Читать книгу Drei Romane um Liebe und Geheimnis im August 2021: Mystic Thriller Großband 3 Romane 8/2021 - Frank Rehfeld - Страница 12
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ОглавлениеAus den Schatten der Tannen preschte ein Reiter hervor. Sein Ross hatte Schaum vor dem Maul, und in dem schwarzen Fell glitzerten Schweißperlen.
Der Reiter trug altertümliche Kleidung. Das Cape flatterte wie eine Fahne hinter ihm her und war zerrissen. Die elegante Reiterhose starrte vor Dreck. Der Mann trug einen Dreispitz mit einer weißen Feder auf dem Kopf. Darunter grinste ein bleicher Totenschädel. Auch die Hände, die die Zügel hielten, bestanden bloß aus Knochen.
Jeni schrie aus Leibeskräften und robbte über den Boden, bis ein Baumstamm sie stoppte.
Vladislaw angstvolles Brüllen war nicht weniger durchdringend; es hallte wie ein entsetzlicher Todesschrei durch den dunklen Wald.
Der gespenstische Reiter ließ sich von den beiden Menschen jedoch nicht beeindrucken. Im wilden Galopp preschte er heran, blickte gehetzt über seine Schulter und rief etwas.
Es kam jedoch nur jenes seltsame Gewisper zwischen seinen Kiefern hervor, das Jeni schon so oft in diesem Waldabschnitt vernommen hatte.
Da sprang ein zweites Pferd hinter dem Reiter aus dem Schatten. Es war eine schneeweiße Stute, und auf dem Sattel saß im Damensitz eine schlanke Gestalt in einem weißen Kleid.
Der Saum des Kleides war zerrissen und schlammbespritzt, der Hut war der Frau vom Kopf gerutscht und wippte an seinem Hutband hängend über ihren Rücken.
Der Anblick dieser Frau war fast noch grauenerregender als der des Mannes. Jeni blieb der Schrei im Hals stecken. Entsetzt starrte sie auf den Schädel der Reiterin. Er war von schwarzen, seidigem Haar umgeben; es peitschte der Frau über das skelettierte Antlitz, während sie dem Mann dicht folgte und mit ihrer wispernden Stimme angstvoll etwas rief.
Ein eisiger Hauch streifte Jeni, als die beiden Reiter an ihr vorbei preschten. Die Hufe der Pferde schienen den Waldboden dabei kaum zu berühren.
Vladislaw hatte inzwischen ebenfalls aufgehört zu schreien. Mit angstvoll aufgerissenen Augen starrte er die Reiter an und taumelte zurück.
Doch bevor die beiden gespenstischen Gestalten wieder in den Schatten des Waldes abtauchten, riss die Reiterin mit ihren Knochenhänden so hart an den Zügeln, dass ihr Schimmel abrupt stoppte, sich auf die Hinterläufe stellte und hohl wieherte.
Die Reiterin drehte sich mit ihrem Pferd halb zu Vladislaw um und deutete mit ihrer Knochenhand anklagend auf ihn. Dabei drang ein ganzer Schwall von dem gespenstischen Gewisper zwischen ihren Zähnen hervor.
Der Mann hatte sein Pferd nun ebenfalls angehalten und rief etwas mit herrischer Stimme.
Da stürzte aus der Richtung, aus der die geisterhaften Reiter gekommen waren plötzlich ein ganzes Rudel Wildschweine hervor.
Jeni erstarrte vor Entsetzen und schloss mit ihrem Leben ab, als die Wildschweine auf ihren kurzen Beinen quiekend und grunzend herangeprescht kamen.
Etwas stimmte mit diesen Tieren, nicht, das war unübersehbar. Nicht nur, dass sie wütend und aufgebracht waren und sich in einer Art animalischem Rausch befanden. Die Tiere schienen längst tot zu sein, denn in ihren stumpfen Augen war kein Funken Leben mehr. Das borstige Fell war büschelweise ausgefallen, und die nackte lederne Haut war zum Vorschein gekommen. An etlichen Stellen war aber auch die Haut bereits fort, und die Knochen der Tiere schimmerten hervor.
Die gespenstischen Reiter schienen vor dieser Horde diabolischer Wildschweine nicht weniger Furcht zu empfinden, als Jeni und Vladislaw. Augenblicklich gaben sie ihren Pferden die Sporen und traten die Flucht an.
Wimmernd richtete Jeni sich ah dem Baumstamm auf. Sie wusste, dass die Wildschweine zu einer lebensbedrohlichen Gefahr werden konnten – besonders dann, wenn sie ihre Jungen beschützen mussten. Die Tiere vergaßen dann ihre Furcht vor dem Menschen und griffen sie auch dann an, wenn sie bewaffnet waren.
Selbst auf einen Baum zu flüchten, war in einer solchen Situation oft keine Rettung. In ihrer Raserei brachten es die Wildschweine fertig, einen nicht ganz so kräftigen Baum umzustoßen.
All dies schoss Jeni in Gedankenschnelle durch den Kopf, während die schrecklich entstellten Wildschweine auf sie zurasten.
Unwillkürlich griff Jeni nach dem Talisman um ihren Hals und schloss ihn fest in ihre Faust.
Doch die Wildschweine kümmerten sich weder um Vladislaw noch um Jeni. Ihr bestialischer Zorn schien nur auf die beiden gespenstischen Reiter gerichtet zu sein.
Das Quieken der Tiere klang seltsam entstellt und gespenstisch, während sie an den beiden Menschen vorbei hasteten, um die Reiterin zu verfolgen.
Trotzdem wagte Jeni nicht, erleichtert aufzuatmen. Ganz im Gegenteil, ihre Furcht nahm sogar noch zu, denn eine weitere mysteriöse Begebenheit kündigte sich an.
Das Kreuz in Jenis Faust begann plötzlich heiß zu werden. Grelle Lichtbündel stachen zwischen ihren geballten Fingern hervor.
»Jeni!«, rief Vladislaw mit weinerlicher Stimme. »Jeni, was hat das alles zu bedeuten?«
Erschreckt ließ Jeni ihren Talisman los – und eine helle Aura aus weißem Licht breitete sich plötzlich wie ein Schutzschild um sie herum aus.
Ein seltsames Prickeln fuhr Jeni unter die Haut, und die Härchen auf ihren Armen und in ihrem Nacken richteten sich auf.
Jeni sah jetzt alles nur noch wie durch einen nebeligen Schleier hindurch. Vladislaw starrte sie entgeistert an. Doch dann ruckte sein Kopf abrupt herum, und ein entsetzter Schrei entschlüpfte seinen Lippen.
Jenis Aufmerksamkeit war von dem Lichteffekt, den ihr Amulett hervorgerufen hatte, so sehr beansprucht gewesen, dass ihr entgangen war, wie die gespenstischen Reiter einen weiten Bogen um sie und Vladislaw geschlagen hatten. Nun preschten sie wieder auf die jungen Leute zu – dicht gefolgt von den geisterhaften Wildschweinen!
Diesmal hielt der Knochenreiter direkt auf Vladislaw zu. Als der Bauernbursche begriff, dass er offenbar der Grund war, warum das gruselige Paar zurückgekehrt war, warf er sich herum und wollte fliehen.
Doch da war der Reiter auch schon heran. Der Mann neigte sich in seinem Sattel vor, packte Vladislaw mit seinen Knochenfingern am Kragen und riss den schreienden und strampelnden jungen Mann zu sich aufs Pferd.
Der Reiter stieß ein hohles, triumphierendes Lachen aus, in das die Frau mit einstimmte.
Dann waren die beiden Geisterreiter vorbeigeritten.
In diesem Moment geschah etwas Unbegreifliches.
Die Aura, die sich um Jeni gebildet hatte, zog sich plötzlich zu einem Kugelblitz zusammen und schoss auf die Geisterreiter zu.
Ein lauter Knall hallte durch den Wald, und für einen flüchtigen Moment waren sowohl Reiter als auch Wildschweine in ein bläuliches, gespenstisches Licht getaucht.
Im nächsten Moment erlosch das Licht wieder – und mit ihm waren auch die grauenhaften Geistergestalten verschwunden.
Eine unnatürliche Stille breitete sich in dem Wald aus.
Jeni blieb wie vom Donner gerührt stehen. Nur ihre Augäpfel bewegten sich, während sie sich ungläubig umblickte.
Sie lauschte intensiv. Doch es war weder etwas Verdächtiges zu sehen noch zu hören. Kein Gewisper wehte durch den Wald, und keine unheimlichen Gestalten stürzten aus den nachtschwarzen Schatten der Bäume hervor.
»Vladislaw!«, rief Jeni plötzlich erschreckt, als ihr bewusst wurde, dass der Bauernbursche ebenfalls fort war.
Besorgt stieß sie sich von dem Baum ab und blickte sich hastig um.
»Vladislaw?«, rief sie erneut und erschauderte, als ihr aus dem Wald ein leises verlorenes Echo entgegen schallte.
»Vladislaw! Wo steckst du?« Doch von dem jungen Bauernburschen fehlte jede Spur.
Das seltsame Licht aus Jenis Amulett schien ihn zusammen mit den Schreckgestalten ins Nichts befördert zu haben!