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Neue Perspektiven

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In der Versuchung Jesu führt auch der Teufel Jesus auf einen hohen Berg und „zeigt ihm in einem Augenblick alle Reiche der Erde“ (Lk 4,5). Ein physischer Berg wurde in jenem Moment zu einem Ort der Offenbarung, zum Gipfel, von dem aus die ganze Erde gesehen wird. Physikalisch ist das nicht möglich, aber geistlich schon.

Dies ist das Kennzeichen des Berges: Dort erhält man den Weitblick, den Überblick und den Einblick in die Welt, die sich vor einem ausbreitet. Diese Art der Offenbarung erlebten und bezeichneten Menschen aller Zeiten und Kulturen als eine „Erleuchtung“.

Wie die Anfechtung Jesu zeigt, bergen große Erleuchtungen jedoch auch ihre speziellen Risiken in sich. Wie das Gesehene interpretiert und welche Konsequenzen daraus gezogen werden, das ist die Frage. Es kann zu einer Versuchung werden und schon manche Menschen haben sich über andere erhoben und aufgrund hoher Offenbarungen eine Menge angemaßt. Wie selbstlos Jesus dieser Versuchung begegnete, sollte für uns alle das Vorbild sein!

Wir kennen das bekannte Beispiel von Mose (2 Mose 24), der auf den Berg Sinai stieg, auf welchen Gott im Feuer und in einer Wolke herniedergekommen war, um dort die Gesetzestafeln zu empfangen. Aber nicht nur das, er empfing auch eine Vision des himmlischen Heiligtums, entsprechend dem er hinterher die Stiftshütte unten im Tal bauen ließ (2 Mose 25,40; Hebr 8,5). Ein wichtiger Hinweis für uns, denn immer geht es darum, das Himmlische, das wir auf dem Berg schauen, hinunter ins Tal (in die Welt) zu bringen, um es dort zu realisieren. Eine Lebensaufgabe!

Wir haben von dem Propheten Elia gehört, wie er vor der eigenmächtigen Königin Isebel in die Wüste floh und an den Berg Gottes, den Horeb kam (1 Kön 19). Die Auseinandersetzung zuvor mit den Baalspriestern, wo das Feuer Gottes vom Himmel gefallen war, hatte ebenfalls auf einem berühmten Berg, dem Karmel, stattgefunden.

Elia war nach der Drohung Isebels, ihn umzubringen, in die Wüste geflohen, wollte nicht mehr leben, konnte nicht mehr weiter und fiel in eine handfeste Depression. Aber dann brachten ihm Engel Brot und Wasser – und in der Kraft dieser Speise vom Himmel ging er 40 Tage lang durch die Wüste bis zum Berg Gottes, dem Horeb. Dort befreite Gott ihn von dem Karmel-Erlebnis, denn Elia definierte sich und sein Leben bereits über diese Episode (1 Kön 19,10). Eine wichtige Berglektion!

Worüber wir uns definieren, das beherrscht unser Leben –das bestimmt uns. Gott löst uns auf seinem Berg von falschen Identifikationen und Identitäten. Er hilft uns loszulassen, bis wir wieder wir selber sind und er uns zeigen kann, was wirklich Sache ist. Dabei geht es nicht nur darum, Schlechtes und Traumatisches loszuwerden, sondern alles – auch das Gute.

Ich las einmal den Spruch: „Mancher will dafür, dass er einen Tag lang gut gewesen ist, sein ganzes Leben hindurch belobigt werden.“ Man kann an etwas Gutes ebenso gebunden sein wie an etwas Negatives. Jesu will aber, dass wir an IHN gebunden sind und nicht bei irgendetwas stehen bleiben und uns daran verlieren.

Die Versuchung, bei etwas Gutem und Großem, bei Erfolgen und Segnungen hängenzubleiben und uns damit zu identifizieren, kann ungleich größer sein als die Versuchung, an negativen Erfahrungen zu kleben, als wären sie unser Leben. Elia musste beides ablegen: sowohl den Sieg als auch die Niederlage.

Damit wir aus der Illusion in die Wirklichkeit gelangen, zieht Gott auch uns Christen heute, genau wie Elia damals, ab und zu aus dem Verkehr und lässt uns erkennen, wie depressiv und müde wir eigentlich geworden sind, wie fremdbestimmt und verloren an allerlei anderes als an Jesus. Und er gewährt uns eine Handvoll Manna und einen Schluck heiliges Wasser vom Himmel, damit wir den Weg durch die Wüste bis zu seinem heiligen Berg gehen können, wo er uns wieder zu uns selbst bringt – und zu sich selbst. Wo er uns abnehmen kann, was wir uns aufgeladen haben und was gar nicht unsere Aufgabe ist, es zu tragen. Wo er uns im Gegenzug wieder daran erinnern kann, was die eigentliche „Last“ ist, die uns mit uns selbst und unserer Bestimmung gegeben ist. Er wird uns zurück in die Wirklichkeit holen, zurück in die Wahrheit, zurück ins Leben. Er wird uns erneuern und daran erinnern, wozu er uns berufen hat, und dann den Weg wieder hinunter ins Tal zurück in die Welt schicken.

Meine Überzeugung ist: Wir brauchen heute wie damals dieses ganze Programm. Immer wieder. Dafür sind uns Geschichten wie die von Elia und Mose überliefert. Sonst verbeißen und verkämpfen wir uns an einer Stelle und bleiben beherrscht von einer einzelnen Situation – ob gut oder ob schlecht –, die uns nicht loslässt und anfängt zu bestimmen, wie wir denken und fühlen und wer wir meinen, dass wir sind. Schließlich bleiben wir erschöpft liegen und kommen aus der Wiederholungsschleife des Traumas nicht wieder heraus.

Der Berg Gottes hat therapeutische Dimensionen.

Auch von Jesus heißt es, dass er sich in die Berge und an einsame Orte zurückzog:

Da nun Jesus erkannte, dass sie kommen und ihn ergreifen wollten, um ihn zum König zu machen, zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein (Joh 6,15).

Jesus wartete nicht, bis der Dienst ihn mürbe machte und aufrieb, so wie Elia. Er ließ sich nicht von den Nöten nötigen oder den Umständen drängen, auch nicht von seinen Freunden oder Feinden lenken. Er ging von vornherein auf den Berg, wo er jenseits der Ansprüche des Dienstes und der Menschen an ihn mit Gott allein sein konnte.

Wenn wir nicht auch solche Rückzugsorte zum Gebet finden und freiwillig in die Einsamkeit gehen, werden wir meiner Meinung nach kein nachhaltiges geistliches Leben führen und keinen effektiven geistlichen Dienst tun können.

Initiation

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