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Mit den Augen des Geistes

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Wir müssen also genau wie Johannes auf Patmos dringend und immer wieder neu erleben, dass unsere starren Bilder zerbrochen werden, indem wir den echten Jesus zu sehen bekommen, der immer ganz anders ist, als wir uns das zurechtlegen.

Johannes sah ihn „im Geist“. Das ist der Weg, auf dem auch wir ihn zu sehen bekommen, denn der Geist ist es, der uns Jesus offenbart. Dabei muss er die sich so schnell verfestigenden Ansichten, die wir uns über ihn bilden, unentwegt erneuern und uns eine kontinuierliche Beziehung zu dem echten Jesus ermöglichen, damit wir „flüssig“ bleiben. Dann wird unser Christsein authentisch, auferstanden und lebendig. Es bewegt sich. Es ist ein anhaltender Prozess, eine fortwährende Entwicklung und Entfaltung. Wir gehen von Herrlichkeit zu Herrlichkeit. Ein „Fertig“ gibt es nicht.

Unser Leben wird ein Spiegel für den wirklichen Jesus, der in keine religiöse Box passt und noch jeden Rahmen sprengt und jedes Bild stürzt, das wir uns von ihm machen. Unser Christsein wird zu einer Gemeinschaft mit Jesus, der so unberechenbar und lebendig ist, wie er es auch in den Evangelien war.

Nachdem Johannes Jesus gesehen und dessen Hand sich auf ihn gelegt hat, ist er in der Lage, sowohl die Gemeinden zu ermahnen, darauf zu hören, was der Geist ihnen zu sagen hat, als auch „höher hinauf“ zu kommen. Sein Aufstieg war noch nicht beendet!

Und siehe, eine Tür, geöffnet im Himmel, und eine Stimme sprach zu mir: „Komm hier herauf, und ich werde dir zeigen, was nach diesem geschehen muss“ (Offb 4,1).

Johannes sah im Himmel über sich eine geöffnete Tür und eine Stimme rief ihn, noch etwas höher hinaufzukommen, als er schon war. Denn immerhin war er ja bereits in einer ganz außergewöhnlichen Situation und Vision, in der er, wie gesagt, den auferstanden Jesus gesehen und von ihm persönlich die Sendschreiben an die sieben Gemeinden empfangen hat. Aber nun ging es darum, auch auf dieser Ebene nicht stehenzubleiben, sondern sie loszulassen, trotz all der brennenden Fragen, die Johannes bezüglich der Gemeinden wahrscheinlich noch hatte, und weiter aufzusteigen. Ein neues Kapitel wollte aufgeschlagen werden – und noch viele sollten folgen. Eine wichtige Lektion für uns!

Aufstiegserfahrungen haben es an sich, in wenigen Worten und Bildern eine große und umfassende Schau zu vermitteln. Es ist, als verdichte sich die Zeit und die Wahrheit würde sich wie eine Landkarte auffalten, und man erkennt mit einem Blick darauf die ganze Geschichte. Die Zusammenhänge der Welt und des Lebens sind darauf eingezeichnet wie Wege und Landschaften.

Manchmal erahnen wir flüchtig das Unendliche, dann erweitert sich unsere Sicht und altbewährte Muster werden umgekrempelt. Wenn wir das Einzelne verlassen, offenbart sich das Universelle … Der Kontakt mit dem Universellen zwingt uns nicht selten dazu, unser Selbstbild radikal zu revidieren …

Die Begegnung mit dem Universellen (dem größeren Ganzen) entlastet uns, denn sie hebt uns aus der widersprüchlichen, wackeligen Individualität in die verlässliche Sicherheit des transpersonalen Selbst (übergeordneten Seins). Sie stärkt uns. Sie konfrontiert uns mit etwas, das alle und alles angeht und deshalb eine gänzlich andere Kraft besitzt als unsere privaten, stets unberechenbaren Angelegenheiten.

Das Universelle hilft uns, klarer sehen, denn wir stellen uns auf einen Standpunkt, wo wir die verworrenen individuellen Ansichten gewissermaßen von oben betrachten können.

Und schließlich verleiht es dem Leben Sinn; denn solange wir das menschliche Leben losgelöst vom übrigen Universum betrachten, ist es sinnlos. Die Hölle ist eigentlich nichts anderes als diese tiefe, erschreckende Einsamkeit.5

Warum sollte Gott uns unser Leben und Schicksal, die Zeit und Welt, in der wir leben, auf eine solche Weise offenbaren? „Apokalypse“ heißt „Enthüllung“. Es geht dabei gar nicht in erster Linie um Untergang und Elend, sondern um eine Aufdeckung der Geschichte und Verortung unserer Position darin sowie unserer Beziehung dazu. Wir werden Teilhaber der göttlichen Sicht und Beurteilung dessen, was war, was ist und was kommt. Wir können auf diese Weise eine geradezu überirdische Orientierung gewinnen und unser ganzes Leben mit den Absichten des Himmels abgleichen und in Übereinstimmung bringen (synchronisieren). Ist das nicht eine unserer zentralen Lebensaufgaben?

Initiation

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