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Der Gartenzaun

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Franz Christian Schwarz – „Blacky“

„Heimat bist du großer Töne – Ein Streifzug durch die heimische Musikszene“. Jeden ersten Sonntag im Monat geht um 19.00 Uhr Professor Franz Christian Schwarz unter diesem Titel bei „Radio Wien“ auf Sendung. Das ist insofern bemerkenswert, als der öffentlich-rechtliche Hauptstadtsender nicht eine der bekannten Station-Voices on Air schickt, sondern sich einem anerkannten Experten zum Thema anvertraut. Der Mann weiß, wovon er spricht, und insofern ist seine Radioshow eine Programminsel. Mögen rundherum die üblichen Mechanismen des Radiomachens herrschen, in dieser Sendung gilt „I am from Austria“. Geschöpft wird aus dem Archiv des Sendungsmachers, und da ist Herr Schwarz in der Tat bestens bestückt.

Er ist Sammler, Archivar, jagt hinter seltenen Platten her und behält seine Beute nicht für sich. Sollen alle etwas davon haben. Geht es um profundes Wissen, was österreichisches Popularmusikgeschehen der vergangenen 40 Jahre – und darüber hinaus – betrifft, so ist der Mann eine beliebte Anlaufstelle. Frag einmal den Blacky, ist eine gerne gegebene Antwort, wenn Plattensammler nur rudimentäre Tonschnipsel irgendwo auf einer alten Kassette haben und niemand sich erinnern kann, wer da damals im Studio gewerkt hatte. Blacky. Der Ursprung des Spitznamens ist klar, den Professoren-Titel hat er sich als Chronist und nimmermüder Botschafter des Österreichischen redlich verdient. Nimmermüde, das steht für mehr als 40 Jahre in unterschiedlichen Funktionen mittendrin im Musikgeschäft. Nein, besser, in der Szene, denn Blacky war nie der typische Plattenmensch. Schon gar nicht jener des neuen Zuschnittes, da, wo Quartalsergebnisse das Firmenschiff lenken und Musik in Exceltabellen Rede und Antwort stehen muss.

Anfang der 70er-Jahre, Blacky war in der Gastronomie tätig, verkaufte er in seiner Freizeit Schallplatten. So richtig, wie die Figuren in Nick Hornbys „High Fidelity“. Statt in London war es im „Musikpalais“ auf der Wiener Seilerstätte. Den Laden gibt es schon lange nicht mehr, aber Schallplatten und Musik waren seit jeher seine große Leidenschaft. Am 7. Januar 1977 kam dann der Einstieg in die Musikwirtschaft. Nach einem kurzen Intermezzo von zwei Tagen bei Phonodisc am Kreilplatz in Wien (auch dieses Unternehmen ist längst Geschichte) stieg er als Label Manager bei Polydor ein. Ab dem Moment war er direkt an der Front tätig. Labelmanagement, das hieß die Vermarktung der Künstler, die neuen Platten zu planen, die Promotion über die Medien zu steuern und durchzuführen. „Ich war zuständig für österreichische und internationale Popmusik und kaum ein Jahr im Amt, da hieß es: ‚Der Danzer macht eine neue Platte‘, und so bin ich zum ersten Mal Georg begegnet“, erinnert sich Blacky. Die Platte, an der Danzer arbeitete, war „Narrenhaus“. Das war die Feuertaufe für den Plattenmann.

Die beiden waren gemeinsam auf Promotiontour, fuhren kreuz und quer durch Österreich, besuchten die ORF-Landesstudios, gaben Presseinterviews und es lief gut zwischen den beiden. „Wir haben uns eigentlich gleich gut verstanden, aber eine Freundschaft ist es erst mit dem nächsten Album geworden.“ Was die Entwicklung von Freundschaften betrifft, so war Georg Danzer so gar nicht der Mensch, der schnell zur Verbrüderung neigte. Im Gegenteil. Zurückhaltend. „Er hat die Menschen, auf die er getroffen ist, immer zuerst gescannt“, wird der Musiker Christian Becker später in diesem Buch Danzers Art beschreiben. Der Georg hatte seinen Gartenzaun. Da konnte man hingehen, sich zum Zaun stellen, mit ihm, Georg Danzer, sprechen und arbeiten. Auf seiner Seite des Zaunes war er der „Schurl“. Die gehörte seiner Familie, ihm und ausgesuchten Menschen. Die Türe, die durch diesen Zaun führte, die öffnete er daher selten. Homestorys sind maximal aus der Frühzeit seiner Karriere bekannt, privat wollte er immer privat halten. Und so war das auch.

„Er war kein leicht zugänglicher Mensch und nie Mitglied der Bussi-Bussi-Gesellschaft. Das hat ihm natürlich auch die Nachrede der Arroganz eingebracht, was er aber überhaupt nicht war, sondern er hat immer zuerst geprüft, ob diese Person seine Zugänglichkeit wert ist“, sagt Blacky, und wie tief die Freundschaft und das Vertrauen der beiden Männer über die Jahre geworden sind, zeigt die Tatsache, dass es nie einen schriftlichen Managementvertrag gegeben hat. Handschlag. Das galt. Erst am Abend, bevor er gestorben ist, hat Georg Danzer noch einen Vertrag unterschrieben. Der Nachlass musste geregelt werden. Danzer ging nicht, ohne die Dinge geregelt zu haben. „‚Da hast was in der Hand‘, hat er noch zu mir gesagt.“ Blacky Schwarz wurde von seinem Freund zum künstlerischen Nachlassverwalter eingesetzt. „Das versuche ich, mit all der zustehenden künstlerischen Sorgfalt und mit Respekt zu machen.“

Zwei Lieder hat Georg seinem Freund gewidmet, wiewohl der Schritt zum Management und zur Zusammenarbeit außerhalb von Plattenfirmen erst Ende der 80er-Jahre erfolgte. Blacky war in seiner Zeit nach Polydor für verschiedene Firmen der Branche tätig. Als Promoter, Produktentwickler, er war vier Jahre lang in der Toskana bei Konstantin Wecker der Mann für alles. Hat Wecker das Haus umgebaut, Konzerte organisiert und seinen eigenen Verlag gegründet. 1988 machte sich Schwarz als Musikverleger selbstständig. Ein Bekannter aus der Branche gab ihm den Tipp: „Georg hat angerufen. Er ist wieder zurück in Wien, mit der Plattenfirma unzufrieden und sucht Unterstützung. Willst du?“ Klar wollte Blacky. „Wir haben uns damals dann im Alvarez, einem Fitness-Studio, getroffen und es war sofort wie früher, wie wenn es all die Jahre dazwischen nie gegeben hätte.“ Blacky übernahm ab diesem Moment das Management für Österreich und die Tourneebetreuung für Deutschland. Ab 1990 lag dann alles in seinen Händen. „Wieder in Wien“ hieß das erste gemeinsame Album. Freund und Künstlerkollege Wilfried Scheutz leistete große finanzielle Hilfe, um die Platte überhaupt möglich zu machen. Weitere Freunde wie Marianne Mendt und Joesi Prokopetz halfen ebenso mit, und wenn Danzer im Intro des Titel- und Eröffnungssongs „Zah an, Peter!“ ruft, dann gilt das Peter Cornelius, der die Gitarre spielt. Es war diese Platte, die am Anfang einer Art künstlerischen Wiederaufbaus Danzers stand. Mit der Karriere lief es seit einiger Zeit nicht mehr prächtig. Die Ära der Liedermacher war auch in Deutschland durch die Neue Deutsche Welle vorbei, und als er Trio mit „Da Da Da“ zum ersten Mal im Radio gehört hatte, wusste er, dass sich die Zeiten ändern würden.

Wieder in Wien. Hier hatten die Leute vor allem den Spaß-Schurl noch in Erinnerung und „Weiße Pferde“, also galt es, Danzer über die Jahre wieder auf ein kommerzielles Niveau zu bringen, welches in Einklang mit dem künstlerischen stand. „In Wien ist er bei seiner Rückkehr gut aufgenommen worden. Es gab keine schlechten Kritiken und er hat sich ja immer als Österreicher gefühlt, die Muttersprache geliebt. Im Deutschland hat er sich eher als Gast gesehen. Seine Zeit in Spanien war vergleichbar mit meiner in Italien. Ein Schritt in die Freiheit. Ungezwungenes Leben. Später die großen Erfolge in Deutschland und in Österreich war in der Zwischenzeit nichts passiert“, erinnert sich Blacky. Er erinnert sich auch daran, dass da bei Georg auch ein wenig Resignation geherrscht hat. „Die Hoffnung, die Karriere wieder hochzukriegen, war nicht besonders groß.“ Die Hoffnung starb nicht, schon gar nicht zuletzt, vielmehr war die Überraschung groß, dass die Heimat den Heimkehrer gut empfing. „Wieder in Wien“ wurde mehr als ein Achtungserfolg. Solotourneen wurden gespielt und schließlich wurde er im niederösterreichischen Asperhofen mit der Familie sesshaft. Dort stand der Gartenzaun. Hinter dem Georg Danzer, die Privatperson, lebte. „Er war nie der Volkstribun, wirkte oft unnahbar und deshalb haben sich die Leute auch meist respektvoll genähert“, erinnert sich Blacky. „Heast Schurl“-Verbrüderungsversuche waren die Seltenheit. Österreich gewöhnte sich daran und erkannte andere Seiten als jene des „Hupf in Gatsch“- Danzer.

Georg und Blacky. Die Drittelmenschen. „Wir haben es uns einmal ausgerechnet: Ein Drittel des Jahres verschlafen wir, ein Drittel davon sind wir gemeinsam unterwegs und ein Drittel verbringen wir mit der Familie.“ In diesem einen Drittel des Jahres waren die beiden nicht nur gemeinsam auf Tour. Ob im Studio, bei der Titelauswahl, Blacky war immer in Georgs Arbeit einbezogen und es gab nur eine einzige Ausnahme, zu der selbst der Freund nur eingeschränkten Zugang hatte: Georgs große grüne Notizbücher. Liniertes Papier mit Leinenrücken gebunden. Das Lebensprotokoll. Textideen, Coverskizzen, Notizen … Darin wurden Gedankenblitze, Überlegungen, Meinungen festgehalten. Die Bücher waren immer mit dabei, stets in Reichweite, um Gedanken aufzunehmen. Heute sind sie bei der Familie unter Verschluss. Eine Seite davon durfte Blacky veröffentlichen. Sie findet sich im Booklet der CD „Sonne und Mond“.

Danzer und Schwarz, die kommunizierenden Gefäße. Penibel genau führt der Nachlassverwalter auf der Website georgdanzer.at Buch über die Stationen der Karriere, listet die komplette Discografie auf und bietet eine beeindruckende Gesamtschau über die Karriere. Blacky ist Danzers Fenster in die Welt. Dieses hält er stets gut geputzt und achtet genau darauf, dass der Blick darauf über die Zeit nicht trübe wird.

2006. Nach dem letzten Konzert von Austria 3 fuhr der Manager mit seiner Frau auf Urlaub. „Ich sitze im Hotel am Balkon mit Blick aufs Meer und war mit mir und der Welt zufrieden. Da ruft der Georg an und sagt nur: ‚Orschpartie! Ich habe Lungenkrebs, aber rede nicht drüber, und wenn du wieder in Wien bist, setzen wir uns zusammen …‘ Mich hat es fast vom Sessel geschmissen und ich musste drüber reden. ‚Georg hat Lungenkrebs‘, habe ich zu meiner Frau gesagt und später erst richtig realisiert, was das heißt, und dann ist nur mehr das Wasser geronnen.“

Es folgten die Zeit der Krankenhausbesuche, Therapien, der Gang an die Öffentlichkeit (siehe Kapitel Christian Seiler). „Er hat die Krankheit und die Therapie von Anfang an mit ansteckender Würde getragen. Es war nach einiger Zeit Routine, und wenn ich ihn vom Spital abgeholt habe, haben wir darüber gesprochen, was wir noch gemeinsam so machen wollen, dann, wenn der Krebs überstanden ist. Es war immer unser Traum, im Wohnmobil von der US-Westküste aus die Staaten zu durchqueren. Einmal, wir sitzen im Auto und ich fange wieder mit dem Wohnmobil an, mit der Zukunftsplanung, da sagt er wie aus heiterem Himmel zu mir: „‚Kapier endlich, dass ich sterben muss!‘“ Schwarz wollte das nicht zur Kenntnis nehme. Bis zum letzten Tag.

Als am 21. Juni 2007 um halb acht in der Früh der Anruf gekommen ist, dass Georg Danzer verstorben ist, hat sich Blacky ins Auto gesetzt und ist nach Asperhofen gefahren. „Die Leute von der Bestattung waren schon da und ich habe darum gebeten, dass ich mich noch alleine von ihm verabschieden kann. Ich habe mich hingesetzt, mit ihm geredet und dann wurde er weggetragen.“ Der Manager und der letzte Weg seines Künstlers. Gemeinsam mit der Familie den Sarg aussuchen, die Verabschiedung organisieren. Im kleinsten Kreis nahmen jene Menschen Abschied, die hinter dem Gartenzaun mit Georg lebten, die, die den privaten Danzer erleben durften. „Nur a klaner Bua im Winter“ wurde gespielt, Georgs persönliches, eigenes Lieblingslied. Bereits einen Tag nach dem Ableben war auch der Abschied vorbei. Alles sollte schnell gehen. Man wollte ganz auf der eigenen Seite des Zaunes bleiben. „Das war in Georgs Sinn“, sagt Blacky, der nach der Verabschiedung der Austria Presse Agentur das einzige Statement zum Tod Danzers abgegeben hat. Seine letzte Reise hat den Liederaten nach Mallorca geführt. Die Urne mit der Asche wurde von der Familie mit einem Boot aufs Meer hinaus gefahren. Ohne Blacky: „Das kränkt mich heute noch.“ „Ich werde immer wieder von Menschen gefragt: „Wo kann man hingehen? Wo kann man sich an Georg erinnern?“ Ich sage dann immer: „Es gibt diesen Ort nicht. Es ist viel mehr jeder Ort der Welt, den man sich für seine Erinnerung an Georg Danzer aussucht.“

Die Zeit nach Georg war nicht geprägt von Orientierungslosigkeit. Natürlich gibt es immer wieder Momente, wo es ihn überfällt und sich die Erinnerung schmerzhaft bemerkbar macht, aber er sieht diese Zeit nach dem 21. Juni 2007 vielmehr als Aufgabe. „Ich habe einen Brief von Georg, in dem er mich bittet, seine Familie zu unterstützen und mich um sein musikalisches Erbe zu kümmern. Das war von Anfang an nach dem Tod meine Triebfeder und so versuche ich, Georgs Werk nach wie vor so gut wie möglich zu verbreiten.“ Jedes Jahr wird bei Christian Becker in dessen Live-Club „Local“ zu Georgs Geburtstag mit Freunden und Wegbegleitern „Danke Danzer“ auf der Bühne gefeiert. Blacky kümmerte sich um die Digitalisierung und das Remastering der alten Platten und deren Wiederveröffentlichung auf CD und setzt den Wunsch des Freundes mit einer Verve um, die seinesgleichen sucht. „Traurig macht mich ein wenig, dass Georg nicht mehr erlebt hat, dass seine letzten drei Platten Gold bzw. Platin erreicht haben, das hätte ihn in seiner Arbeit bestätigt.“ Wurde er unter seinem Wert geschlagen? Die Antwort ist kurz und eindeutig: „Ja!“ Dann ergänzt Blacky: „Georg hat immer gesagt, das Sprichwort ‚Das kann nicht von weit herkommen‘ hat einen tieferen Sinn. In Österreich ist es ja so, dass von je weiter etwas herkommt, umso wertvoller muss es sein, umso schwerer ist es zu haben, daher ist es auch besser als das, was du vor der eigenen Tür hast, denn das kann nicht gut sein!“

Georg Danzer ist heute für seine Landsleute wahrscheinlich wieder interessanter, als dies noch vor zehn Jahren der Fall war. Die Menschen erkennen, was sie mit ihm verloren haben. Sie suchen nach Erinnerungen. Alte Platten, Poster – im Internet ist einiges zu finden, aber Merchandising, Memorabilia gibt es fast keine. „T-Shirts und solche Sachen, das hat der Georg immer strikt abgelehnt. Das war ihm unheimlich. Auch gegen Fanclubs hat er sich immer gewehrt. Er hat das für eine falsche Heldenverehrung gehalten.“ Und so bleibt es Blacky überlassen, aus den Tiefen der Archive noch musikalische Stücke auszugraben und diese zu veröffentlichen. Bis auf wenige Titel (z. B. „Lass dich tätowieren“/ „Kleines Café in Hernals“) ist alles, was analog erhältlich war, nun auch auf CD veröffentlicht.

Neben dem musikalischen Nachlass war es vor allem die menschliche Größe, die bis heute bei all jenen nachhallt, die mit Georg Danzer zu tun hatten. Klar, da gab es den Jähzorn, der so schnell verflog, wie er aufgezogen war, aber „generell war es schon so, dass der Georg eher mit dem linken Fuß mit dem Gewicht nach hinten gestanden ist und sich immer zuerst gefragt hat: „Will ich das jetzt oder nicht?“ Bei Sachen, die ihm gegen den Strich gegangen sind, war es genau umgekehrt. Da war die Belastung am rechten Fuß nach vorne und dann hat er sich eingesetzt. Dann musste etwas getan werden, zum Nachdenken beitragen und und und …“

Blacky und Georg. Im Lied „Weiße Pferde“ findet sich die Textzeile: „Algo se muere en el alma cuando un amigo se va“. Übersetzt auf Deutsch heißt das: „Etwas stirbt in deiner Seele, wenn ein Freund dich verlässt“. Für Blacky war es der beste Freund, der gegangen ist.

Georg Danzer - Sonne und Mond

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