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2 Prolog

Es war einmal ein lauwarmer Abend. Frau Neumann saß an ihrem Tisch und blickte nach draußen. Durch das angelehnte Fenster drangen der Gesang der Amseln und der ferne Verkehrslärm. Die abendliche Sonne malte Muster auf den Laptop, der aufgeklappt vor ihr stand.

Eigentlich sollte sie die nächste Unterrichtsstunde „Natur und Technik“ für Ihre 7b vorbereiten. Aber irgendwie kam sie nicht voran.

Der Gedanke an die Jugendlichen, deren Stimmung zwischen Null-Bock-auf-Schule und diskussionsfreudigem Weltverbesserertum schwankte, lähmte ihre Kreativität und ihre Schaffenskraft.

Nur mal schnell die Nachrichten checken, dachte sie und öffnete flink einen neuen Tab im Browser. Gleich nach den Nachrichten aus dem Ausland stieß sie auf die Meldung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 29. April 2021:

„Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Regelungen des Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember 2019 (Klimaschutzgesetz <KSG>) über die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar sind, als hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen.“ (Bundesverfassungsgericht, 2021)

„Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind, heißt es in der Erklärung des obersten deutschen Gerichts vom 29.4.2021.“ (Bundesverfassungsgericht, 2021)

Oha, das waren ja interessante Neuigkeiten.

Gleich darunter war ein weiterer Artikel: Die Stimmen aus der Politik. Sie las weiter:

„Wirtschaftsminister Altmaier sieht noch die Möglichkeit zu Nachbesserungen bis zur Bundestagswahl. ‚Da gibt's eine schmale Chance, das noch zu ermöglichen‘, sagte er am Donnerstagabend im ZDF-‚heute journal‘. Er sei bereit, in der nächsten Woche auf die Parteien im Bundestag zuzugehen, gern auch mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD).

Umweltministerin Schulze erklärte sich in den ARD-‚Tagesthemen‘ bereit, ein Gesetz vorzulegen‘. Sie sei gespannt, ob die Union da mitgehe. Die SPD-Politikerin bezeichnete das Urteil als "Rückenwind für den Klimaschutz". Sie machte die Union verantwortlich, dass nicht weiter als bis 2030 geplant werden konnte.“ (Heise Verlag, 2021)

Offenbar waren die Parteien damit beschäftigt, sich für den kommenden Bundestagswahlkampf zu positionieren.

Ob dabei auch an die Jugendlichen gedacht wurde?

Auf diese wurde weiter unten in den Meldungen, bezogen auf das Urteil des Verfassungsgerichtes 1 BvR 2656/18, Bezug genommen:

„Die teils noch sehr jungen Beschwerdeführenden seien durch Regelungen in dem Gesetz in ihren Freiheitsrechten verletzt, erklärten die Richter. ‚Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030.‘ Wenn das CO2-Budget schon bis zum Jahr 2030 umfangreich verbraucht werde, verschärfe dies das Risiko ‚schwerwiegender Freiheitseinbußen‘, weil die Zeitspanne für technische und soziale Entwicklungen knapper werde.“ (Heise Verlag, 2021)

Sie konnte sich die Kommentare der Schüler schon wieder vorstellen: „Wir werden mit unseren Beiträgen ihre Rente zahlen. Und Sie? Ihre Generation zerstört unsere Zukunft.“

Sie war sich bewusst, dass das Thema „Umwelt- und Klimaschutz“ für viele Jugendliche einen hohen Stellenwert hatte. Das wusste Sie aus den bisherigen Diskussionen in der Klasse sowie aus der im April 2018 veröffentlichten Studie „Zukunft? Jugend fragen“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Darin steht:

„Was Umwelt- und Klimaschutz betrifft, besteht ein sehr hohes Problembewusstsein. Jugendliche und junge Erwachsene sind sich klar darüber, dass es um die Lebensgrundlagen und Zukunftsaussichten ihrer eigenen Generation geht. Über Einzelheiten und Zusammenhänge fühlen sie sich jedoch oft unzureichend informiert. Sie bedauern, dass Nachhaltigkeitsthemen in öffentlichen Bildungseinrichtungen nicht den Stellenwert haben, den sie ihrer Meinung nach haben sollten.“

Die der Studie zugrunde liegenden Daten wurden 2017 im Rahmen einer Repräsentativbefragung mit über 1.000 jungen Menschen zwischen 14 und 22 Jahren sowie einer qualitativen Online-Community erfasst. (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, 2018)

Sie wusste auch, dass sich einige Schüler aus ihrer Klasse, bei der Bewegung „Fridays for Future“ engagierten. „Fridays for Future“? Schnell glitten Ihre Finger über die Tastatur und riefen die entsprechende Webseite auf. Dort stand:

“FFF, is a global climate strike movement that started in August 2018, when 15-year-old Greta Thunberg began a school strike for climate. In the three weeks leading up to the Swedish election, she sat outside Swedish Parliament every school day, demanding urgent action on the climate crisis. She was tired of society’s unwillingness to see the climate crisis for what it is: a crisis.

To begin with, she was alone, but she was soon joined by others. On the 8th of September, Greta and her fellow school strikers decided to continue their strike until the Swedish policies provided a safe pathway well under 2° C, i.e. in line with the Paris agreement. They created the hashtag #FridaysForFuture, and encouraged other young people all over the world to join them. This marked the beginning of the global school strike for climate.

Their call for action sparked an international awakening, with students and activists uniting around the globe to protest outside their local parliaments and city halls. Along with other groups across the world, Fridays for Future is part of a hopeful new wave of change, inspiring millions of people to take action on the climate crisis, and we want you to become one of us!” (Fridays for Future, 2021)

Ausgerechnet einer ihrer Schüler, Henrik, hatte sich aktiv für die Teilnahme ihrer und der naheliegenden Schulen an der freitäglichen Demonstration während des Unterrichts engagiert.

Herr Müller, der Direktor war - als er davon erfuhr - in ihren Unterricht gestürmt und hatte mit Verweisen gedroht.

Die Klasse, die sich um Ihre Zukunft betrogen und ungerecht behandelt sah, hatte zuerst mit lautstarkem Protest und dann hauptsächlich mit Resignation reagiert. Schule war doof und keiner verstand sie.

Keiner verstand sie.

Bienen in der Bildung für nachhaltige Entwicklung

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