur unglaublich weh. Es tut verdammt weh! Ist dir überhaupt klar, was du da angerichtet hast?“

Vor allem ist mir gar nicht klar, warum sie jetzt anfängt, im Zimmer herumzustapfen. Das wird doch nicht so eine Sachen-Herumwerf-Szene werden?

„Und das Tollste, das Mieseste daran ist, was du dir noch zusätzlich geleistet hast, ja? Ich meine, als wenn es nicht schon schlimm genug wäre, dass du überhaupt eine Affäre hast, dass du mich betrügst mit so einer – so einer – ach was weiß ich, was das für eine Kesselschwalbe ist …“

Wenn du schon meine Mails liest, lies sie genau, denke ich mir. Das Mädel ist aus Baden, und die Landeshauptstadt liegt nicht in Baden.

„… nee, mich einfach nur zu betrügen, das reicht dir nicht. Damit es mir so richtig wehtut, so richtig und für immer wehtut, machst du dir nicht mal die Mühe, ein bisschen vorsichtig zu sein! Ich bin es dir nicht wert, aufzupassen, was du tust – so sieht das also aus, ja? So siehst du mich? Du hast eine Affäre, und dann schickst du deine Mails irgendwohin, bloß nicht dahin, wo sie hingehören?

Das ist genau das, wovon ich schon immer gesprochen habe. Auf dich kann man sich nicht verlassen! Die Adressen zu vertauschen! So was! Wem passiert denn so was? Wie egal muss einem denn ein Mensch sein, wenn man sich nicht mal bei so was konzentriert?

Ich fasse es nicht. Ich kann es einfach nicht fassen. Das ist doch beim besten Willen nicht zu glauben, dass du …“

Und so geht es weiter. Vin Diesel können wir für den Abend vergessen, denke ich mir, den Austausch von Körperflüssigkeiten auch.

Was mich aber wirklich irritiert, ist ihre doch recht kuriose Argumentation. Ich habe nämlich den Eindruck, dass meine angebliche Unzuverlässigkeit ihr tatsächlich noch mehr auf den Zeiger geht als dieses weitestgehend harmlose Geschichtchen mit der Dame aus Baden.

Derweil wütet sie immer noch – so weit, so unterhaltsam. Inzwischen aber hat sie sich obendrein mein Ford-Mustang-Automodell aus dem Regal geholt. Und fuchtelt nun mit ihm in der Gegend herum. Zeigt auf mich, deutet zur Decke und zum Boden. Du lieber Himmel, was hat sie damit vor?

„… und nun sage ich dir mal klipp und klar, was Stand der Dinge ist: Du kannst dich ruhig weiter dagegen wehren, erwachsen zu werden. Mach das, so lang du willst. Aber mir reicht’s jetzt endgültig, du mieser Betrüger. Du Kleinkind! Das war’s. Schluss, aus, vorbei, ich hab genug von dir! Bedank dich bei dir selber, offensichtlich hast du’s nicht anders gewollt!“

Und mit diesen Worten reckt sie meinen armen Ford Mustang in die Höhe, als ob sie die verdammte Freiheitsstatue wäre. Drohend, ich kann das gar nicht anders interpretieren!

Ich starre von meinem Sofa zu ihr hoch, meine Augen schreckensweit aufgerissen. Sie starrt von oben auf mich herab, ihre Augen zu raubtierhaften Schlitzen verengt. Der Moment gefriert. Die Sekunden werden zu unerträglichen Minuten der Folter. Ich halte die Luft an. Was wird sie tun?!

Sie spricht. Sie brüllt nicht mehr, sie spricht. Was spricht sie?

„Das hättest du jetzt wohl gern. Das würde deinen Erwartungen entsprechen, nicht wahr? So funktioniert sie, deine Kleine-Buben-Welt, richtig? Aber weißt du was? Das bist du mir nicht wert, dein bescheuertes Spielzeugtretautomobilchen runterzuwerfen. Such dir eine andere, die deine Klischees bedient. Schau mal, ich stell es wieder ins Regal. Kannst weiter damit spielen.“

Tatsächlich! Sie geht zum Regal und stellt den Ford Mustang – übrigens das Modell eines Shelby-Mustangs! – gespielt vorsichtig zurück.

Ich atme aus. Mein Mustang! Liebevoll-besorgt schaue ich zu ihm rüber. Nach so einem Modell habe ich ewig gesucht, und dann habe ich es endlich aufgetrieben. Und zwar hier in Stuttgart, bei …

… und rrrummms, knallt meine Wohnungstür von außen zu! Wie jetzt? Moment mal! Nun übertreibt sie aber wirklich. Wann hat die denn ihre Schuhe angezogen? Blöder Sommer, immer diese Flip Flops, da geht das einfach viel zu schnell. Da kann Mann doch gar nicht rechtzeitig reagieren!

Ich springe also rasch von meinem Sofa auf, stolpere ihr hinterher, öffne die Tür, guck das Treppenhaus runter und höre nur noch, wie die Haustür so zudonnert, als ob ein Orkan sie zugeschlagen hätte. Die arme Tür, die ist noch original, mindestens 100 Jahre alt. Das tut der doch weh! Außerdem gibt das bestimmt wieder einen bescheuerten Tesa-Zettel unter meiner Klingel:

„Sehr geehrter Herr Späth, wir möchten Sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass bla bla bla.“

Tja, das war sie, die Story. Einmal Katja, einmal Katrin, einmal kurz nicht aufgepasst, einmal zu schnell auf „Senden“ geklickt, einmal eine hübsche kleine Szene (wenn auch nicht meine erste), und raus bin ich.

Der Tesa-Zettel kam tatsächlich, Wortlaut exakt wie beim letzten Mal. Ich habe ihn eine Woche hängen lassen, damit die kapieren, dass er mich nicht interessiert. Und von Katrin habe ich seitdem nichts mehr gesehen. Ihren blöden Schminkkram habe ich, ebenso wie ihre blöden Klamotten, nach drei Tagen in eine alte, miefige Sporttasche von mir gestopft und in der letzten muffeligen Schrankecke verstaut! Ha!

Bleibt noch ihr gurkenkrummer Gummibaum, den sie mir dereinst ins Wohnzimmer gestellt hat. Weil ich eigentlich davon ausgehe, dass sie das dämliche Ding, zusammen mit ihrem anderen Zeug, irgendwann abholt, gieße ich ihn immerhin. Am Ende kann ich mit einem grünenden Gummibaum den schlechten Eindruck, den ich scheint’s gemacht habe, wieder etwas aufwerten, wenn sie dann noch mal auftaucht.

Mittlerweile aber lasse ich mir mein Bier im LOKALisierbar (mein LOKALisierbier also) schmecken, während die süße Kellnerin nach wie vor darauf wartet, dass mir ihr Name einfällt. Grünäugig blitzt sie mich an, aber das kann ich gerade nicht wirklich genießen, denn ohne ihren Namen werde ich mir mein Bier künftig selber am Tresen holen müssen. Keine schöne Vorstellung. Himmelherrgott, wie heißt sie denn?

Meine tollen Kumpels sehen es auch nicht ein, mir zu helfen. Was machen die da eigentlich? Piept’s bei denen jetzt völlig? Was zeigen die denn ständig gegenseitig auf ihre Biere? Und starren dabei im Wechsel mich und die Kellnerin an? Die haben echt einen an der Waffel. Oder aber? Aah, jetzt hab ich es kapiert! Die geben mir einen Hinweis! Das sind echte Kumpels – Ein Freund, ein guter Freund …

Und ich drehe mich zu der Süßen um, lächle mein meistens erfolgreiches „Ach komm, ich will doch nur spielen“-Lächeln und sage:

„Birgit!“

Was aber auch echt ein komischer Name für so eine Hübsche ist, oder? Nächstes Mal habe ich den garantiert wieder vergessen!

Halbhöhlenlage

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