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Unio mystica
ОглавлениеWeiter oben wurde schon Offenbarung 21,10 zitiert, wo es heißt, dass der Apostel Johannes „im Geist auf einen großen und hohen Berg geführt wurde“. Von dort aus sah er die Heilige Stadt, das Neue Jerusalem, von Gott herabkommen auf die Erde. Es sind dies die letzten Dinge und die große Erfüllung der Heiligen Geschichte in der Bibel. Himmel und Erde werden vereint, Gott und Mensch werden eine gemeinsame Stadt bewohnen und die Zeit der Zertrennungen (Tod und Sünde) ist vorbei.
Und er (Gott) wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen (Offb 21,4).
Das Ende ist der Anfang. Aus den Trümmern der alten Welt der Sünde und des Todes wird die neue Stadt der Gemeinschaft des Lebens in Liebe geboren. Die Zeit der „unio mystica“3, der Hochzeit des Lammes (Jesus) und der Braut (der Gemeinde), ist gekommen und die Einladung geht hinaus:
Und der Geist und die Braut sprechen: „Komm!“ (Offb 22,17).
Jedes einzelne Element dieser „letzten Dinge“, die zugleich die Wiederherstellung der „ersten Dinge“ bedeuten, ist für die Gläubigen von größter Bedeutung, nur dass viele in keinerlei Beziehung dazu stehen. Sie wurden nur darüber informiert, aber nicht in es hineininitiiert. Eine wirkliche Taufe hinein in diese „Dinge“ hat nicht stattgefunden, eine Offenbarung der Stadt wurde nicht empfangen und die Erfahrung einer Berufung, zu kommen und dazuzugehören, nicht gemacht. Die Identifikation mit der Heiligen Geschichte und noch mehr, ein Träger ihrer Herrlichkeit und Zeuge ihrer Realität zu sein, wurde also nicht verwirklicht. So stehen die Gläubigen weiter draußen vor der Tür und führen ein Leben jenseits dieser Realitäten.
Im Gleichnis von dem „großen Hochzeitsmahl“ (vgl. Mt 22,1 f.; Lk 15,15 f.) wird die Tragik veranschaulicht, dass der König zur Hochzeit seines Sohnes ruft, denn „alles ist bereit“, aber ach, die Geladenen lassen sich entschuldigen: Einer hat geheiratet, der andere einen Acker gekauft, den er begutachten muss, noch ein weiterer hat dringende Erledigungen zu machen … Nachdem der König seine Einladung per Eilboten wiederholt, sich aber an der Reaktion seiner „Freunde“ nichts ändert, stellt er schließlich fest: „Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Geladenen sind nicht würdig … viele sind Berufene (gerufen worden), wenige aber Auserwählte (sind eingetreten).“ Eine Tragödie von schicksalhaftem Ausmaß!
Den Geladenen ist offensichtlich weder bewusst, wer sie da ruft, noch worum es geht. Andersherum könnte man formulieren, dass ihnen auch nicht bewusst ist, wer sie sind und welche Würdigung darin liegt, dass der König nach ihnen schickt.
Sie gehen komplett an ihrer Berufung vorbei und ärgern sich sogar über die Boten des Königs, die die Einladung wiederholt zu ihnen bringen, da sie dies als lästige Störung ihrer Alltagsgeschäfte empfinden. So realisieren sie ihre königliche Auserwählung also nicht, und der König schickt seine Boten erneut aus, um „würdigere“ Leute zu finden, damit der Hochzeitssaal voll wird. Was für eine aufrüttelnde Geschichte über das Reich der Himmel!
Gerade heute, wo das Geschäft scheinbar das Ein und Alles ist, dem sich selbstverständlich alles – inklusive Gott, Himmel und Hochzeit – nachzuordnen haben, können wir sehr leicht unsere „Würdigung“ übersehen und unsere Hochzeitseinladung verpassen. Wir haben einfach keine Zeit für so etwas. Das reicht leider bereits völlig aus, um unsere „Erwählung“ zu sabotieren und niemals zu erfahren, was es bedeutet, ein „Freund des Königs“ zu sein. Weder lernen wir das Schloss von innen kennen, noch sehen wir mit eigenen Augen die Herrlichkeit des Königs, noch sitzen wir an seinem Tisch und teilen seine Freude an der Hochzeit seines Sohnes. Wir identifizieren uns mit alledem nicht und fühlen uns auch nicht zugehörig. Im Gleichnis heißt es, dass der König zornig über seine „Freunde“ wurde. Das sollte uns zu denken geben!
Der nicht initiierte Mensch verliert sich ganz an die irdischen Angelegenheiten, die himmlischen sind ihm „ein Buch mit sieben Siegeln“ und „etwas für Religiöse“. So verkauft er seine göttliche Würde und Berufung – sein Erstgeburtsrecht – an sein nichtiges Geschäft, ganz so wie Esau einst sein gewaltiges Erbe für eine Linsensuppe verscherbelte, ohne freilich überhaupt zu merken, was er da tat. Er ist nicht aufgewacht, wie es von den Jüngern auf dem Berg der Verklärung heißt, dass sie „völlig aufwachten“, und ist blind für die größeren Zusammenhänge und die Herrlichkeit.