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1. Normenhierarchie

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Zwischen den aufgezeigten (geschriebenen) Rechtsquellen besteht eine Normenhierarchie[31]. Danach verdrängt höherrangiges Recht niederrangiges („lex superior derogat legi inferiori“). An der Spitze dieser Hierarchie steht das Unionsrecht. Denn es genießt gegenüber dem nationalen Recht einen Anwendungsvorrang. In Widerspruch zu Unionsrecht befindliches innerstaatliches Recht darf also nicht angewandt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass der Europäischen Union eine entsprechende Kompetenz eingeräumt wurde und beim Erlass des Unionsrechts auch die sonstigen Schranken insbes. nach Art. 5 EUV beachtet worden sind (s.o. Rn 52). Zudem muss nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG die Identität der Verfassung gewahrt bleiben[32]. An der zweiten Rangstelle steht das Verfassungsrecht. Es genießt gegenüber dem sonstigen nationalen Recht nicht nur Anwendungsvorrang, sondern – zumindest im Grundsatz – Geltungsvorrang[33]. Formelle und materielle Gesetze, die nicht in Einklang mit der Verfassung stehen, sind also regelmäßig nichtig. Schließlich sind die – im Verwaltungsrecht allerdings nur begrenzt bedeutsamen – allgemeinen Regeln des Völkerrechts zwar gegenüber der Verfassung nachrangig; sie gehen jedoch gemäß Art. 25 S. 2 GG den (formellen und materiellen) Gesetzen vor[34].

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Die nächste Stufe in der Normenhierarchie bilden die formellen Gesetze. Ihnen gleich stehen die gemäß Art. 59 Abs. 2 GG durch Zustimmungsgesetz umgesetzten sonstigen Bestimmungen des Völkerrechts. Formelle Gesetze sind zugleich gegenüber den materiellen Gesetzen vorrangig. Soweit nicht bereits die Rechtsetzungsbefugnis durch Gesetz eingeräumt ist und daher auch wieder entzogen werden kann, müssen Rechtsverordnungen und Satzungen in Einklang mit den formellen Gesetzen stehen. Ist dies nicht der Fall, so sind sie grundsätzlich nichtig. Allerdings hat der Gesetzgeber teilweise die Nichtigkeitsfolge abgemildert und manche Verstöße für unbeachtlich oder zumindest heilbar erklärt. Dies gilt etwa für den Bereich der Bauleitplanung gemäß §§ 214 f BauGB[35]. Zwischen Rechtsverordnungen und Satzungen besteht typischerweise kein echtes Rangverhältnis, da delegierte Rechtsetzung und autonome Rechtsetzung zueinander eine Alternativfunktion aufweisen[36]. Auf der untersten Stufe der geschriebenen Rechtsquellen stehen schließlich die Verwaltungsvorschriften. Denn sie entfalten zumindest grundsätzlich nur im Binnenbereich der Verwaltung Bindungswirkung und partizipieren daher auch nicht an der Gesetzesbindung der Verwaltung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG[37].

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Die ungeschriebenen Rechtsquellen des Gewohnheitsrecht, des Richterrechts sowie der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts dienen nach dem Gesagten grundsätzlich nur zur Schließung von Lücken der geschriebenen Rechtsquellen (s.o. Rn 75). Soweit überhaupt noch eine solche Lückenschließung erforderlich ist, partizipieren die ungeschriebenen Rechtsquellen an der Art und Stufe der geschriebenen Rechtsquellen, die sie ersetzen oder ergänzen[38]. Dies wird oftmals, wenn auch nicht notwendigerweise, die Stufe eines formellen Gesetzes sein.

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In der Verwaltungspraxis werden oftmals zunächst die auf der unteren Hierarchiestufe befindlichen Rechtsquellen herangezogen. Dies darf aber nicht als Missachtung der Normenhierarchie gedeutet werden. Vielmehr weisen die jeweils niedrigeren Rechtsquellen einen höheren inhaltlichen Konkretisierungsgrad auf. Und Verwaltungsvorschriften sollen das Verwaltungshandeln gerade dort steuern, wo (formelle und materielle) Gesetze keine bzw. keine abschließende Aussage treffen (s.o. Rn 73).

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