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Mit sechsundzwanzig hatte Hugo Rhäs Heinrich Böll die Hand gegeben. Er hatte Danke zu ihm gesagt. Ein paar Jahre später schämte er sich für dieses Danke. Zeitweise fand er sogar, daß dieses Danke seinen schwachen Charakter und seine Unfähigkeit zu schreiben in einem Wort zusammenfaßte. Eine jener packenden Metaphern, um die er sich in seinen eigenen Texten immer wieder vergeblich bemühte.

Fast jahrzehntelang hatte ihn dieses Danke davon abgehalten, seinen Brief an Burroughs abzuschicken. Solange, bis dieser schließlich gestorben war. Im nachhinein war ihm auch das recht. Er hatte darin nämlich den Satz geschrieben: „I’ve been searching so long to find an answer.“ Und dieser Satz, so war ihm später eingefallen, war wörtlich aus einem Lied von Chicago entlehnt. Den späten Chicago, also denen jenseits der fünften LP, als sie langsam anfingen, sich in Süßlichkeit und Peter Cetera aufzulösen. Der Name Cetera wäre vielleicht noch einen Aphorismus wert gewesen, aber bestimmt nicht dieses Gesäusel. Terry Kath hatte sich erschossen. Rechtzeitig? Aber wie sollte sich denn die Kategorie des Todes auf das Leben anwenden lassen? War Kerouac zu früh gestorben? Oder Burroughs zu spät? Und was war mit Ginsberg? Werden wir nur im Tod unverwechselbar? Der eine im Bett bei seiner Mutter mit dem Kruzifix an der Wand, der andere in einem leergeräumten Keller. Und was bleibt vom Leben? Zwei Dosen mit einer nach eigenem Rezept hergestellten Suppe im Gefrierfach von Ginsbergs Kühlschrank. Die stehen jetzt auch in einem Museum. Das Vermächtnis eines Poeten.

Gab es denn nur diese beiden Extreme? Oder gab es selbst die nur in Rhäs’ Einbildung? Gab es dann vielleicht nur den Tod? War alles nur ein einziges Zurasen auf den Tod?

Wenn er die Augen schloß, konnte er in der Ferne, über den Platz der alten Papierfabrik hinweg das Rauschen der Autobahn hören. So waren seine Gedanken. So war das ganze Leben. Die Schüler, wie sie hinausströmten in den Pausenhof. Die Lehrer, wie sie hinausströmten auf den Lehrerparkplatz. Alles nur Metaphern für das eine Strömen. Alles strömt. Das heißt: alles stirbt. Vielleicht konnte Hugo Rhäs das Licht am Samstag nicht ertragen, weil es doch auch nur starb, und weil der Samstag sich doch auch nur in den tristen Sonntag auflöste und der dann wieder in die Woche. Und so immer weiter. Als wäre jeder Anfang gleichzeitig ein Ende. Bis wir irgendwann aufgeben, vom Wahn zerstört, hungrig, hysterisch, nackt.

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