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Fischer, Angler und andere Aufschneider
ОглавлениеAngler und Werbetexter haben eine Gemeinsamkeit. Was sie erzählen hat meistens mit der Wahrheit so wenig am Hut, wie ein Veganer und ein Schweinebraten. Angeln ist neben der Jagd, das einzige Hobby wo man die meiste Zeit Latein spricht. Latein sprechen wiederum, ist bei diesen beiden Hobbys nur der Versuch die ausgesprochenen Lügen irgendwie unauffällig zu verstecken.
Es gibt Flussangler, Teichangler und Hochseeangler etc., und noch eine gar nicht zu unterschätzende Anzahl von „Fischgeschäfteanglern“. Die sagen zur Verkäuferin: Schmeißen sie mir doch mal den Barsch rüber. So können sie zu Hause der Frau in die Augen schauen und stolz sagen, den habe ich „selbst“ gefangen. Ein Angler braucht darum neben einer guten Kondition, viel Fantasie und auch noch überlange Arme zur Demonstration ihrer Beute.
Mir hat einmal ein passionierter Angler (mein Freund Herbert) verraten, Angler lügen gar nicht, sie zeigen lediglich die Größe ihres Fanges immer im Maßstab 3 : 1 an. Herbert ist ein begeisterter Hobbyfischer. Er steckt unheimlich viel Geld in sein Hobby, setzt jedes Jahr unzählige Fische in seinem Teich ein, fängt aber fast nie einen. Ich habe ihm schon geraten den Teich sein zu lassen, die Angeln samt Zubehör zu verbrennen und dem Fischotter und den diebischen Kormoranen beim Verhungern zuzuschauen. Mit dem ersparten Geld könnte er sich dann jedes Jahr eine Menü-Jahreskarte im besten Fischrestaurant der Welt leisten.
Aber Herbert will weiterhin seinen Wurm Gassi führen, und er findet fischen ohne Fische erstens tierlieb und zweitens, jetzt lachen sie bitte nicht: „Romantisch“.
Ganz anders sind da die echten Fischer. Fischer, das sind Berufsangler die der Anglerromantik schon lange Adé gesagt haben. Sie müssen hart im Nehmen sein, bei jedem Wind und Wetter rausfahren, wo andere nicht mal ihren Hund vor die Tür lassen. Und das oft wochenlang. Der einzige kleine Vorteil dabei ist, sie brauchen sich in dieser Zeit nicht mit Fernsehsendungen wie „Bauer sucht Frau“, oder gar der „Lindenstraße“ herumärgern. Da nimmt man so kleine Widrigkeiten wie Windstärke 12 oder 10 Grad minus gerne in Kauf.
Eine sehr heikle Angelegenheit ist die Frage des Beifanges. Auf Grund der Überfischung gibt es immer weniger Fische, deshalb setzen die Fischer dann Grundnetze ein, die aber wieder alles einsammeln, was dort unten kreucht und fleucht.
Die meisten kleinen Fische, der Beifang also, werden zwar wieder ins Meer zurückgeworfen, überleben diesen Vorgang aber nicht immer. Sie fischen sich deshalb, sozusagen den nächsten Fang, schon vorher selbst vor der Nase weg.
Während die Fischer mit solchen Grundnetzen dadurch am Meeresgrund und am Fischbestand gleichzeitig großen Schaden anrichten, richten die Hobbyfischer ihren Schaden meist an Land an. Wer nach einem mittleren Preisfischen an irgendeinem See schon einmal danach rund um diesen gegangen ist, weiß was ich meine. Nach dem Hamburger Hafengeburtstag schaut es auf den Landungsbrücken auch nicht versauter aus, wie jetzt rund um diesen See. Ich habe sogar schon ein Damenhöschen gefunden, es gibt also nicht nur Petrijünger, die einen Wurm suchen.
Ein routinierter Fisch, der schon länger im See schwimmt, fällt natürlich nicht mehr auf die billigen Tricks der meisten Angler herein. Die Gefahr, dass er sich ob der Ungeschicklichkeit der Häscher mit dem Kescher zu Tode lacht, ist viel größer als in einer Bratpfanne zu landen. Dabei sind die meisten Hobbyangler besser ausgerüstet wie ein Vollprofi: Zig verschiedene Angelruten, Koffer voll mit Fliegen, Würmern und anderen Ködern. Grill, Grillkohle und Grillwurst, nur für den unmöglichen Fall, dass keiner anbeißt (also, für jedes Mal). Ein Zelt, Campingliege, Rutenhalter, Kondome, falls ihr Wurm doch wen an den Haken kriegt, und das Wichtigste, Bier in rauen Mengen zur Frustbekämpfung. Die Bierhändler der Umgebung sind nach so einem Event immer ausverkauft.
Viele Angler nutzen die Chance, ihre Enttäuschung über die mangelnde Ausbeute zu verdreifachen, indem sie gleichzeitig mehrere Angeln benutzen.
Noch eine gute Möglichkeit sich beim Angeln bis auf die Knochen zu blamieren, ist sich dafür einen Standplatz auf der Galata-Brücke in Istanbul zu suchen. Dort kommen an schwach besuchten Tagen schon drei Angler auf einen Laufmeter Brücke. Links und rechts der Fahrbahnen. Wenn nicht ab und zu ein mitleidiger Matrose eines unter der Brücke durchfahrenden Schiffes einen Fisch an die Angeln hängen würde, wäre die Ausbeute gleich null. Aber vielleicht bestellen diese listigen Angler ihren Fisch auch in den darunterliegenden Geschäften der zweigeschossigen Brücke. Ich vermute ja eher, an den Angelschnüren hängt nur das Bier (nein, Tee, wir sind ja in der Türkei), das sie zum Kühlen im Wasser halten. Die meiste Zeit sind diese Petrijünger ohnehin damit beschäftigt, ihre verhedderten Angelschnüre irgendwie zu lösen.
Wenn Sie also unter der Brücke einen Menschen an einer Leine baumeln sehen, das ist kein Selbstmörder, nur ein Angler, der es nicht geschafft hat, sich aus dem Gewirr von Angelschnüren zu befreien.
Die Hauptbeschäftigung des Anglers besteht ja eindeutig im Warten. Man könnte jetzt meinen, jeder Angler müsste eigentlich ein kleiner Philosoph sein. Weit gefehlt. Kein Angler denkt in der Zeit übers Leben nach, sondern nur, welche Ausrede er diesmal wieder erfinden soll, um daheim den kümmerlichen Erfolg als positiv zu verkaufen.
Dass die Angelerfolge so oft ausbleiben, liegt an zwei Fischfangkollegen, welche meist auch noch viel geschickter als ihre Kameraden am Ende der Angelrute sind, nämlich dem Fischotter und dem Kormoran. Einer, der es nicht so gut mit den Angelmasochisten meint, hätte frei nach Wilhelm Busch gereimt:
Der Angler wirft den Köder aus
und denkt heut‘ endlich, bring‘ ich einen Fisch ins Haus
doch was im Teich er fängt, ist nur ein Schuh
und wie zum Hohn eine Konservendose noch dazu.
Er denkt scharf nach und kommt so drauf
am besten ist`s, ich gebe auf,
was nutzt mir Blinker, Angel, und Gebrabbel,
wenn nie ein Fisch an meiner Rute zappelt.
Der Otter braucht nie einen Blinker,
denn er ist früher dran und flinker,
der Angler Fangerfolg bleibt stets ein dünner,
schon Max und Moritz fischten deshalb lieber Hühner.
Aber auch der Kormoran macht seinen Job so gründlich, dass ein Fischer oft vorher fünf Fische ins Wasser schmeißen muss, damit wenigstens noch einer drinnen ist. Das Nachsetzen des Fischbestandes überlassen die beiden aber wieder ganz allein den Petri Jüngern. Sie beglücken derweilen ein anders Gewässer. Aber, und darauf kann sich jeder Fischteichbesitzer verlassen, sie kommen sicher wieder.
Deshalb weichen viele Angler vom Fischteich auf die hohe See aus. Dort sind die Fische ja auch viel größer. Um aber einen blauen Merlin zu fangen, heißt jetzt, die ohnehin schon aufwendige Ausrüstung nochmals um 100 Prozent aufzupeppen. Mein Freund Herbert hat sich um die Platzprobleme, verursacht durch die leicht übertriebene Anglerausrüstung, in Griff zu bekommen, jetzt einfach ein Lagerhaus so groß wie ein Flugzeughangar, gebaut. Seinem Baumeister und dem Stammgeschäft für seinen Angelbedarf war das gar nicht so unrecht. Da hat er ohne es zu wollen, zumindest vorläufig, wieder wen vor dem Konkurs gerettet.
Hat ein Angler aber so einen Fisch gefangen, so braucht er ihn nur noch an der Katze und dem Hund vorbei in den Kochtopf schmuggeln und kann damit wieder ein „Monat“ lang gut leben. Viele Petrijünger lassen ihren Fisch aber ausstopfen, das ist noch schlauer. So können sie mit ihm in der Stammkneipe „jahrelang“ angeben. Wer den Fisch wirklich verzehrt, gibt aber trotzdem in der Kneipe damit an und schon ist der Fisch wieder mindestens doppelt so groß wie in Wirklichkeit.
Es gibt aber noch schlimmere Zeitgenossen, nämlich die ausrangierten Fußballer. Ich habe, ungelogen, einen gekannt, der im Wirtshaus immer nur von seinem Traumtor aus 50 Metern Entfernung erzählt und das jeden Tag und auch jedes Mal denselben Stammtischbrüdern.
Da ist mir jeder Angler lieber. Denn ab und zu, wenn das Glück es will, lädt mich mein Freund Herbert sogar zum Fischessen ein.
Angeln beruhigt die Nerven, entlastet die Brieftasche optimal, man lernt viele neue Menschen und Biersorten kennen und das Beste daran: Es eignet sich auch hervorragend als Alibi, wenn man sich wieder einmal heimlich mit der Freundin treffen will. „Petri Heil!“