Читать книгу Der Index der verbotenen Bücher. Bd.1 - Franz Reusch - Страница 27

7. Die ersten päpstlichen Erlasse gegen die Schriften der Reformatoren.

Оглавление

Am 9. August 1518 citirte der Auditor der apostolischen Kammer, Bischof Hieronymus von Ascoli, den Leo X. beauftragt hatte, unter Assistenz des Magister Sacri Palatii, Sylvester Prierias, Luthers Sache zu untersuchen, diesen nach Rom2). Die Citation wurde bekanntlich indirect dadurch zurückgenommen, dass der päpstliche Legat Cardinal Thomas de Vio von Gaeta (Cajetanus) den Auftrag erhielt, Luther zu verhören. Der Cardinal wurde beauftragt, Luther, wenn er sich nicht füge, zu verhaften; wenn er seiner nicht habhaft werden könne, ihn und seine Anhänger und Vertheidiger zu excommuniciren und die Orte, wo er Aufnahme finde, mit dem Interdict zu belegen1). Nach den erfolglosen Verhandlungen in Augsburg geschah jedoch nichts der Art. In der an Cardinal Cajetan gerichteten Bulle vom 9. Nov. 1518, welche über die Lehre vom Ablass handelt2), wird Luther nicht einmal genannt. Erst am 15. Juni 1520 wurde die Bulle Exurge3) publicirt, worin der Papst „nach wiederholter Berathung mit den Cardinälen und mit Oberen der Orden und mehreren anderen Theologen und Juristen“ 41 Sätze als „respective häretisch oder ärgernissgebend oder falsch oder für fromme Ohren verletzend oder für Einfältige irreführend und der katholischen Wahrheit widersprechend“ verdammt und unter Androhung der Excommunicatio latae sententiae und anderer Strafen zu behaupten, zu lehren und zu vertheidigen verbietet, und dann fortfährt:

„Und weil die vorbesagten und mehrere andere Irrthümer in den Büchern oder Schriften Martin Luthers enthalten sind, verdammen und verwerfen Wir die besagten Bücher und alle Schriften oder Predigten des besagten Martinus, mögen sie sich in lateinischer oder in irgend einer andern Sprache vorfinden, . . und verbieten kraft des heiligen Gehorsams und unter den vorbesagten Strafen, denen die Uebertreter von selbst verfallen sollen, allen Gläubigen, dergleichen Schriften, Bücher, Predigten oder Blätter oder Abschnitte derselben. welche die vorbesagten Irrthümer enthalten, zu lesen, zu behaupten, zu predigen, zu loben, zu drucken, zu veröffentlichen oder zu vertheidigen, selbst oder durch andere, direct oder indirect, schweigend oder ausdrücklich, öffentlich oder heimlich, oder sie im eigenen Hause oder an anderen öffentlichen oder privaten Orten irgendwie zu haben; sie sollen vielmehr bei den oben angedrohten Strafen sofort nach der Publication des gegenwärtigen überall von den Ortsbischöfen und den anderen vorbesagten Oberen sorgfältig gesammelt und öffentlich und feierlich in Gegenwart der Geistlichkeit und des Volkes verbrannt werden.“

Weiterhin werden Luther und seine Anhänger aufgefordert, binnen 60 Tagen den besagten Irrthümern zu entsagen und alle sie enthaltenden Schriften zu verbrennen, — Luther, die Irrthümer förmlich zu widerrufen und binnen weiteren 60 Tragen den Widerruf einzusenden, — widrigenfalls sollen sie als notorische und hartnäckige Ketzer behandelt werden. Ferner wird allen Christgläubigen verboten, „die Bücher, welche von dem besagten Martinus verfasst oder herausgegeben worden oder verfasst oder herausgegeben werden werden, auch wenn sie die besagten Irrthümer nicht enthalten, — als von einem dem orthodoxen Glauben feindseligen und darum dringend verdächtigen Menschen ausgehend, und damit sein Andenken aus der Gesellschaft der Christgläubigen gänzlich vertilgt werde, — zu lesen … und zu behalten“.

In der Bulle Decet Romanum Pontificem vom 3. Jan. 15211) wird constatirt, dass einige Anhänger Luthers sich bekehrt und dass an einigen Orten in Deutschland seine Schriften öffentlich verbrannt worden seien, Luther selbst aber mit seinen Anhängern und Beschützern der Excommunication und den anderen in der ersten Bulle angedrohten Strafen verfallen erklärt und den Bischöfen geboten, dieses zu publiciren.

Ueber die Bulle Exurge wurde vom 21. Mai bis 1. Juni 1520 viermal im Consistorium verhandelt und namentlich darüber discutirt, ob die 41 Artikel in genere (in globo, wie man später sagte) oder in specie zu verdammen seien, d.h. ob von jedem einzelnen Artikel gesagt werden solle, dass er häretisch, oder dass er ärgernissgebend u. s. w. sei, oder ob, wie wirklich geschah, nach Anführung aller Artikel die verschiedenen Qualificationen mit respective beizufügen seien. Namentlich behufs Qualification der Artikel wurden in dem Consistorium vom 23. Mai, — dem auch Cardinal Cajetan, obschon unwohl, beiwohnte, — die Ordensgenerale, der Magister Sacri Palatii und mehrere Theologen, darunter auch Eck, gehört2). — Die Bulle war von dem Cardinal Accolti concipirt. Card. Pucci, damals Datar, legte einen andern Entwurf vor; aber der Entwurf Accolti’s wurde nach lebhaften Discussionen mit einigen Aenderungen angenommen3).

Die theologischen Facultäten zu Köln und Löwen hatten schon am 29. Aug. resp. 7. Nov. 1519 ein 488 Seiten starkes Buch von Luther — nach dem, was darüber gesagt wird, war es ein Sammelband, der die 95 Thesen, die darauf bezüglichen Schriften und die Sermonen über die Busse, den Bann, den Ablass und die würdige Bereitung zu dem hochwürdigen Sacrament enthielt, — censurirt und „doctrinaliter judicirt“, das Buch sei zu verbieten und zu verbrennen, der Verfasser zum Widerruf anzuhalten. Die Löwener sagen dabei, sie hätten schon im vorigen Jahre den Verkauf des Buches an der Universät verboten. Eine ganz ähnliche, nur noch ausführlicher motivirte Censur publicirte die Sorbonne über Schriften von Luther 15. April 1521, ohne die Bulle zu erwähnen1).

In der Sitzung der Wiener theologischen Facultät beantragte 14. April 1520 der Decan, die Facultät möge, da sie pravitatis haereticae inquisitrix sei, gegen die scandalösen und gegen den christlichen Glauben verstossenden Schriftchen, die in Wien gedruckt würden, einschreiten. Die Facultät beschloss, zunächst den Bischof und den „Consulatus“ anzugehen; wenn diese nichts thun wollten, werde die Facultät gemäss dem ihr von dem apostolischen Stuhle übertragenen Amte einschreiten und den Druck und Verkauf solcher Schriften unter kanonischen Censuren verbieten2). Es scheint nichts weiter geschehen zu sein. Unter dem 14. Oct. 1520 übersandte Eck der Wiener Universität die Bulle gegen Luther mit der Aufforderung, sie ihren Untergebenen zu publiciren und diesen zu befehlen, Luthers Schriften zum Verbrennen abzuliefern. Die Universität scheint nun bei dem Kaiser angefragt zu haben; denn Aleander meldet 25. Febr. 1521, der Kaiser habe ihr geantwortet, sie solle sofort die Bücher verbrennen3). 1521 gebot denn auch Ferdinand I. das Verbrennen4).

In Ingolstadt wurden auf Ecks Antrag schon am 29. Oct. 1520 Luthers Schriften von dem Rector verbrannt5). Luther verbrannte darauf 10. Dec. 1520 die Bulle, das Jus canonicum und Schriften von Eck und Emser. Ein ähnliches Autodefe wurde in Leipzig und an einigen anderen Orten veranstaltet. — Aleander bewirkte die Verbrennung der Schriften Luthers, die er „für eine sehr heilsame und nützliche Sache hielt und für ein besseres Mittel, ihre Verdammung bekannt zu machen, als die blosse Publication der Bulle“, an mehreren Orten in Belgien und im westlichen Deutschland. „Ich verfuhr, rühmt er sich, Anfangs (in Belgien) mit solcher Gewandtheit, dass der Kaiser und seine Räthe die Verbrennung der Bücher eher sahen, als es ihnen zum Bewusstsein kam, dass sie mir wirklich das Mandat gegeben. Ebenso wurde in Köln, fast ehe jemand daran dachte, eine schöne Execution in Scene gesetzt.“ Auch der Cardinal von Mainz liess sich trotz des Abrathens vieler angesehener Männer bestimmen, die Verdammung der Bücher unter Trommelschall im ganzen Lande bekannt zu machen und das Volk zur feierlichen Verbrennung derselben einzuladen. Vor der Ankunft Luthers in Worms erwirkte Aleander auch ein kaiserliches Mandat, Luthers Bücher in ganz Deutschland an die Obrigkeiten abzuliefern; den Befehl, sie zu verbrennen, konnte er nicht durchsetzen1). — In dem Wormser Edict von 1521 sagt Karl V., die Bulle sei an verschiedenen Orten in Deutschland publicirt und auf seinen Befehl nicht nur zu Löwen, sondern auch zu Köln, Trier, Mainz und Lüttich exequirt worden. Auch zu Halberstadt, Meissen und Merseburg wurden Luthers Bücher verbrannt2). Zu Köln suchte Aleander auch Friedrich den Weisen zu bestimmen, Luthers Bücher verbrennen und ihn selbst hinrichten zu lassen oder gefangen nach Rom zu schicken3).

In England weigerte sich Cardinal Wolsey, auf die Bulle Exurge hin die Verbrennung der Schriften Luthers anzuordnen, da sie ihn dazu nicht autorisire. Er wurde dann durch ein Breve vom 16. April 1521 dazu angewiesen. Der Papst schickte ihm zugleich ein Exemplar von Luthers Buch von der babylonischen Gefangenschaft, mit dem Bemerken, nicht das Buch, sondern der Verfasser verdiene verbrannt zu werden. Er erklärte übrigens, es sei nicht seine Absicht gewesen, das Lesen der Bücher Luthers denjenigen zu verbieten, welche die fromme Absicht hätten, sie zu widerlegen; solchen dürfe Wolsey die Erlaubniss ertheilen. Daraufhin ordnete Wolsey als Legat „mit Zustimmung des Königs und nach Rücksprache mit dem Erzbischof von Canterbury und anderen Prälaten“ die Verbrennung an4).

Ueber die Ausführung der Bullen in Spanien und Frankreich s.u.

In Rom fand die feierliche Verbrennung der Schriften Luthers am 12. Juni 1521 statt; es wurde zugleich Luther selbst in effigie mit verbrannt5).

Dass in streng kirchlichen Kreisen das Verbot der Schriften Luthers beachtet wurde, zeigt sein 1521 herausgegebener (in diesem Jahre in 8 Ausgaben erschienener, „Unterricht der Beichtkinder über die verbotenen Bücher“1) und die Thatsache, dass Erasmus, wohl nicht so sehr zur Beruhigung seines eigenen Gewissens, als um nicht angefochten zu werden, — nam hodie sycophantarum et Corcyraeorum plena sunt omnia, und nolim enim dari ansam τοῖς πονηροῖς οὐδένος ἄλλου δ∈ομένοις, sagt er in dem betreffenden Briefe vom J. 15212), — Paolo Bombasio bat, ihm vom Papste die Erlaubniss zum Lesen der Bücher Luthers zu erwirken, nachdem ihm der Legat Aleander, an den er sich zuerst gewendet, gesagt hatte, er könne ohne specielle Vollmacht des Papstes die Erlaubniss nicht ertheilen.

Unter dem 12. Juli 1520 erliess Leo X. ein (von J. Sadolet unterzeichnetes) Breve an den Cardinal Albrecht, Erzbischof von Mainz3), worin er sagt: es sei ihm ein von einem gewissen Ulrich Hutten verfasstes oder aufgefundenes Buch zu Gesicht gekommen, welches in der Vorrede Schmähungen gegen den h. Stuhl enthalte; die Ueberbringer hätten gesagt, sie hätten noch andere, noch schlechtere Bücher von diesem Hutten; derselbe sei ein familiaris des Erzbischofs und die Bücher seien in Mainz gedruckt. Er, der Papst, könne nicht wohl annehmen, dass unter den Augen des Erzbischofs in seiner Residenz von einem seiner Hausgenossen ohne sein Vorwissen etwas so verbrecherisches habe herausgegeben werden können; er möchte gern glauben, dass der Erzbischof nichts davon wisse, ermahne ihn aber einzuschreiten. Der Cardinal antwortete: er habe die schlechten Schriften Huttens, die veröffentlicht worden seien, ehe er auch nur die leiseste Ahnung davon gehabt, zu unterdrücken gesucht und mehrere Personen, deren schlechte Gesinnung gegen Seine Heiligkeit er erkannt, sofort aus seiner Umgebung entfernt, darunter auch Hutten, der ihm früher sehr theuer gewesen, sobald er von dessen Schrift gegen den Cardinal Cajetan erfahren habe. Erst nach seiner Rückkehr aus der Magdeburger Diöcese habe er erfahren, dass derselbe abscheuliche Sachen durch einen Mainzer Bürger habe drucken lassen. Gegen Hutten könne er nichts thuen, da sich derselbe auf einer sehr festen Burg befinde und, wie er höre, eine starke Reiterschaar sammeln und so ihm selbst beinahe furchtbar werden könne. Den Drucker aber habe er novo exemplo trotz der Fürsprache angesehener Leute einkerkern lassen und das Kaufen und Verkaufen von dergleichen schmählichen und gegen den h. Stuhl gerichteten Schriften und zugleich der Lutherschen Schriften, obschon er diese schon im vorigen Jahre strenge verboten, in seinen Diöcesen untersagt.

Das fragliche Buch ist: De unitate ecclesiae conservanda et schismate, quod fuit inter Henrichum IV. Imp. et Gregorium VII. P. M., cujusdam ejus temporis liber in vetustissima Fuldensi bibliotheca ab Hutteno inventus nuper, Mainz 1520, mit einer Zuschrift an Erzherzog Ferdinand, die allerdings starke Ausfälle gegen Rom enthält1). Als Verfasser der um 1100 veröffentlichten Schrift wird von den meisten Walram, Mönch von Hersfeld, 1089 von Heinrich IV. zum Bischof von Naumburg berufen, angesehen, der mit mehreren gut geschriebenen Abhandlungen und offenen Briefen den Bestrebungen Hildebrands und seiner Partei entgegentrat2). — Die Schrift steht als Liber de unitate eccl. seit P. im Index.

2) Pallav. 1, 6. 7.

1) Pallav. 1, 9, 3. Die Echtheit des betreffenden Actenstücks (Le Plat, Mon. II, 6) wird bestritten, vertheidigt von Köstlin, Luther I, 228.

2) Le Plat II, 21.

3) Bull. I, 610.

1) Bull. I, 614.

2) Laemmer, Melet. Rom. Mantissa, 1875, p. 195.

3) Pallav. I, 20, 3. C. Bromato, Storia di Paolo IV., 1748, I, 78.

1) Arg. I b 358. 365. Aleander liess sie in Worms drucken, obschon er nicht ganz damit zufrieden war, weil der Primat des Papstes gar nicht darin erwähnt war. Er meint, das sei geschehen per la causa antica della scola parisina super Pontifice et Concilio; er wolle, wenn er nach Paris komme, die Pariser Doctoren zu bestimmen suchen, sich in diesem Punkte den anderen Schulen anzuschliessen und eine zweite Censur zu machen. Friedrich, Die Briefe Aleanders (Abh. der Münchener Akad. XI, 3), S. 126.

2) Th. Wiedemann, Gesch. der Ref. und Gegenref., 1879, I, 11.

3) Friedrich S. 112.

4) Archiv f. österr. Gesch. 50, 216.

5) Wiedemann, J. Eck, S. 163. Prantl, Gesch. der L.-M.-Univ. I, 146.

1) Friedrich S. 90. 113. 122.

2) Pallav. 1, 23, 10.

3) Schlottmann, Erasmus redivivus p. 271.

4) Wilkins III, 690. Blunt, Ref. of the Ch. of Engl. I, 81. Bei Gelegenheit der Verbrennung der Luther’schen Schriften in London hielt der Bischof John Fisher von Rochester die Predigt. The Engl. Works of John Fisher, coll. by J. E. B. Mayor, 1876, I, 311.

5) Lutzenburg, Catal. 1. 5 p. 3: Nec praetereundum est quod factum est Romae a. 1521. 12. Junii hora X. secundum nostrum horologium in campo agonis coram infinita ferme multitudine hominum utriusque sexus, ubi erecta erat machina: ab una parte fuit depictus Martinus in habitu monachi, ab altera parte fuit scriptum in tabellis: Martini Lutheri haeresiarchae doctrina haeretica declarata et reprobata; et passim libri ejus fuerunt affixi. Et coram hac machina praehabita fuit oratio et declaratio sententiae per venerabilem Patrem Cyprianum Ord. Praed., S. Theol. Doctorem, lectorem legentem in Sapientia, de domo vicarii papae. Ignis quoque cum machina compositus fuit et accensus per byrros et familiares inferiores vicarii papae, et sic libri cum imagine autoris adusti sunt. Is. 1, 31: Erit fortitudo vestra ut favilla stuppae et opus vestrum quasi scintilla, et succendetur utrumque simul.

1) Erl. 24, 204–9.

2) Ep. 594.

3) Vgl. Kampschulte, Erfurt II, 82. Gerdes, H. Ref. II, Mon. p. 11. Der Cardinal erhielt das Breve am 25. October 1520 gleichzeitig mit vier anderen: eins bezog sich auf die Unterdrückung der Luther’schen Ketzerei, zwei auf die Mission Aleanders und Caracciolo’s, in dem vierten zeigte ihm der Papst an, er übersende ihm die goldene Rose, novo exemplo, da sie sonst nur weltliche Fürsten erhielten.

1) Baumg. I, 413.

2) Wattenbach, Deutschl. Geschichtsqu. II, 62. 379. Helmsdörfer, Wilhelm von Hirschau S. 26, meint, die Schrift sei nicht von Walram, sondern in Hersfeld verfasst. Neueste Ausgabe: Waltrami ut videtur 1. de unit. Eccl. cons., rec. W. Schwenkenbecher, Hann. 1883. 8 (in den Scriptores rer. germ.).

Der Index der verbotenen Bücher. Bd.1

Подняться наверх