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Bergpredigt und Verklärung

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Eine berühmte Predigt von Jesus nennen wir die Bergpredigt (Mt 5–7), die wohl zu den fundamentalsten und bekanntesten Texten der Weltliteratur zählt. Sie beginnt mit den Seligpreisungen, setzt mit einer revolutionär anderen Deutung der zehn Gebote fort, als die Tradition der Juden sie predigte bzw. auslegte (und die meisten Christen es heute immer noch tun), und endet mit dem berühmten Gleichnis vom Haus, das auf Felsen oder Sand gebaut ist. Am Ende der Bergpredigt heißt es:

Und es geschah, als Jesus seine Worte vollendet hatte, da erstaunten die Volksmengen über seine Lehre, denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie die Schriftgelehrten (Mt 7,23).

Der Anfang der Bergpredigt offenbarte den erstaunten Hörern, dass es nicht um Sünden und Beugung unter Gebote geht, sondern um Seligkeit. Dann stellt Jesus das Gesetz in einen Zusammenhang mit dem Herzen, denn es geht nicht um das korrekte, äußerliche Befolgen von Regeln um der Regel willen, sondern um unser Inneres, unser Sein. Sind wir richtig, dann handeln wir auch richtig. Sind wir nicht richtig, dann ist selbst das richtige Handeln verkehrt, nämlich heuchlerisch. Und richtig können wir nur sein, wenn wir mit dem Richtigen verbunden sind. Aus der Verbundenheit mit Gott heraus ist die Richtigkeit eine lebendige und keine gesetzliche Richtigkeit, die in Rechthaberei und Dogmatismus endet. Die Richtigkeit, die durchs Herz geht, beginnt nicht beim anderen, sondern bei einem selbst und will dem anderen so weit entgegenkommen, wie man wünschen würde, dass einem selbst auch entgegengekommen wird. Gott IST barmherzig. So ist es denn auch sein Gericht.

Die Volksmengen waren über diese „Herzens-Predigt“ überrascht. Auf einmal ging es nicht um „Richtig und Falsch“, sondern um ein Leben in Wahrheit und Freiheit. Die alte Botschaft der Gebote kam in einem völlig neuen Gewand daher und erschien darin so ganz anders, als sie es je gehört und verstanden hatten. Für die Pharisäer, die in ihrer Gesetzlichkeit eher Gefängniswärtern glichen als Wegweisern zur Freiheit, war das ganz unerhört.

Für jeden von uns muss der gesetzliche und gefängnisartige Rahmen, den die Religiosität gerne und schnell annimmt, von Zeit zu Zeit aufbrechen, denn das Reich Gottes ist lebendig und der Geist beweglich. Einseitige Auslegungen sind dafür untauglich und wir sind mit göttlichen Worten und deren Interpretation niemals fertig.

Der Geist wendet die Gebote sehr persönlich auf uns an und offenbart uns ihre eigentliche Absicht und Kraft. Tatsächlich halten nicht wir sie, sondern sie uns. In Wahrheit sind wir nicht dadurch gute Christen, dass wir die Gebote halten, sondern dadurch, dass die Worte Gottes uns verwandeln in sein Bild – in der Kraft des Heiligen Geistes.

Die Volksmengen wunderten sich über die Kraft des Heiligen Geistes (die Salbung) auf Jesu andersartiger Predigt bzw. seine Vollmacht. Seine Worte brachten die Kraft, sich auf sie einzulassen und von ihnen in richtige, Gott wohlgefällige Menschen verwandelt zu werden, gleich mit!

Eine höchst beeindruckende Erfahrung mit dem Berg Gottes machten drei seiner Jünger auf dem sogenannten Berg der Verklärung (Mt 17), dem „Tabor“. Eine sagenhafte Geschichte, in der unglaublich viele geistliche Prinzipien stecken.

Auf dem Berg offenbarte sich Jesus den drei Jüngern, die er beiseite genommen und mit denen er aufgestiegen war auf den Gipfel. Das Gesicht Jesu wurde dort oben leuchtend wie die Sonne und seine Kleidung durchscheinend, so hell war das Licht. Für die Jünger war es wahrhaftig ein dramatisches Erleuchtungserlebnis: Erst wurden sie sprachlos, dann ohnmächtig und schließlich „erwachten sie völlig“ und „sahen seine Herrlichkeit“ (Lk 9,32).

Damit nicht genug: Jesus erschienen „in der Herrlichkeit“ (hier wurden die natürlichen Gesetze aufgehoben, Raum und Zeit übersprungen bzw. beweglich) Mose und Elia, die mit ihm „seinen Ausgang, den er in Jerusalem nehmen sollte“, besprachen (Lk 9,31). Dadurch wurde den Jüngern gezeigt, dass Jesus Teil der Heiligen Geschichte war.

Schlussendlich überschattete auch noch die lichte Wolke Gottes, die Schechina1, die Israel durch das Meer und die Wüste begleitet hatte und aus der heraus Gott mit Mose von Angesicht zu Angesicht wie mit einem Freund gesprochen hatte (vgl. 2 Mose 33,9-11), den Bergesgipfel, und eine Stimme sprach: „Dies ist mein geliebter Sohn, den hört!“

Aus diesen wenigen Hinweisen sollte deutlich geworden sein, wie ausgesprochen initiatorisch diese Geschichte ist. Die Jünger wurden nicht belehrt und unterrichtet, sondern „sahen und erlebten“ die großen Zusammenhänge. Sie wurden davon zutiefst beeindruckt, ja physisch überwältigt und zu Boden geworfen. Es war eine ganzheitliche Erfahrung des Heiligen, welches sich ihnen in seiner Herrlichkeit zeigte. Nach diesem Gipfelerlebnis konnten sie nicht mehr die Gleichen sein wie vorher. Sie waren jetzt „Wissende“. Ihre Idee davon, wer Jesus ist und worum es wirklich geht, wurde in einer unaussprechlichen Art und Weise erweitert, ja gesprengt, sodass sie „schwiegen und niemandem davon erzählten“ (Lk 9,36). Wie auch? Die Jünger hatten etwas von dem erlebt, was T. S. Eliot folgendermaßen beschreibt:

An die jenseitige Wirklichkeit zu glauben, heißt nicht, zu erwarten, dass wir, nachdem wir hier auf Erden ein erfolgreiches, sinnvolles und halbwegs tugendhaftes Leben geführt haben, in einer anderen Welt aufwachen werden, die sozusagen der bestmögliche Ersatz (bzw. Fortsetzung) für diese Welt ist; oder dass wir, wenn wir hier ein entbehrungsreiches Dasein gefristet haben, in der künftigen Welt mit all dem entschädigt werden, was uns hier nicht zuteilwurde. Es ist vielmehr die tiefe Überzeugung, dass die jenseitige Wirklichkeit die eigentliche Realität ist – und zwar hier und heute.2

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