Читать книгу Halbhöhlenlage - Frank Engelmann - Страница 9

4

Оглавление

am übernächsten Wochenende

„Ich dachte immer, das D in Herr D. steht für Daniel.“

Matze schaut mich an, ich schaue ihn an, wir schauen Muckl an.

„Tut es auch“, antwortet Matze.

„Ich glaube aber eher, das steht für Drückeberger!“, verkündet Muckl.

Da muss ich sehr grinsen. Und zum besseren Verständnis, was mich daran so belustigt, teile ich uns vier mal schnell in Kategorien betreffs unserer jeweiligen Bereitschaft für Leibesertüchtigungen ein:

Matze – ist der totale Sportjunkie. Wenn keiner zuhört, nennen wir ihn auch gerne unseren Sportfascho. Du bist nichts, dein Sport ist alles! Wenn’s ihm Spaß macht … Armer Kerl. Aber konsequent bis zum Anschlag.

Ich – na ja, man tut halt, was man tun muss. Je besser man in Form ist, umso mehr kann man das auch von den Ladys verlangen. Ist ein sehr, na, sagen wir es ruhig so: emanzipierter Standpunkt. Normalerweise fordern Jungs, Männer und/oder Herren die berühmten 90–60–90, sehen aber selber aus wie Schwammsack! Dagegen bin ich doch ein Ausbund an Gleichberechtigung. Ganz grundsätzlich denke ich aber: Immer locker bleiben. Ich, und die Mädels auch.

Na gut, und schließlich Muckl und Herr D. – betrachten Sport als auf einer Stufe stehend mit Zahnarztbesuchen inklusive Wurzelbehandlung.

Wenn es nun also ein wunderschöner, sommerlicher Sonntagmorgen ist (der nur dann noch wunderschöner wäre, wenn die Uhr irgendetwas deutlich nach 8.30 Uhr zeigen würde); und wenn vier Herren sich an diesem Sonntagmorgen (zu dieser eher unchristlichen Uhrzeit) zu einer kleinen Wandertour verabredet haben; und wenn einer von diesen vieren einfach nicht erscheint; und wenn bekannt ist, dass dieser eine, der nicht erscheint, eine ausgesprochene Abneigung gegen Bewegung hat, dann: ist es nur zu verständlich, wenn der andere, der zwar dieselbe Abneigung sein Eigen nennt, dummerweise aber vor Ort ist, herumsäuert. Denn er weiß, dass er aus der Nummer nicht mehr rauskommt und in Bälde jenes grässliche Ungefühl des Schwitzens wird ertragen müssen.

„Ach, der rächt sich nur an dir, weil du uns letzthin beim Bier versetzt hast“, versuche ich Muckl zu besänftigen.

Besänftigt ist er dadurch aber nicht, ganz im Gegenteil:

„Das wäre aber total unfair! Erstens habe ich immerhin beide Male ganz offiziell abgesagt, und zweitens hatte ich auch einen guten Grund!“

„Deine Annika?“, fragt Matze rhetorisch.

„Nein, weil meine Oma Marmelade einkochen wollte und ich ihr helfen sollte. Herrje!“

„Deine Großmutter ist seit Jahrzehnten tot.“

„Ach echt? Darum ist die Marmelade nichts geworden, jetzt wird mir das erst klar!“

„Leute“, bringe ich mich schlichtend ein, „ich glaube, weder Herr D. noch Muckls Großmama werden hier und jetzt noch auftauchen. Sollen wir dann einfach los?“

„Sir, yes Sir Sergeant Sir Private Michael M. Späth! Hervorragende Idee! Auf geht’s!”, brüllt Matze und marschiert los.

Nun schauen Muckl und ich uns an. Unsere gemeinsame Frage aber, ob Matze doch besser Drill Instructor bei der U.S. Army hätte werden sollen, bleibt unausgesprochen. Eigentlich ist sie auch schon beantwortet worden.

Na schön. Matze ist mittlerweile am Horizont verschwunden, nur eine Staubwolke kündet davon, dass er vor wenigen Sekunden noch neben uns stand. Darum machen auch wir uns, aber in aller Gemütlichkeit, auf den Weg die Eierstraße am Marienhospital hoch, um oben dann irgendwo in den Wald hineinzutapern, generelle Direktion: Dornhalden-/Waldfriedhof.

Freundlicherweise wartet Matze hinter der ersten Kurve auf uns, sonst würden wir ja auch verloren gehen und verhungern müssen in Stuttgarts wild bewucherten Hügeln und Hängen – immerhin stehen knapp 40 Prozent der Stuttgarter Gemarkung unter Landschafts- und Naturschutz!

Und als wäre das nicht Herausforderung genug, gibt es auch noch Muckls Schuhwerk, welches nun wirklich nicht dem Anlass entspricht. Freilich, perfekt ein- und abgelatschte Chucks sind etwas, was ein Mann nur schwersten Herzens oder gar nicht entsorgt. Aber sie für eine Wanderung anziehen? Macht nur Muckl.

Was unter anderem daran liegt, dass er außerhalb seines Jobs nie, niemals und gar niemals etwas anderes trägt als Chucks, Cargohosen und knittrige Shirts. Das allerdings ist insofern verständlich, als Muckl bei einem hochwertigen Herrenausstatter arbeitet, Anzug also Uniform ist, und er daher freizeits as casual as möglich sein will. Und das ist er dann eben auch bei einer kleinen Wanderung. Und bei einer großen wäre es genauso.

Dagegen wirke ich mit meinen Joggingturnschuhen fast schon overdressed – wäre da nicht noch Matze. Keine Ahnung, wo er mit uns hinwill, seine Kleidung und sein Schuhwerk würden aber nicht mal vor einem mehrwöchigen Kampfeinsatz in Afghanistan zurückschrecken.

Nun, derart unterschiedlich ausgerüstet stapfen wir mittlerweile im Wald herum und im Moment gerade eine Steigung hoch, die wenigstens Muckl und mir das Wort verbietet, denn der Atem wird für Dringenderes als Worte gebraucht. Dennoch bringt Muckl hin und wieder einen hervorgekeuchten Fluch unter, der sich wahlweise auf Herrn D., Matze, abgelatschte Chucks oder die Nachteile der Kessellage bezieht.

Matze gibt den Stechschrittmacher, tobt vor uns her – und pfeift! Ob er das als Erniedrigung einsetzt? Ich will es nicht hoffen. Und nicht nur, dass er überhaupt pfeift: Ganz entfernt hört sich das für mich, der ich mich damit absolut nicht auskenne, auch noch wie irgendwas Klassisches an. Der spinnt, also echt!

Wie mir nun aber unter derart widrigen Umständen wieder jene inzwischen doch Wochen entfernten Worte der großen Prophetin durch den Geist wandern können, das begreife ich wirklich nicht. Wahrscheinlich, weil auch wir gerade wandern.

„Auf dich kann man sich einfach nicht verlassen!“, hatte Katrin gesagt. Und: „Wehr du dich ruhig weiter dagegen, erwachsen zu werden!“

Was machen die in meinem Kopf, diese Sätze wie in Stein gemeißelt? Oder eben wie in meinen Kopf gemeißelt? Als wenn das mein Problem wäre, dass sie damit nicht klargekommen ist. Zuverlässig und erwachsen. Aha. Hört sich an wie: Er war stets bemüht.

Man muss ja auch sehen: Als sie mich kennenlernte, fand sie es ach so supertoll, dass man mit mir noch um die Häuser ziehen könne, ich sei ja auch so ein lustiger Kindskopf und würde sie ja so zum Lachen bringen, und außerdem könne ich das (ja, genau das) so besonders gut mit den Frauen. Also mit ihr.

Na, nun aber bitte: Wo ist er denn, der zuverlässige Kindskopf, der ganz erwachsen um die Häuser zieht und seine Erfahrungswerte sammelt, indem er die Damen links liegen lässt? Wobei ich gerne auf der rechten Seite schlafe, insofern passt das.

Nein, im Ernst: Mit Mister Lover Lover in die Federn hüpfen, aber neben Herrn Reihenhaus aufwachen wollen? Das ist einfach nicht realistisch. Und überhaupt: Das alles ist nicht mein Problem.

Außerdem haben wir gerade eine LPG-große Bärlauchplantage passiert, verlassen nun den Wald und treten in strahlenden Sonnenschein! Und wenn auch nicht ganz auf Gipfels Höh, so doch immerhin ein Stück weit höher als vorher, als es losging. Darf man schon stolz sein auf die eigene Leistung. Da werde ich den Teufel tun und mich stattdessen mit irgendeiner nebensächlichen Verflossenen befassen? Nix gibt’s!

„Aha“, sagt Muckl, wischt Schweißperlen von seiner Stirn, zündet sich eine Zigarette an und schaut sich um. Asphaltierte Wege, Wohnbebauung – er fühlt sich schon wieder etwas wohler mit seinen Chucks, nachdem der nachtregenvermatschte Wald hinter uns liegt.

„Das war anstrengend“, fügt er dann zwischen zwei sehr genussvollen Zügen hinzu.

Was natürlich erneut unseren Drill Instructor auf den Plan ruft:

„Dir ist aber schon klar, dass das nicht nur mit diesen Lumpen an deinen Füßen, sondern auch mit deinem dämlichen Gequalme zusammenhängt? Was würdest du denn machen, wenn wir auf der Alb wandern gingen? Oder gar in den Alpen?“

„Nicht mitgehen würde ich“, verkündet Muckl, mittlerweile wieder ganz im Reinen mit sich, der Welt und seinem Schuhwerk.

„Ich würde mich in ein nettes Café setzen, Cappuccino trinken, ein bisschen vor mich hin rauchen, was halbwegs Schlaues lesen und warten, bis ihr Freaks zurückgehumpelt kommt.“

Matzes Blick spricht Bände, aber er schweigt. Ich jedoch schweige nicht, denn auch ich bin wieder bei Atem und obendrein sehr gut gelaunt, nachdem ich das Katrin-Thema derart gründlich durchleuchtet und analysiert habe:

„Matze, das müssen wir einfach akzeptieren. Auch wenn er sich wie ein Weichei gibt: Wie wir gesehen haben, ist er trotzdem ein Frauenheld. Also gibt er sich vermutlich nur wie ein Weichei.“

Matzes wiederum beredter Blick trifft nun mich. Diesmal sagt er aber auch was:

„Bestechende Logik. Können wir dann weiter?“

Eine rhetorische Frage selbstverständlich. Ich spare mir das Antworten, Muckl tritt die Zigarette aus, Matze verfällt in seinen Radetzky-Marsch, und wir tapern wieder hinter ihm her.

Diesmal aber hat er eine echte Überraschung für uns vorbereitet. Wir laufen nämlich nur ein paar Minuten durch das Wohngebiet, das ich irgendwo unterhalb der Oberen Weinsteige verorten würde, und in dem ich, nebenher bemerkt, auch gar nicht ungern wohnen würde. Ich sage nur: Halbhöhenlage! Dafür kann ich mich bekanntermaßen durchaus erwärmen. Nur mein Konto nicht, ganz im Gegenteil. Das fängt beim Gedanken an hiesige Mieten so zu frösteln an, dass es sich verstohlen nach einer Winterschlafhöhle umsieht. Nach einer in Halbhöhlenlage, selbstverständlich.

Na gut, es muss ja auch nicht sein.

Jedenfalls kommen wir nach kurzer Zeit auf ein Sträßchen namens Schimmelhüttenweg – nie gehört bisher, bezieht sich bestimmt nicht auf die Häuser weiter oben – und dann passiert es: Wir stehen mitten in der Toskana!

Okay, ich habe nicht gerade das Regal voll mit Bildbänden und Reiseführern über besagte Region, aber das Panorama, welches sich nun vor unseren Augen ausbreitet, muss einfach ein Toskanapanorama sein. Denn die Landschaft vor unserer Nase hat exakt jenes Flair, welches ich mir für Mittelitalien schon immer vorgestellt habe (wenn ich es mir denn jemals vorgestellt habe), und schöner als hier kann es da auch nicht sein. Maximal etwas weitläufiger. In jedem Fall: der Knüller, das vor uns!

Als Benztown-Fan habe ich mich schon geoutet, und hier ist wieder ein Spitzenargument, warum das eine uneingeschränkt vertretbare Position ist. Grün und Abergrün, Bewaldung, Hänge, Weinberge, Reben, Mäuerle, Blick und Aussicht mehr als genug, auf jeden Fall über halb Stuttgart-Süd – alles da! Man kommt sich wirklich vor wie im Urlaub. Das gibt ein superfettes Special in meinem Stuttgartführer.

„So, Herrschaften, da wollte ich hin mit euch. Ich schlage vor, wir setzen uns jetzt einfach auf eine dieser Weinbergmauern Modell Degerlocher Scharrenberg, und dann prost!“

Haben wir heimlich über Matze geschimpft? Haben wir ihm Übles unterstellt? Schande über uns! Drill Instructor? Der Mann muss vom Amt für Rehabilitierung des schwabenmetropolischen Rufes geschickt worden sein. Oder von der Behörde für Besonderen Genuss!

Ruckzuck erklimmen wir ein weinrebenhangstützendes Mäuerchen, machen es uns darauf gemütlich und greifen in unsere Rucksäcke. Wobei, Rucksäcke – auch hier sieht man wieder, dass dasselbe Wort sehr unterschiedliche Dinge beschreiben kann. Fast könnte man von einem Teekesselchen sprechen.

Muckls „Rucksack“ zum Beispiel ist nichts anderes als ein Union-Berlin-Fan-Turnschuhbeutel, den er sich einfach über die Schulter geworfen hat.

Ich habe meine Ambitionen nicht weiter ausgedehnt als bis zu einem günstigen Produkt der Marke Trendy-Chic-Modern (TCM), das beim Gedanken an rauere Einsätze schnell Angst bekommen dürfte.

Matze hingegen verwendet, ganz im Sinne der Corporate Identity seiner heutigen Gewandung, ein auf dem Rücken zu tragendes Transportbehältnis, in dem man ohne Weiteres auch eine Stinger-Rakete vermuten könnte.

Doch nicht auf die Form, auf den Inhalt kommt es an. Hier zumindest. Nachdem wir die Schätze unserer Rucksäcke zutage befördert und auf dem Mäuerchen drapiert haben, bestaunen wir diese zunächst ausgiebig. Denn vor beziehungsweise zwischen uns und zum Verzehr bereit befinden sich gewaltige Laugenbrezelmengen (Matze, Muckl und ich), eine ziemlich große (Matze) und eine ziemlich kleine (Muckl) Thermoskanne mit schwarzem Kaffee, zwei Sixpacks (Matze und ich) und: eine Flasche Trollinger (ich). In der Tat.

Für kurze Zeit herrscht Schweigen. Dann sagt Matze:

„Erstaunlich.“

„Immerhin haben, statistisch gesehen, Single-Haushalte in Baden-Württemberg den höchsten Weinverbrauch! Zehn Viertele im Monat! Außerdem dachte ich, wir vespern erst gegen Mittag“, begründe ich meinen besonderen Beitrag.

„Ich jedenfalls habe jetzt Hunger!“, sagt Muckl.

Und das ist der Startschuss. Brezeln und Kaffee finden reißenden Absatz, irgendwie wird nebenher auch das eine oder andere Bier geöffnet … und ach, na ja, wenn ich sie schon dabeihabe, dann mache ich die Flasche mit der Schwaben Nationalgetränk natürlich auch auf. Ich kredenze in drei Plastikbechern und muss mich nicht sehr bemühen, um zwei davon loszuwerden.

Bald darauf hocken wir mit vollen Mägen und leicht befüllten Köpfen inmitten von Weinreben auf der Mauer in der Sonne und schweigen vor uns hin. Und was Gott in Frankreich will, das versteht keiner.

Und wie wir da so hocken, kommt eine geradezu besinnliche Stimmung auf, die direkt zu dieser ausnahmsweise mal nicht rhetorisch gemeinten Frage von Matze führt:

„Also, Muckl, du hast jetzt echt eine Freundin?“

Er kann es wohl immer noch nicht recht glauben. Muckl guckt etwas dümmlich, vermutlich hat ihn die Frage auf dem falschen Fuß erwischt.

„Wie? Ah, na ja, ich glaube, die Annika sieht das schon so.“

„Und wie siehst du das?“, hakt Matze nach.

„Ähm, weiß nicht? Auch so, denke ich. Ich schau halt mal, was das wird.“

Dieser Dialog muss sich setzen, daher schweigen wir wieder eine Runde. Dann schlägt Muckl zurück:

„Ja Matze, aber du hast tatsächlich gerade zwei Mädels gleichzeitig?“

Daraufhin Matze, mit dem Blick des siegreichen Feldherrn:

„Ja, habe ich.“

„Und was bringt das außer Stress?“

„Ach was, das ganze Leben ist Stress, egal. Und von einer Beziehung allein kriegst du eh nicht alles, was du willst!“

„Na, ich will gar nicht so viel“, erklärt Muckl.

„Na, ich schon!“, entgegnet Matze.

So, so. Und wieder Schweigen. Und Schweigen. Und Schweigen.

Dann platzt mir der Kragen:

„Genau, und ich habe immer noch keine neue Freundin und auch keine zwei!“

Und wieder Schweigen. Herrlich. Wie mit Herrn D. auf dem Birkenkopf.

„Jetzt fehlt eigentlich nur noch Herr D., zur Ergänzung“, sage ich. „Einmal keine Beziehung, einmal eventuell eine Beziehung, einmal zwei Beziehungen gleichzeitig, und dann eben noch unser Walter D. Fuchs mit der vierten Variante: verheiratet seit keine Ahnung.“

„Und welche davon ist die beste Variante?“, fragt Muckl.

„Na, ich schätze, das hängt davon ab, wo du hinwillst. Im Leben, meine ich. Was du damit anfangen willst“, antworte ich.

„Hast du heute früh einen Philosophen verspachtelt?“, stichelt Matze.

„Mann, jetzt nerv nicht. Das ist doch so, oder etwa nicht?“

„Ruhig, Brauner. Hast ja recht, so ist es“, sagt Matze. Oh, diese oberlehrerhafte Art, die der Typ manchmal hat!

„Aber … wenn man nun gar nicht unbedingt irgendwo hinwill im Leben? Oder es einfach nicht weiß?“

Guter Einwand von Muckl. Das Thema scheint ihn zu beschäftigen.

„Mit 40? Dann stimmt irgendwas nicht bei dir.“

Mal wieder ein typisches Matze-Statement. Knallhart, kompromisslos. Rambo-Psychologie.

„Na, vielen Dank, dann weiß ich ja nun Bescheid.“

Auch weniger sensible Gemüter als Muckl wären jetzt auf Matze sauer.

Ich zum Beispiel. Denn erstens bin ich ebenfalls 40, und zweitens hört sich dieses „Dann stimmt irgendwas nicht bei dir“ reichlich verdächtig an. Als ob es nämlich die logische Ergänzung wäre zu „Nicht erwachsen werden wollen“. Vollständig würde das dann heißen: „Was, du willst nicht erwachsen werden? Bei dir stimmt wohl was nicht!“

Was für eine Allianz: Katrin und Matze versammeln sich in meinem Kopf, um mein Selbstwertgefühl zu knechten? Das führt zu weit!

„Leute, Kaffee und Brezeln sind alle, Wein auch, und das Bier trinkt sich bestens beim Marschieren. Sollen wir wieder?“

Da die Stimmung in der Tat leicht kippelig wurde, stimmen Matze und Muckl meinem Vorschlag umgehend zu, wir sammeln unseren Kram zusammen, stopfen alles wieder in die Rucksäcke – oder in den Rucksackersatz – und ziehen weiter, die Biere in der Hand. Ein schönes Bild. Sehr sonntäglich.

Matze und Muckl verlagern ihren Disput nun auf das Thema Fußball: Was wäre bei einem Spiel von Union Berlin gegen den VfB Stuttgart als Ergebnis zu erwarten? Die beiden gehören eben zu den 69,7 Prozent fußballinteressierten Männern in Deutschland, da kann man nichts machen.

Mir aber geht Fußball jenseits von EM und WM nicht gerade zu Herzen, drum bleibe ich mit meinen Gedanken allein. Und meine Gedanken, die sitzen immer noch auf dem Mäuerchen, halten einen Plastikbecher mit Trollinger in der Hand, schauen den Hang runter und fragen sich, ob man mit 40 wirklich wissen muss, was man will.

Halbhöhlenlage

Подняться наверх