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9. Recht der Europäischen Union

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Das Recht der Europäischen Union, das sog. Europarecht i.e.S. (s.o. Rn 50), bildet eine zunehmend bedeutsame Rechtsquelle des Verwaltungsrechts. Viele Bereiche des Besonderen Verwaltungsrechts werden bereits heute von den unionsrechtlichen Vorgaben geprägt. Besonders weit vorangeschritten ist diese Entwicklung etwa im Umweltrecht[20]. In den zum klassischen Pflichtstoff des Verwaltungsrechts gehörenden Materien ist die Europäisierung zwar weniger stark ausgeprägt. Gleichwohl ist auch hier eine zunehmende Beeinflussung durch das Unionsrecht zu beobachten. Dies gilt etwa für das Polizei- und Ordnungsrecht[21] oder das öffentliche Baurecht[22]. Aber auch in einigen Bereichen des Allgemeinen Verwaltungsrechts ist eine zunehmende Europäisierung zu beobachten: So sind die Vorschriften zur Unbeachtlichkeit von Verfahrensverstößen im Lichte des Unionsrechts eng auszulegen (dazu ausf. Rn 582). Auch bei der Aufhebung von Verwaltungsakten ist das bereits angesprochene Effektivitätsprinzip (s.o. Rn 53) zu beachten (dazu ausf. Rn 649 ff).

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Als Rechtsquellen kommen beide Ebenen des Unionsrechts in Betracht, also sowohl das Primärrecht als auch das Sekundärrecht (zu den Begriffen s.o. Rn 51). Für das Verwaltungsrecht von besonderer Bedeutung sind zunächst die in Art. 28 ff. AEUV geregelten Grundfreiheiten[23]. Sie dienen nach Art. 26 Abs. 2 AEUV der Verwirklichung des Binnenmarktes und entfalten daher ihre besondere Bedeutung im öffentlichen Wirtschaftsrecht[24]. Von den in Art. 288 AEUV aufgelisteten Handlungsformen des Sekundärrechts sind für die Rechtsquellenlehre Verordnungen und Richtlinien von Bedeutung. Verordnungen sind nach Art. 288 Uabs. 2 S. 2 AEUV in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union.

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Richtlinien der Europäischen Union sind hingegen grundsätzlich umsetzungsbedürftig, da sie nach Art. 288 Abs. 3 AEUV lediglich das Ziel verbindlich vorgeben, jedoch die Wahl der Form und der Mittel den Mitgliedstaaten überlassen. Werden sie nicht ordnungsgemäß oder rechtzeitig umgesetzt, so kann ein sog. Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV gegen den Mitgliedstaat eingeleitet werden. Vor dem Hintergrund des Effektivitätsprinzips (s.o. Rn 53) hat der Europäische Gerichtshof allerdings einen alternativen Sanktionsmechanismus entwickelt: Danach wirken Richtlinien im Verhältnis zum Bürger dann (ausnahmsweise) unmittelbar, wenn – erstens – die Frist zur Umsetzung der Richtlinie ohne ordnungsgemäße Umsetzung verstrichen ist, wenn – zweitens – es sich um eine unbedingte Bestimmung handelt, die den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum belässt und wenn – drittens, dies vor allem – die betreffende Bestimmung der Richtlinie hinreichend bestimmt ist[25]. Die Figur der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ist jedoch begrenzt auf das vertikale Verhältnis zwischen Staat und Bürger und erfasst auch insoweit nur den Bürger begünstigende Regelungen[26].

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