Читать книгу Jugendstrafrecht - Franz Streng - Страница 69

IV. Erziehungsberechtigte und gesetzlicher Vertreter

Оглавление

126

Die Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts beinhalten einen Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern[106]. Zu erinnern ist insbesondere an Art. 6 II GG: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft“. Rein pragmatisch spricht für eine nachdrückliche Respektierung der Elternrechte, dass die erzieherischen Ziele des Jugendstrafrechts am ehesten verwirklichbar sind, wenn die Eltern die Aktivitäten der Justiz bezüglich ihres Kindes unterstützen. Angesichts dieser Ausgangslage erkennt § 67 JGG die Eltern und den gesetzlichen Vertreter des Beschuldigten als Prozessbeteiligte mit selbstständigen prozessualen Rechten und Pflichten an[107]. Bei mehreren Erziehungsberechtigten kann jeder die genannten Rechte wahrnehmen, aber es reicht aus, wenn jeweils einer als Prozessbeteiligter zur Verfügung steht (§ 67 V JGG). – Dies gilt natürlich nur für den jugendlichen Beschuldigten, der noch der elterlichen Personensorge unterliegt, nicht aber für den schon 18-Jährigen als Volljährigen (vgl auch § 109 JGG).

127

Durch § 67 JGG wird eine Reihe prozessualer Rechte des Beschuldigten auf die Erziehungsberechtigten ausgedehnt:

Recht auf Gehör (§ 67 I); einschl. Recht auf das letzte Wort (Schlussvortrag gem. § 258 II 2. Hs. StPO);
Recht, Fragen und Anträge zu stellen (§ 67 I);
Recht, bei Untersuchungshandlungen anwesend zu sein (§ 67 III S. 1 – 2), soweit dies dem Wohl des Jugendlichen dient und die Anwesenheit das Strafverfahren nicht beeinträchtigt; hilfsweise ist einer anderen für den Schutz der Interessen des Jugendlichen geeigneten volljährigen Person die Anwesenheit zu gestatten (§ 67 III S. 3);
Recht zur Wahl eines Verteidigers (§ 67 II JGG iVm § 137 II StPO);
Recht auf Einlegung von Rechtsmitteln (§ 67 II; vgl § 55 II, III JGG).

Mitteilungen an den Beschuldigten sollen auch an den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertreter gerichtet werden (§ 67a I JGG). Ihnen ist auch die gem. § 70a JGG dem Jugendlichen zu gebende Unterrichtung über das Strafverfahren und über seine Verfahrensrechte zu übermitteln (§ 67a II, V JGG). Unterbleibt diese Übermittlung aus den in § 67a III JGG niedergelegten Gründen, ist gem. § 67a IV JGG eine andere für den Schutz der Interessen des Jugendlichen geeignete volljährige Person zu unterrichten.

128

Obwohl das nicht unmittelbar aus § 67 I JGG zu erschließen ist[108], geht die hM dahin, dass die Erziehungsberechtigten ein Recht auf Anwesenheit auch bei der polizeilichen Vernehmung des jugendlichen Beschuldigten haben[109]. Für eine derartige Rechtsposition spricht auch der neue § 2 I S. 2 JGG, der die „Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts“ im Verfahren einfordert. Die aktuelle PDV 382 von 1995 sieht dementsprechend in Nr 3.6.4 u. 3.6.5 ein Anwesenheitsrecht der Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters vor. Zudem verpflichtet die PDV (Nr 3.6.3) die Polizei grundsätzlich zur Mitteilung einer bevorstehenden Vernehmung an Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter[110]. Unverkennbar ist freilich, dass die Einbeziehung der Erziehungsberechtigten praktische Schwierigkeiten in der Durchführung der Vernehmung und letztlich auch eine verringerte Geständnisquote mit sich bringen kann. Deshalb nutzt die Polizei gerne auch weiterhin gegebene Möglichkeiten zur Vernehmung der jugendlichen Beschuldigten ohne Anwesenheit von Erziehungsberechtigten; etwa erlaubt die einschränkende Regelung in PDV 382 Nr 3.6.3 eine Rücksichtnahme auf „kriminaltaktische Erwägungen“.

129

Aus § 67 I JGG lässt sich ein Recht auf Anwesenheit des Erziehungsberechtigten des Beschuldigten bei im Vorverfahren durchgeführten Untersuchungshandlungen, etwa staatsanwaltlichen oder richterlichen Zeugenvernehmungen, ableiten; insoweit gilt die Benachrichtigungspflicht des § 168c V StPO[111]. Besondere Bedeutung hat das Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung. Der Vorsitzende soll Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter daher zur Hauptverhandlung laden lassen (§ 50 II JGG); dies ist schon deshalb ratsam, weil eine Nichtbeachtung von § 50 II S. 1 JGG einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht des Gerichts darstellen kann[112]. Bleiben geladene Erziehungspersonen – was häufig der Fall ist[113] – unentschuldigt fern, kann gem. § 50 II S. 2 JGG iVm § 51 I StPO wie gegen ferngebliebene Zeugen vorgegangen werden (Ordnungsgeld, Ordnungshaft, zwangsweise Vorführung, Auferlegung der entstandenen Kosten).

130

Wenn ein Erziehungsberechtigter oder gesetzlicher Vertreter anwesend ist, hat der Richter ihm gem. § 67 I JGG iVm § 258 II, III StPO das letzte Wort zu gewähren[114]. Unterbleibt dies, liegt hierin ein revisibler Verfahrensfehler iSv § 337 StPO auch dann, wenn der Erziehungsberechtigte nicht um das Erteilen des letzten Wortes gebeten hatte; denn die Erteilung des letzten Wortes hat von Amts wegen zu erfolgen[115]. Um sich die Revisionsmöglichkeit zu erhalten, muss in diesem Falle nicht zuvor die Sachleitung des Vorsitzenden gem. § 238 II StPO gerügt worden sein[116]. Der Rechtsfehler kann sich insbesondere auf das Strafmaß oder auf die Reifeentscheidung gem. § 3 JGG ausgewirkt haben[117], weshalb das Urteil dann iSv § 337 I StPO „auf der Verletzung des Gesetzes beruht“. Für diese Erfüllung von § 337 I StPO genügt nach der Rechtsprechung des BGH „die bloße Möglichkeit des Beruhens. Sie wird sich nur selten ausschließen lassen“[118].

131

Sind der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter verdächtig, an den Verfehlungen des Jugendlichen beteiligt gewesen zu sein oder ist einer von ihnen wegen Beteiligung an der Tat des Jugendlichen verurteilt, dann kann der Richter dem Betreffenden die genannten Rechte ganz oder teilweise entziehen (Näheres in § 67 IV JGG[119]). Geschieht dies gegen den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertreter gleichermaßen, dann bedarf der insoweit ganz unterstützungslos gewordene Jugendliche anderweitiger Hilfe; daher liegt gem. § 68 Nr 2 JGG ein Fall notwendiger Verteidigung vor und es hat gem. § 67 IV S. 3 JGG das Familiengericht einen (Prozess-)Pfleger zu bestellen.

Teil III Jugendgerichtsverfassung, Beteiligte und Verfahren§ 6 Jugendgerichtsverfassung und Verfahrensbeteiligte › V. Strafverteidiger

Jugendstrafrecht

Подняться наверх