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bb) Voraussetzungen

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Der Vergleichsvertrag ist zulässig, wenn eine wirkliche Ungewissheit über Sachverhalt oder Rechtslage zwischen den Vertragsparteien besteht. Einseitige Zweifel reichen nicht. Die Zweifel müssen sich auf ein- und denselben Punkt beziehen. Die Ungewissheit muss zwar vom subjektiven Kenntnisstand der Beteiligten ausgehen. Das Vorhandensein von Ungewissheit muss allerdings „bei verständiger Würdigung“ bejaht werden können. Damit kommt eine objektive Betrachtung der Ungewissheit ins Spiel. Auf der Seite des Bürgers ist die Ungewissheit objektiv vorhanden, wenn seine Würdigung frei von Eigensinn oder törichten Anschauungen ist; für die Behörde wird Ungewissheit objektiv nur dann angenommen werden können, wenn sie auch bei Beachtung der durchschnittlich erwarteten Sach- und Fachkenntnis vorhanden ist. Eine Herabsetzung des Standards hätte für die Behörde die günstige Folge, dass jede gravierende Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt bei der Feststellung der Sach- oder Rechtslage die Möglichkeit zum Abschluss von Vergleichsverträgen böte; der Entscheidungsspielraum der Behörde würde auf diese Weise erweitert. Diese Erweiterung soll das Recht, einen Vergleichsvertrag abschließen zu dürfen, aber gerade nicht gestatten.

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Die Behörde hat den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Erst dann, wenn alle Möglichkeiten zur Ermittlung des Sachverhalts erschöpft sind und über den Sachverhalt immer noch Ungewissheit besteht, erlaubt das Recht den Abschluss eines Vergleichsvertrags[86]. Eine Ungewissheit der Rechtslage liegt in folgenden Fällen vor[87]: Entweder ist die Rechtslage gesetzlich oder durch die Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend geklärt (es fehlt eine höchstrichterliche Entscheidung, es liegen divergierende Urteile vor); oder der Verwaltungsaufwand steht nach dem von den Parteien erwarteten Maß an verständiger Würdigung der Rechtslage außer Verhältnis zu dem mit der Klärung der Rechtsfrage bewirkten Erfolg. Es wird sogar für zulässig erachtet, einen Vergleichsvertrag zur Bereinigung einer Ungewissheit über die Verfassungsmäßigkeit einer Ermächtigungsgrundlage zu schließen[88].

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Der Vergleichsvertrag fordert ein gegenseitiges Nachgeben; sein Inhalt ist also ein Kompromiss zwischen unterschiedlichen Standpunkten. Ob ein solches Nachgeben vorliegt, bemisst sich aus der Sicht eines objektiven Betrachters; dass beide Parteien aus ihrer subjektiven Sicht ein – wenn auch nur geringfügiges – Opfer gebracht haben, reicht hingegen nicht aus. Das Nachgeben muss sich nicht unbedingt auf das materielle Recht beziehen, sondern eine Verschlechterung einer Verfahrensposition ist hinreichend. Deshalb kann eine Klagerücknahme oder der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs oder Rechtsmittels zum Inhalt des Vergleichsvertrags werden[89].

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Der Vergleich muss einen ungewissen Zustand beseitigen. Das ist der Fall, wenn die Wirkung des Vertrags darin besteht, dass er konstitutiv Verpflichtungen nach Maßgabe seines Inhalts schafft. Die negative Wirkung des Vertrags besteht darin, den Beteiligten ein Zurückgreifen auf frühere Standpunkte zu versagen, die positive Wirkung darin, diese früheren Standpunkte durch die getroffene Regelung zu ersetzen.

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