Читать книгу Hilfe, ich bin nicht prominent! - Frank Oder - Страница 13
Fernsehtiger I
ОглавлениеJeder Mann weiß sofort, was die Maße 98/66/98 cm bedeuten. Es handelt sich hier um die durchschnittlichen Attribute einer Sexbombe aus den 80er Jahren. Die Maßangabe Sony 3D 84 Zoll/HDD LED ist wieder für viele Hausfrauen kein schwer lösbares Rätsel. Sie wissen auch hier genau, es handelt sich nicht um eine Universal Küchenmaschine, sondern um einen Fernseher der neuesten Generation.
Bei einem echten Küchenherd könnten aber die meisten direkt davorstehen und würden ihn trotzdem nicht erkennen. Eigentlich ziemlich unverständlich, denn sosehr unterscheiden sich die beiden Geräte gar nicht. Wer seiner Bratröhre beim Herstellen von Popcorns zuschaut, der sieht oft mehr Action als es Markus Lanz mit seiner Sendung „Wetten Dass“ neuerdings bieten kann. Ja, und trotzdem sitzen die meisten von uns in ihrer Freizeit vor dem Fernseher, egal was gerade gesendet wird. Das Motto heißt, wir zahlen (bei manchen auch nur, wir sollten zahlen), also schauen wir auch.
Ein Kaninchen entkommt der Schlange tausendmal leichter, als wir dem Fernseher. Sie können in einer Familie mit sieben Kindern, die vor dem Bildschirm sitzt, jede Stunde ein Kind verschleppen, es wird erst auffallen, wenn Sie das Kind mit der Fernbedienung erwischen. Aber meistens sind die Geschmäcker der verschiedenen Generationen so different, dass es beim Streit von welcher Sendung man sich langweilen lässt, oft zu Mord und Totschlag kommt.
Die moderne Familie von heute hat deshalb nicht einen, sondern „für jeden einen“ Fernseher angeschafft. So lässt sich ein Krieg zwischen den Großeltern (Generation Ohnesorg-Theater), den Eltern (Helene-Fischer-Show) und den Kids (Hannah Montana, Mörder-essen-keine-Möhren) am besten vermeiden.
Es gibt seit der Erfindung der Politikerrede kein besseres Mittel, um das Volk in die Verblödung zu treiben. So mancher Dödel hockt den ganzen Tag vor der Glotze, lässt sich dabei von einer Kiste Bier und einigen Packungen Kartoffelchips inspirieren und wundert sich, dass er zugenommen hat, obwohl er 8 Stunden lange ununterbrochen nur Sport gesehen hat. Aber wie will einer, der sich regelmäßig Sendungen wie „Sturm der Liebe“ oder „Messer, Gabel, Herz“ hineinzieht, verhindern, dass sich sein Intelligenzquotient nicht endgültig in die Gehirnunterversorgung verabschiedet. Manche Hausfrauen sind durch die vielen Kochsendungen schon so verwirrt, das sie jedes Mal nach Ende so einer Sendung hinter den Fernseher gucken, ob der Koch nicht doch etwas vom Tagesgericht übrig gelassen hat.
Auch mein Freund Herbert, der ja eigentlich auf der oberen Stufe des Intellekts angesiedelt ist, lässt sich regelmäßig von seinem Fernseher vergewaltigen. Sein Wohnzimmer (4,0 x 3,5 Meter), sein Fernseher, Flachbild HDD, Stereo, 3D, mit einer Bildschirmgröße von 214 cm in der Diagonale. Er hat seinen Flachbildschirm deshalb so angebracht, dass er vom Zimmer gegenüber durch die offene Wohnzimmertür fernsehen kann. Dazu hat er das einzige Wohnzimmerfenster zugemauert, die Tür des Wohnzimmers von 90 cm auf 1,80 m verbreitert und seine Fernbedienung mit einer Autobatterie etwas aufgemotzt. Seine Nachbarn sind nicht gerade begeistert darüber, denn sie dürfen jetzt immer das gleiche Programm wie er schauen. Da hat er bei der Frequenzverstärkung doch ein klein wenig übertrieben. Aber er als Technikfreak ist total selig mit seinem neuen Fernseher. Aus einer Entfernung von nun gut achteinhalb Metern wirkt das Bild so echt, dass Herbert bei einer Fußballübertragung regelmäßig aufsteht, um den Ball zu holen, wenn dieser ins Out geht.
Aber am liebsten sieht Herbert Tiersendungen, ich meine jetzt nicht die Sendung mit der Maus, obwohl das eine der wenigen Sendungen, die ein bisschen Niveau hat, ist. Doch auch ansonsten ist Herbert sehr kritisch bei der Auswahl seiner Sendungen. Er schaut immer nur das, was gerade gesendet wird.
Sogar der Vatikan hat schon geschnallt, dass man an die Menschen mittels Bibel TV leichter herankommt, als den mühsamen Gang über den Gottesdienst. Fernsehen und Kirche haben doch einiges gemeinsam. Auch die Kirche verwöhnt uns genauso wie das Fernsehen schon seit 2.000 Jahren mit ununterbrochenen Wiederholungen, verspricht uns viel und kassiert dafür noch viel mehr. Eine Predigt auf Kanal „Vatikan“ ist für viele ein mindestens genauso gutes Schlafmittel wie eine Übertragung einer Belangsendung irgendeiner politischen Partei. Und das ist nicht nur in Österreich so, das weiß ich. Aber die Kirche geht halt mit der Technik, und wer will ihr das verwehren. Und die heutigen Prediger im Fernsehen leben auch wesentlich ungefährlicher als die damaligen Missionare, die den Glauben noch Mann gegen Mann verbreiten mussten. Einzig und allein die Zeugen Jehovas gehen noch den konventionellen Weg über die Sonntagstürschnalle, um sich eine Abfuhr zu holen.
Eigentlich ist es aber beim Fernsehen genauso wie beim Handy. Es gibt auch ein Leben ohne diese segensreichen Geräte. Ein Buch lesen, Familienspiele, sich der Erzeugung des Nachwuchses zu widmen, hier nur ein paar Alternativen.
In meiner Jugendzeit gab es nur ein Programm, das nur von 18 Uhr abends bis Mitternacht gesendet wurde, und wir haben trotzdem überlebt. Das Bild war noch schwarzweiß, der Fernsehapparat ein Röhrengerät mit 5 Minuten Vorlaufzeit bis das Bild kam. Es gab noch keine Sendungen, wo die Menschen ihr hingekotztes Leben vor der ganzen Nation ausbreiteten, die Akteure damals konnten sich noch ein ordentliches Gewand leisten und mussten nicht so wie heute halbnackt oder gar nackt vor der Kamera posieren. Sogar die Österreichische Nationalelf hat zu dieser Zeit noch ab und zu ein Ländermatch gewonnen.
Unser erster Fernseher war von „Ingelen“, ein verlässliches Gerät. Das System funktionierte noch „analog“. Heute ist es digital, aber gelogen wird noch mehr wie vorher, besonders was die Bildqualität angeht. Es genügt schon, dass in Chile der Blitz in einen Strommast einschlägt, um ein Bild wie vor der Erfindung der Antenne auf den Fernseher zu zaubern. Es soll gewieften Indianern schon des Öfteren gelungen sein, mittels Rauchzeichen ein schöneres Bild auf das Firmament zu projektieren. Andererseits, wenn Quasselstrippen wie Oliver Pocher und Mario Barth sich gegenseitig ihre Weisheiten an den Kopf schmeißen, ist so eine Bildstörung eigentlich noch das einzig Erträgliche an der gerade laufenden Sendung.
Liebe Leser, dieses Kapitel, ist mir leider nicht viel lustiger wie das derzeitige Fernsehprogramm gelungen. Wenn Sie sich also heute noch halb totlachen wollen, ich mache es immer so: Ich gehe ins Bad, ziehe mich nackt aus und stelle mich vor den Spiegel.