Читать книгу Allgemeines Verwaltungsrecht - Franz-Joseph Peine - Страница 66

1. Lückenfüllung im öffentlichen Recht durch Anwendung des Privatrechts

Оглавление

58

Das gesetzlich normierte öffentliche Recht ist inhaltlich nicht vollständig. Ungeregelt ist zB bislang die Anfechtung von Willenserklärungen; dieser Mangel ist bedeutsam, weil auch im öffentlichen Recht mit Hilfe der Handlungsform „Vertrag“ gearbeitet wird. Wenn einschlägige öffentlich-rechtliche Aussagen fehlen, bietet es sich an, auf vorhandene privatrechtliche Aussagen zurückzugreifen. Geschieht dieser Rückgriff, so handelt die Verwaltung allerdings nicht privatrechtlich, sondern sie verbleibt im öffentlichen Recht, indem sie Privatrecht als öffentliches Recht anwendet; das Privatrecht erhält in diesen Fällen also die Qualität von öffentlichem Recht.

Beispiele:

Der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB – Verwirkung als Teil dieses Grundsatzes[40]; die Vorschriften über die Fristberechnung nach §§ 187 ff BGB[41]; die Vorschriften über die Anfechtung von Willenserklärungen nach §§ 119, 123 Abs. 1 BGB, über die Haftung wegen schuldrechtlicher Leistungsstörungen nach §§ 276 ff BGB, über die Verwahrung, über die Geschäftsführung ohne Auftrag, über die Auslobung.

59

Vorschriften des BGB gelangen im öffentlichen Recht zunächst dann zur Anwendung, wenn das öffentliche Recht selbst diese Vorschriften für anwendbar erklärt. Hingewiesen sei auf § 62 S. 2: Für den örV gelten die Vorschriften des BGB entsprechend (dazu Rn 719)[42]. Wenn es an einer das Recht des BGB für anwendbar erklärenden Norm fehlt, gibt es zwei Möglichkeiten, die Verwendung privatrechtlicher Normen zu begründen: Zum einen lässt sich sagen, bestimmte Aussagen des Privatrechts seien Allgemeine Rechtsgrundsätze, die zwar das Privatrecht konkretisiert habe, die aber im gesamten Recht gelten, sodass sie auch im öffentlichen Recht unmittelbar zur Anwendung gelangen. Zum anderen wendet man bestimmte privatrechtliche Vorschriften im öffentlichen Recht analog an. Von der Zulässigkeit dieses Vorgehens ist bei der Erfüllung zweier Voraussetzungen auszugehen: (1) Es muss eine planwidrige Lücke vorliegen. (2) Die Sachverhalte müssen in rechtlich wertender Hinsicht vergleichbar sein.

60

Eine Grenze der Anwendbarkeit des privaten Rechts als öffentliches Recht ist erreicht, wenn dadurch Kompetenzen der öffentlichen Verwaltung erweitert werden. Die praktische Bedeutung dieser Grenze besteht darin, dass eine analoge Anwendung des Privatrechts nur eine Rechtsfolgenverweisung, nicht aber eine Rechtsgrundverweisung bewirkt. Deshalb führt die Anwendung der §§ 688 ff BGB (Verwahrung) nur zu Regelungen über die Art und Weise der Verwahrung, nicht aber vermag die Anwendung dieser Normen einen neuen Rechtsgrund für eine Verwahrung zu liefern.

Allgemeines Verwaltungsrecht

Подняться наверх