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Der Werkzeugplaner

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Ich kenne einen Mann, welcher mehr Werkzeug sein Eigen nennt als zwei kleine Baumärkte zusammen besitzen. Alle Werkzeuge und Werkzeugmaschinen in zweifacher bis zehnfacher Ausfertigung. Und er besitzt von der einfachen Bohrmaschine bis computergesteuerten Drehbank alles. Seine bastelmäßige Jahresleistung beschränkt sich allerdings nur auf das Herstellen eines einfachen Vogelhäuschens, und wenn es hochkommt, wechselt er an seinem Gartenzaun auch noch ein paar morsche Latten aus.

Wer das weiß, dem kommt der Umfang seines Werkzeugparks doch ein bisschen zu übertrieben vor, und das sicher gar nicht zu Unrecht.

Heinz, ein äußerst korrekter Exbeamter, bindet sich sogar für das Zubinden seiner Schuhe eine Schürze um. Die hat er natürlich auch in zehnfacher Ausfertigung. Bei ihm geben sich die Werkzeugvertreter gegenseitig die Klinke in die Hand, so gefragt ist er.

In seinen Träumen baut er die tollsten Dinge, in der rauen Wirklichkeit reicht es gerade einmal für einen Kurzschluss, weil er wieder einmal selber mit der kleinen Trennscheibe das dazu gehörige Kabel durchgeschnitten hat. Er und sein überreichlich vorhandenes Werkzeug leben also in einer sehr unglücklichen Beziehung. Er kann mit dem Maschinenpark genauso viel anfangen wie ein Taubstummer mit einer Stereoanlage.

Sehen Sie, exakt für solche Leute wie Heinz habe ich den „Werkzeugplaner“ erfunden. Natürlich muss man für eine seriöse Planung vorher ein Profil des Hobbybastlers erstellen.

Ich habe also einen umfangreichen Fragenkatalog ausgearbeitet. Hier die wichtigsten Auszüge davon: Wie viele linke Hände haben Sie, welche schweren Verletzungen haben Sie sich bisher beim Basteln zugezogen, ist durch Ihre Bastelei schon einmal eine fremde Person zu Schaden gekommen, planen Sie einen terroristischen Anschlag? Auch vor hochnotpeinlichen Fragen wie: sind Sie vorbestraft, leiden Sie an einer Kaltleimallergie, ist „Obi“ ein Getränk- oder ein Baumarkt, wurden Sie wegen Ihrer Bastelsucht schon einmal von Ihrer Frau auf einem Autobahnparkplatz ausgesetzt, schlagen Sie Ihren Hund, begehren Sie Ihre hübsche Nachbarin, kann ich meine Klienten nicht verschonen.

Sie sehen, ich nehme meinen Job genau. Es folgen die wichtigsten Fragen: Wie viel Geld wollen Sie für Ihre Werkzeugsammlung ausgeben und welche Referenzobjekte können Sie schon vorzeigen, kennen Sie die Nummer des nächsten Notarztes? Auch das kann ich meinen Klienten nicht ersparen. Nach dem Nachweis einer Tetanusimpfung und dem Vorzeigen eines tadellosen Führungszeugnisses seiner Person, ist die Personenkontrolle von meiner Seite her abgeschlossen. Der zukünftige Baumarktbeglücker wird schnell kurz vereidigt und muss noch die Richtigkeit seiner Aussagen unterzeichnen. Natürlich wieder in zehnfacher Ausfertigung.

Wenn das alles erledigt ist, wird alles geradezu akribische ausgewertet: Wer von möglichen 100 Punkten nur 10 bis 15 Punkte erreicht, für den reicht ein einfaches Schweizer Taschenmesser locker aus, das ist für ihn (und auch für uns) schon gefährlich genug. Ab 25 Punkten gibt es dann schon einen kompletten Schraubenzieher- und Schraubenschlüsselsatz und sogar eine handbetriebene Bohrmaschine. Auch einfache Laubsägearbeiten (die jedes Schulkind zu Tode langweilen würden), dürfen schon probiert werden. Ab 45 Punkten darf jeder sich so Hochqualifizierte eine Heckenschere kaufen, muss dafür aber eine Probearbeit abliefern, um eine letztgültige Berechtigung zu erstehen. Dafür stelle ich, gutmütig wie ich bin, immer meine eigene Hecke völlig kostenlos zur Verfügung.

So geht es sukzessiv hoch bis zu einer erreichten Quote von mindestens 90 Punkten. Ab dieser Punktezahl darf jeder Bewerber, vorausgesetzt er kann es sich leisten, alles kaufen, was ihm in den Sinn kommt.

Bei solchen Einkaufsfahrten bin ich natürlich selber dabei und berate vor Ort. Ich traue zwar einem Verkäufer alles Mögliche zu, aber nicht mehr Kompetenz als ich sie haben sollte. Außerdem, aber das bleibt jetzt unter uns, bekomme ich meistens eine saftige Provision. Natürlich wird es dann immer nur eine Bohrmaschine, aber es soll ja auch andere Bastler (Heinz z. B.) geben, die 14 Bohrmaschinen ihr Eigen nennen. Sobald der Kauf abgeschlossen ist, muss nur noch ein genügend großer Kleinlaster gefunden werden, und schon geht es ab nach Hause in den Hobbykeller. Selbstverständlich habe ich darauf geachtet, dass mein Klient neben dem Werkzeug auch die nötigen Arbeitstische, Lochwände, Bohrständer, etc. nicht vergessen hat.

Bei meiner ersten Beratungsfahrt ging dann doch einiges schief. Bei ihm zuhause angekommen, wartet auch schon das erste Problem. Ich hatte auf dem Fragebogen doch leider eine nicht unwichtige Frage vergessen, nämlich, besitzen Sie einen Hobbyraum oder wohin sonst mit dem ganzen Werkzeug. In welchem Raum sollen die zukünftigen Verstümmelungen bzw. das Herstellen der kommenden Bausünden stattfinden. Mein erster Klient hatte leider keinen. Es eröffneten sich also mehrere Möglichkeiten. Die erste, der Idealfall, er besitzt tatsächlich einen eigenen Hobbykeller, fiel schon mal aus. Macht nichts, sagte ich zu ihm, jetzt kommt Möglichkeit zwei in Betracht. Deine Frau gibt das Bügelzimmer auf und bügelt ab sofort nur noch am Balkon. Das geht mit einer entsprechend warmen Daunenjacke auch im Winter ganz gut. Weil aber seine Frau plötzlich mit der Flutung des Bügelzimmers drohte und von Haus aus stärker ist als ihr Mann, kam nur noch Variante Drei in Frage. Ich riet ihm, stelle statt dem Bügelbrett und Wäschekorb den Schlafzimmerschrank auf den Balkon und bastele für deine Liebe und dich selbst ein Doppelstockbett. Dann noch eine Zwischenwand eingezogen, die Frisierkommode samt Spiegel auf den Flur rausgeschoben und schon habt ihr nicht nur eine Schlafkoje, nein, auch einen Hobbyraum. Auch wenn ab jetzt, wegen der übereinander angebrachten Betten, eure zwischenmenschlichen Beziehungen auf der Waschmaschine wahrgenommen werden müssen, das Vibrieren dieser, bei eingeschaltetem Modus, gibt euch vielleicht sogar den zusätzlichen Kick, auf den ihr schon immer gewartet habt. Toll, was?

Zur Not könnt ihr euch noch ab und zu ein Hotelzimmer nehmen, wenn die Kinder zu neugierig werden.

Leider hat seine Frau das Ganze aber doch nicht so gut gefunden und ließ ziemlich deutlich anklingen, sie werde ihrerseits den Scheidungsplaner zu Rate ziehen und drohte ihm gleichzeitig damit, die Kinder und den Kanarienvogel mitzunehmen. Ich blieb cool, sagte nur, ertrage es mit Humor, endlich hast du wirklich genug Platz.

Mein Klient hat sich trotzdem anders entschieden. Der Laster wurde gar nicht abgeladen, sondern das Ganze (inklusive Bohrmaschine Nr. 15) in den Baumarkt zurückgebracht. Ich gab auf.

Das Ergebnis meiner Geschäftsidee: Ich besitze nach wie vor nur vierzehn Bohrmaschinen, einen Klienten weniger, dafür einen Feind mehr. Ich glaube, ich muss den Fragenkatalog noch einmal gründlich überarbeiten.

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