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8. Die Bulla Coenae Domini.
ОглавлениеBulla Coenae (oder in Coena) Domini (im Deutschen gewöhnlich Nachtmahlsbulle genannt, die richtige Uebersetzung wäre Gründonnerstagsbulle) heisst bekanntlich eine Bulle, welche früher in Rom alljährlich am Gründonnerstage feierlich verlesen wurde. Sie ist eine Zusammenstellung von Excommunicationen, welche im Laufe der Zeit von den Päpsten über bestimmte Classen von Personen verhängt worden; mitunter wurde die Excommunication einzelner Personen darin eingeschoben (s.o. S. 41). In ihrer ersten Fassung rührt sie von Urban V. (1364) her1); ihre spätere Fassung erhielt sie durch Julius II. im J. 1511, aber mehrere folgende Päpste haben sie im einzelnen modificirt und mehrfach erweitert.
In dem die Häretiker betreffenden Passus nennt Julius II. eine Anzahl von mittelalterlichen häretischen Parteien, auch „die Wiclefiten oder Husiten“2). Hadrian VI. fügte 1524 bei:
„und Martin Luther und diejenigen, welche die Bücher dieses Martinus oder irgendwelcher anderer derselben Secte ohne Unsere und des apostolischen Stuhles Autorität irgendwie lesen oder in ihren Häusern haben, drucken oder irgendwie vertheidigen, aus irgend einem Grunde, öffentlich oder heimlich, aus irgend welcher Absicht oder unter irgend welchem Vorwande“3).
In der Redaction Pauls III. vom 13. April 1536 (dieses ist die in dem Index Pauls IV. erwähnte Bulla Coenae Domini) lautet der Passus:
„Wir excommuniciren und anathematisiren . . alle Häretiker, die Katharer, Patarener …, auch diejenigen, welche der von Leo X. verdammten gottlosen und abscheulichen Ketzerei Martin Luthers anhangen und diesen irgendwie begünstigen, damit er nicht bestraft werden könne, und alle Häretiker, wie sie auch heissen mögen, und alle ihre Begünstiger und Beschützer und diejenigen, welche die Bücher jenes Martinus“ u. s. w., wie oben4).
In der Bulle Gregors XIII. vom 4. April 1583 wurde dieser Passus in folgender Weise modificirt und in dieser Fassung wurde er ohne nennenswerthe Aenderungen in den späteren Bullen beibehalten:
„Wir excommuniciren … alle Husiten, Wiclefiten, Lutheraner, Zwinglianer, Calvinisten, Hugenotten, Anabapstisten, (Anti-)Trinitarier (von Paul V. wurde 1610 beigefügt: „und die vom christlichen Glauben Abgefallenen“) und alle Häretiker, wie sie auch heissen und zu welcher Secte sie auch gehören mögen, und ihre Anhänger (eorum credentes), Beschützer und Gönner und überhaupt alle ihre Vertheidiger und diejenigen, welche ihre Bücher, die eine Ketzerei enthalten oder über Religion handeln, ohne Unsere und des apostolischen Stuhles Autorität wissentlich lesen oder behalten oder drucken oder irgendwie vertheidigen, aus irgend einem Grunde u. s. w., auch die Schismatiker und diejenigen, welche sich dem Gehorsam gegen Uns und den zeitigen Komischen Papst hartnäckig entziehen“1).
Seit Julius II. ist in der Bulle vorgeschrieben, alle Bischöfe sollten dieselbe wenigstens einmal jährlich feierlich publiciren, seit Gregor XIII. auch, alle Pfarrer, Seelsorger und Beichtväter sollten eine Abschrift oder einen Abdruck der Bulle besitzen und fleissig studiren. Die jährliche feierliche Publication der Bulle hat wohl auch im 16. Jahrhundert ausserhalb Italiens nur an wenigen Orten stattgefunden, — wo sie publicirt wurde, geschah es in der Regel, wie in Rom, am Gründonnerstage in der Kathedrale; — seitdem Pius V. eine Reihe von Excommunicationen beifügte, welche die Rechte der Kirche, wie er sie verstand, den weltlichen Regierungen gegenüber zur Geltung bringen sollten, wurde auch von katholischen Regenten die Publication verboten und von ihnen und von vielen Theologen und Kanonisten die Bulle als in ihren Ländern nicht verbindlich angesehen. In Rom aber und von den curialistischen Theologen und Canonisten ist die Bulle immer als ihrem ganzen Inhalte nach für die ganze Kirche rechtskräftig angesehen worden. Am 20. Sept. 1657 erklärten die Qualificatoren der Inquisition den Satz, die Bulle sei nach der wahrscheinlichen Meinung vieler in Belgien nicht recipirt, einstimmig für „falsch, verwegen, irrig, die Autorität des h. Vaters beeinträchtigend und den Weg zum Schisma bahnend“2), und wenn auch weder damals noch später eine diesem Gutachten entsprechende Erklärung publicirt worden ist, so gibt dasselbe doch unzweifelhaft die Römische Anschauung richtig wieder.
Wenn seit dem J. 1770 in Folge einer Anordnung Clemens’ XIV. die alljährliche Publication der Bulle auch in Rom nicht mehr stattfindet, so ist darum die Bulle nicht aufgehoben. Clemens XIV. beabsichtigte allerdings auch, die Bulle zu reformiren, er hat diesen Plan aber nicht ausgeführt1). Erst durch die Bulle Pius’ IX. vom 12. Oct. 18692) ist eine Anzahl von Bestimmungen der Gründonnerstagsbulle aufgehoben oder modificirt worden. Die auf die Häretiker und ihre Bücher bezügliche Bestimmung hat folgende Fassung erhalten:
„Der in besonderer Weise dem Papste reservirten Excommunicatio latae sententiae erklären Wir für verfallen: 1. alle vom christlichen Glauben Abgefallenen und alle und jegliche Häretiker, wie sie auch heissen und welcher Secte sie auch angehören mögen, und diejenigen, welche ihnen glauben, sie aufnehmen, begünstigen oder in irgend welcher Weise vertheidigen; 2. alle und jegliche, welche ohne Autorität des apostolischen Stuhles wissentlich Bücher der Abgefallenen oder Häretiker, welche die Häresie vertheidigen, oder Bücher irgend eines Schriftstellers, welche durch apostolische Schreiben namentlich verboten sind, lesen, behalten, drucken und in irgend welcher Weise vertheidigen.“
Die Excommunicatio, welche in den das Bücherwesen betreffenden Verordnungen angedroht wird, ist in der Regel wie in der Bulla Coenae die E. maior, welche nicht bloss, wie die E. minor, die Ausschliessung von den Sacramenten und die Unfähigkeit, ein Amt zu erlangen, sondern auch die Ausschliessung von dem öffentlichen Gottesdienste, die Versagung des kirchlichen Begräbnisses, den Verlust der Jurisdictionsrechte u. s. w. zur Folge hat3). Die E. ist ferner in der Regel latae (nicht ferendae) sententiae oder ipso facto incurrenda, d.h. wer die betreffende Verordnung übertritt, verfällt damit von selbst, ohne dass es eines Urtheils bedürfte, der Excommunication.
Die Excommunicationen der Bulla Coenae gehören endlich zu den dem Papste reservirten, d.h. zu denjenigen, von welchen nur der Papst selbst oder ein von ihm Bevollmächtigter lossprechen kann. Speciali modo reservirt heissen diejenigen, bei welchen diese Vollmacht nur für jeden einzelnen Fall ertheilt wird, während bei den anderen vielfach Bischöfe generell ermächtigt werden, im Namen des Papstes Joszusprechen. Nur ein Sterbender kann von jedem Priester von allen Excommunicationen losgesprochen werden4).
Der Jesuit Faure1) sagt: Die Censuren latae sententiae seien in älterer Zeit sehr selten gewesen, noch im Decrete Gratians komme kaum die eine oder andere vor, aber seit dem 13. Jahrhundert seien sie immer zahlreicher, zuletzt so gewöhnlich geworden, dass man sagen könne, nach dem Curialstil schliesse ein kirchliches Decret ebenso regelmässig mit der Clausel, worin die Exc. latae sent. angedroht werde, wie ein Psalm im Brevier mit dem Gloria Patri etc. oder einer Oration mit Per Dominum nostrum J. C. — Vor der Publication der Bulle Pius’ IX. zählten die Canonisten 110 Excommunicationes 1. s.; in dieser Bulle werden ausdrücklich noch 37, darunter 12 dem Papste speciell, 18 einfach reservirte, aufrecht erhalten, daneben aber noch manche, die nicht speciell verzeichnet sind2).
Ein charakteristisches Beispiel der ausgedehnten Anwendung der Exc. 1. s. ist ein Privilegium, welches vor der von Philipp Beroaldus besorgten Editio princeps der fünf ersten Bücher der Historiae des Tacitus vom J. 1516 steht: Leo X. verbietet den Nachdruck derselben unter Androhung der Excommunicatio latae sententiae; der Mailänder Drucker Alessandro Minuziano, welcher sich die Aushängebogen des Werkes verschaffte und es in demselben Jahre nachdruckte, wurde nach Rom citirt, die Sache aber durch Vermittlung der Mailänder Behörden beigelegt. Solcher Privilegien wurden in der Folge mehrere verliehen; denn im J. 1582 erliess Carl Borromeo für seine Kirchenprovinz eine Verordnung, worin der Nachdruck derjenigen Bücher verboten wurde, denen der Papst ein Privilegium unter Androhung der Excommunication verliehen3).
Die Ansichten der Casuisten über das Bücherverbot der Bulla Coenae werden gut zusammengefasst von Ferraris4): Um durch das Lesen eines Buches der durch die Bulle verhängten Excommunication zu verfallen, muss 1. das Buch von einem Häretiker verfasst sein, nicht etwa von einem Ungetauften oder von einem Katholiken, der nur aus Unvorsichtigkeit oder Unwissenheit eine Ketzerei ausgesprochen; 2. das Buch muss eine Häresie enthalten oder über Religion handeln; 3. der Leser muss wissen, dass das Buch von einem Häretiker verfasst ist und eine Häresie enthält oder über Religion handelt; 4. er muss das Buch ohne Erlaubniss des apostolischen Stuhles lesen; 5. er muss so viel lesen, wie zu einer Todsünde genügt. Wie viel das ist, darüber sind die Casuisten nicht einig: zu strenge, meint Ferraris, sei die Meinung des Toletus, dass eine bis zwei Zeilen genügen würden, zu lax die Meinung von Sanchez, Sa u.a., es müsse so viel sein, dass es für sich ein Buch ausmachen würde; andere meinen: eine Seite. Ferraris selbst ist der Ansicht, es lasse sich keine allgemeine Regel aufstellen; einige Zeilen zu lesen, die Ketzereien enthalten, sei schlimmer, als ganze Seiten zu lesen, die nichts Ketzerisches enthalten. Die Meinung, dass einzelne gedruckte Briefe, Predigten u. dgl. nicht als Bücher im Sinne der Bulle anzusehen seien, entbehrt nach Ferraris nicht der Probabilität1).
Durch die Bulle Pius’ IX. erleiden diese Bestimmungen einige Modificationen. Avanzini (a.a.O. S. 13) gibt folgende Erläuterungen: Man verfällt jetzt der dem Papste reservirten Excommunication durch das Lesen von Büchern, welche a. von Apostaten oder Häretikern verfasst sind, b. die Häresie enthalten und c. dieselbe vertheidigen, also nicht durch das Lesen von „Wochenschriften oder Tagesblättern, so lange sie in sich abgeschlossene Blätter bleiben, da sie nicht zu den Büchern zählen, auch nicht durch das Lesen von Büchern, welche die Häresie einfach lehren, ohne dieselbe zu vertheidigen, oder welche von Anhängern der Häretiker, die nicht formell zu ihrer Secte gehören; verfasst sind, wohl aber durch das Lesen von Büchern zur vertheidigung der Häresie, die von Katholiken verfasst sind, welche Freidenker, Ungläubige, Religionslose, Rationalisten, Spiritisten u. dgl. geworden sind, da diese als Apostaten gelten.“ — Einige weitere Bestimmungen werden später bei den Regeln des Index zu besprechen sein.
Die Ansicht, dass man in denjenigen Ländern, in welchen die Bulla Coenae (und der Trienter Index) gar nicht oder nicht ihrem ganzen Umfange nach recipirt sei, der auf das Lesen verbotener Bücher gesetzten Strafe nicht verfalle, wird u.a. von Gretser (1604) vorgetragen: Ein Gesetz, sagt Navarrus, verpflichtet nicht,.so lange es nicht von dem grössern Theile des Gemeinwesens (civitas), zu welchem der Uebertreter gehört, recipirt ist; denn es wurde doch, wie es scheint, unter der Voraussetzung promulgirt, dass es wenigstens von der Mehrheit angenommen werde. Zweitens ist eine Uebertretung eines menschlichen Gesetzes keine Sünde, wenn ein gerechter Grund dafür vorhanden ist; man hat aber einen gerechten Grund, ein Gesetz nicht zu beobachten, wenn man sieht, dass es von anderen nicht beobachtet wird und von Anfang an nicht beobachtet worden ist; denn da ein Gesetz den gemeinen Nutzen bezweckt, ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber einen einzelnen nicht verpflichten will, das zu beobachten, was seine Mitunterthanen von Anfang an nicht beobachtet haben. So Navarrus, fügt Gretser bei, und das ist wohl zu beachten als ein Heilmittel gegen viele Scrupel1). — Der Card. Albizzi führt noch andere curialistische Theologen und Canonisten an, welche dieselbe Ansicht vertreten, Sanchez, Becanus, Carena u. s. w. Er selbst aber — und er darf wohl als ein authentischer Zeuge für die Anschauung der Curie angesehen werden, — lehrt: alle päpstlichen Constitutionen verpflichteten alle Gläubigen, sobald sie vom Papste promulgirt und ihnen bekannt geworden, auch wenn sie in den einzelnen Provinzen nicht publicirt worden seien; das gelte auch von der Bulla Coenae, zumal dieselbe alljährlich in Rom vor einer grossen Menschenmenge aus allen Theilen der Welt publicirt werde2). Die Bulle selbst enthält auch die Bestimmung, dass sie in Rom an den Thüren der Laterankirche u. s. w. angeheftet werden solle, damit niemand sich damit entschuldigen könne, dass ihm ihr Inhalt nicht bekannt geworden, „da es nicht wahrscheinlich ist, dass das unbekannt bleiben sollte, was so offen allen publicirt wird“.
Wenn darüber gestritten wurde, ob die Bulle in gewissen katholischen Ländern publicirt oder recipirt sei, so ist dabei zu bemerken, dass Albizzi und andere sich für die Bejahung dieser Frage auf die Thatsache stützten, dass die Bulle von den Bischöfen publicirt oder den Beichtvätern zur Nachachtung mitgetheilt sei und von den geistlichen Behörden in praxi, wenigstens in foro conscientiae als verbindlich angesehen werde3), während die regalistischen Theologen und Canonisten behaupteten, die Bulle habe in den betreffenden Ländern keine rechtliche Geltung, weil sie nicht von den Regenten angenommen und ihre Publication angeordnet oder förmlich gestattet, vielmehr gegen die Bulle überhaupt oder gegen einzelne Bestimmungen derselben protestirt worden sei. Nicht erst im 18. Jahrhundert, als der Streit über die Bulle sehr lebhaft wurde, sondern auch schon um 1600 wurde von spanischen und neapolitanischen Regalisten, und zwar, wie Albizzi „mit Schaudern“ constatirt, nicht nur weltlichen, sondern auch geistlichen Standes, die Reception der Bulle in ihren Ländern geleugnet. So, wie es in der Bulle vorgeschrieben wird, alljährlich und feierlich, ist sie wohl ausserhalb Italiens überhaupt nicht und auch in einem grossen Theile von Italien nicht publicirt worden.
Vereinzelte Massregeln der Staatsregierungen gegen die Bulle kommen schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vor: 1536 wurde ein Commentar des französischen Juristen Pierre Rebuff über die Bulle confiscirt, und die Gens du Roi bemerken in ihrem Bericht an den Kanzler du Bourg, die Bulle enthalte vieles, was merveilleusement étrange sei1); 1551 verbot Karl V., die Bulle in Spanien zu drucken2). Aber die systematische Opposition begann erst unter Pius V. Die Bulle in der Fassung, welche sie durch diesen im J. 1568 erhielt, wurde von Philipp II. „retinirt“, d.h. der König verbot vorläufig ihre Publication, mit der Erklärung, er werde dem Papste Vorstellungen machen und ihn um Zurücknahme oder Abänderung der Bulle bitten,. — was aber nur die in Spanien übliche Form der Verweigerung des Exequatur war3).
Auch in Neapel wurde die Publication verboten und wurden den Bischöfen, die sie trotz des Verbotes publicirten, die Temporalien gesperrt. Bei einigen wurde die Sperre wieder aufgehoben, als sich herausstellte, dass sie vor dem Verbote und nicht die Bulle von 1568, sondern die von 1567 publicirt hatten; auch einige Drucker und Buchhändler, die wegen Verkaufs der Bulle verhaftet worden, wurden wieder freigelassen, weil sie nur die Bulle von 1567 verkauft hatten. Der Papst liess die Bulle den Beichtvätern aus den Orden durch ihre Generale zustellen4).
In Mailand und in den zur Kirchenprovinz Mailand gehörenden Bisthümern wurde die Bulle 1566 durch Carl Borromeo publicirt. Es wurden zwei Senatoren nach Spanien geschickt, um bei dem Könige dagegen Vorstellungen zu machen; dieser gab ihnen aber anheim, dem Papste ihre Bedenken vorzutragen. 1568 wurde die Bulle in Gegenwart des Governatore, des Senats und der höchsten Beamten zu Mailand publicirt. Diese scheinen freilich vorher nicht gewusst zu haben, worum es sich handelte. 1569 gestattete Pius V. Borromeo, die Bulle nur in Gegenwart der Pfarrer und Beichtväter zu publiciren, weil die Publication im J. 1568 „zu allerlei Deutungen Anlass gegeben“, und 1573 wurde Borromeo anheimgegeben, wenn die Publication auf Schwierigkeiten stosse, den Beichtvätern Abschriften zu übersenden. Die Publication fand jedoch in Mailand und den anderen Diöcesen 1573 und in den folgenden Jahren statt. Auf den von Borromeo gehaltenen Provincialsynoden von 1565, 1576 und 1578 wurde angeordnet, die Bulle in allen Beichtstühlen anzuheften. Einige Abschnitte der Bulle wurden alljährlich auch italienisch publicirt. Die Regierung hat alles dieses nicht genehmigt, aber geduldet1).
In Venedig publicirte Casa 1549 seinen Index mit der Erklärung, wer die darin verbotenen Bücher lese etc., verfalle der in B. C. ausgesprochenen Excommunication. Den Index Pauls IV., welcher die gleiche Bestimmung enthält, liess der Inquisitor zu Venedig dort 1559 unter Beifügung eines Auszuges aus der B. C. von 1558 abdrucken. Als aber die Bulle von 1568 erschien, verbot 1569 der Senat die Publication derselben und zeigte dieses dem Nuncius an; 1570 erklärte er, er würde die Publication gestattet haben, wenn der Bulle ein Breve über die Rechte der Fürsten beigefügt wäre. Am 19. April 1575 gestattete der Rath der Zehn, die Bulle am Gründonnerstag in den Domkirchen zu einer Zeit, wo niemand es höre oder darauf achte, zu verlesen. Die Publication fand aber an manchen Orten mit aller Feierlichkeit statt2).
Der König Sebastian von Portugal bat Gregor XIII. um eine Erklärung, dass die in seinem Lande bestehenden Gesetze von der B. C. nicht berührt werden sollten. Der Papst verlangte 1574 einen genauern Bericht über die Gesetze, gestattete aber vorläufig, dieselben, vorausgesetzt dass sie nicht den Trienter Decreten widersprächen, zu handhaben, ohne den Censuren der B. C. zu verfallen. Dabei wird es sein Bewenden gehabt haben. Philipp II. verbot 1582 die Publication der Bulle auch für Portugal3).
Im J. 1586 liess der Nuncius die Bulle in Prag publiciren und an den Kirchenthüren anheften und veranlasste den Erzbischof, sie drucken zu lassen. Kaiser Rudolf II. verbot darauf, die Bulle in Böhmen, Mähren und Schlesien zu publiciren. In Frankreich wurde die Publication 1580 verboten4).
1) Bull. I, 261.
2) Bull. I, 507: omnes haereticos, Gazaros (so im Bull., zu lesen ist Catharos, wie in der Bulle Nicolaus’ III. von 1280, Bull. I, 156, aus welcher diese Ketzernamen entnommen sind), Patarenos, Pauperes de Lugduno, Arnaldistas, Speronistas, Passagenos, Wiclefitas seu Hussitas, Fraticellos de Opinione nuncupatos et quoscumque alios haereticos ac omnes fautores, receptatores et defensores eorundem.
3) Zaccaria p. 139. Die Bulle Hadrians steht nicht im Bullarium.
4) Bull. I, 718.
1) Bull. II, 496. Die Bulle von Paul V. steht III, 281, die von Urban VIII. vom 1. April 1627 V, 125.
2) Albit. p. 316.
1) Theiner, Clemens XIV., I, 470.
2) Constitutio S. D. N. Pii IX., qua numerus censurarum latae sententiae restringitur, anfangend mit den Worten Apostolicae Sedis moderationi, abgedruckt in Acta et decreta Concilii Vaticani, Freib 1871, p. 77. Vgl. dazu K.-L. I, 1125, und P. Avanzini, Erklärungen zur Constitution Ap. Sedis, übers. v. H. Kömstedt, Münster 1873.
3) Schulte, Lehrbuch S. 370.
4) In der Bulle Julius’ II. heisst es: a quibus excommumcationibus nullus per alium quam per Rom. Pont., nisi duntaxat in mortis articulo constitutus, absolvi possit, nec etiam tunc, nisi de stando S. Rom. Ecclesiae mandatis satisfactione vel sufficienti cautione praestitis.
1) Commentarium p. 79, s.u. §. 17.
2) K.-L. I, 1125. 26.
3) Documenti inediti o rari delle relazioni fra lo Stato e la Chiesa, Rom 1881, I, 35.
4) Promta Biblioth. s. v. libri prohibiti n. 27; vgl. Albit. p. 287.
1) Der Jesuit Jak. Gretser (De jure et more prohibendi etc. Opera 13, 97) meint: da die Bulle nur vom Lesen ketzerischer Bücher spreche, so verfalle derjenige nicht der Excommunication, der einen andern ein solches Buch vorlesen höre; nur dürfe er diesen nicht dazu veranlasst haben, denn wenn Jemand sich durch seinen Bedienten ein Buch vorlesen lasse, so sei das so gut, als wenn er es mit eigenen Augen lese. Alphons Liguori (Homo apost. Tr. 19, c. 2, p. 3. n. 59) erklärt sogar die Ansicht für probabel, dass derjenige, welcher zuhöre, wenn ein anderer „auf seinen Befehl“ ein solches Buch vorlese, nicht der Excommunication verfalle, sogar nicht einmal sündige, falls keine Gefahr da sei, dass er von dem Anhören Schaden nehme. Ob der vorlesende Bediente in diesem Falle sündige und der Excommunication verfalle, davon sagt er nichts.
1) 1. c. Opp. 13, 98.
2) De inconst. p. 315. Die Ansicht von Gretser u.a., dass man in Deutschland u. s. w. der auf das Lesen verbotener Bücher gesetzten Excommunication nicht verfalle, wird noch von K. Martin, Moral, 4. Aufl. S. 320, u.a. vorgetragen. Im K.-L. I, 1127 wird aber bemerkt, nach der Promulgation der Bulle Pius’ IX. von 1869 sei diese Ansicht jedenfalls nicht mehr haltbar.
3) Der Erzbischof Hermann von Wied von Köln publicirte sie im J. 1515 in Folge einer speciellen Aufforderung Leo’s X. Hartzheim Conc. VI, 142. Zts. f.Ph. und kath. Th. 1839, H. 29, 151. Auf der Diöcesansynode zu Worms 1610 wurde verordnet, die literae processus die Coenae Dom. quotannis edi solitae sollten in den Beichtstühlen hangen, die Seelsorger sollten die Bulle studiren und zweimal im Jahre in der Predigt die Hauptpunkte derselben erläutern, namentlich die Excommunication derjenigen, welche die kirchliche Jurisdiction verletzen und das „Erbtheil Christi angreifen“, dabei aber auch gegen Wucherer und Blutschänder „losziehen“. Aehnlich die Diöcesansynode von Sitten 1626. Hartzheim VIII, 384. IX, 109.
1) Preuves des lib. de l’E. gall. I, 149.
2) V. de la Fuente, Hist. eccl. de España V, 318. Als Hadrian VI. 1522 die Charwoche in Zaragoza feierte, liess er die Bulle dort feierlich verlesen.
3) Vgl. M. Philippson in Hist. Zts. 1878, 39, 275. 312. 421.
4) Seabra II, 577.
1) Documenti inediti o rari delle relazioni fra lo Stato e la Chiesa I, 234. 239. 259. 269.
2) Cecchetti, La Rep. di Ven. e la Corte di Roma I, 448.
3) Seabra 11, 83. 89.
4) Preuves I, 153.