Читать книгу Das Tal der Feuergeister - Franziska Hartmann - Страница 10
SIEBEN
ОглавлениеIch blinzelte ein paarmal. Vor uns stand eine kleine Hütte. Die Bruchsteine des Mauerwerks waren von Moos und Efeu überwuchert und durch die Schlitze der hölzernen Fensterläden drang schummriges Licht.
Cuinn ließ meine Beine los, sodass ich von seinem Rücken herunterrutschen konnte. Er trat an die bogenförmige Haustür und klopfte an. Auf Augenhöhe war ein kleines Guckloch in die Holztür eingelassen, das von innen mit einer Holzscheibe verschlossen schien. Nun wurde die Scheibe jedoch beiseitegeschoben. Für einen kurzen Moment schimmerte das Dämmerlicht durch das Löchlein, wurde dann jedoch verdeckt, als jemand hindurchlugte. Die Scheibe fiel zurück vor das Loch und als nächstes hörte ich, wie Riegel verschoben wurden und Ketten rasselten. Die Tür sprang auf und vor uns stand eine kleine alte Frau. Sie hatte eine rundliche Figur und trug ihr grauweißes Haar zu einem Zopf gebunden. Ihr langärmliges Leinenkleid sah im knappen Licht graugrün aus und sie trug darüber eine Schürze.
„Mein Junge!“, rief sie aus und fiel Cuinn um den Hals. Dann trat sie wieder einen Schritt zurück und zupfte an Cuinns zerschlissenem Hemd. „Wie siehst du denn aus? Hast du dich mit einem Wolf angelegt?“
„Eine Aquare“, antwortete Cuinn.
Die Frau schüttelte den Kopf. Dann blieb ihr Blick an mir hängen. „Und wen hast du da mitgebracht? So ein hübsches Mädchen.“
Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg.
„Katja, eine Freundin“, erklärte Cuinn. „Sie hat mich nach Hause gebracht.“
„Nach Hause gebracht? Das klingt nach einer längeren Geschichte.“ Die Dame trat beiseite und machte mit ihrem Arm eine einladende Geste gen Tür. „Nun, kommt rein, kommt rein! Ihr solltet hier nicht im Dunkeln stehen. Habt ihr schon gegessen? Ich bin gerade am Kochen. Wie immer habe ich viel zu viel vorbereitet, also fühlt euch herzlich zum Essen eingeladen. Dann könnt ihr mir alles erzählen.“
Sowie ich die Hütte betrat, stieg mir ein herrlicher pikanter Duft in die Nase. Ich hätte wetten können, dass dort irgendwo ein saftiger würziger Braten im Ofen schmorte.
Das Häuschen wirkte von innen viel größer als von außen. Zu meiner Rechten breitete sich eine gemütliche Sitzecke aus mit einem rechteckigen Tisch, den eine kleine grüne Tischdecke sowie eine Tonvase mit bunten Wiesenblumen zierten. Rundherum standen vier hölzerne Stühle, die mit passend grünen Sitzkissen komfortabler gestaltet waren. Geradeaus fand ich die Kochstelle, ein höchst altertümlich anmutendes Gebilde aus Steinen, wie ich es sonst nur aus Geschichtsbüchern kannte. Daneben führte eine Treppe in den Keller und zu meiner Linken verdeckte ein großes Bücherregal die Wand. Bücher, die keinen Platz mehr in dem vollgestopften Regal gefunden hatten, häuften sich in hohen Stapeln davor. Neben dem Feuer in der Kochstelle wurde der Raum nur von zwei Laternen in den hinteren Ecken beleuchtet.
„Setzt euch!“, bat die Frau und zeigte zu der Sitzecke.
Cuinn und ich taten, wie uns geheißen, während die Frau zur Kochstelle lief und einen Teekessel aufsetzte. Sie nahm drei Tassen aus einem Schränkchen neben dem Herd und brachte sie uns.
„Nun, bevor ich euch ausfrage, solltest du mich deiner Freundin wohl erst einmal vorstellen, Cuinn. Sofern du das noch nicht getan hast“, schlug die Dame vor, während sie jedem von uns eine Tasse vor die Nase stellte und sich dann zu uns setzte.
„Natürlich“, sagte Cuinn und räusperte sich kurz, bevor er fortfuhr. „Katja, das ist Kayla. Quasi mein Zufluchtsort in diesem Wald, mein Zuhause.“
Ich nickte, lächelte Kayla schüchtern zu und sagte: „Freut mich sehr.“
Sein Zuhause? War Kayla seine Mutter? Seine Großmutter?
„Ihr seid also verwandt?“, fragte ich unsicher.
Kayla wedelte abweisend mit ihren Händen. „Nein, nein. Ich habe ihn damals gefunden, als er vor dem Feuer geflohen ist und sich im Wald verirrt hat.“
„Kayla“, warf Cuinn in mahnendem Ton ein. „Das ist nicht die passende Zeit für Kindheitsgeschichten.“
Die Verblüffung stand Kayla ins Gesicht geschrieben. „Du hast ihr die Geschichte nicht erzählt?“
„Welche Geschichte?“, fragte ich neugierig.
Cuinns Miene war plötzlich wie versteinert, seine Lippen zu einem schmalen Strich aufeinandergepresst und sein Blick starr auf die Blumenvase gerichtet.
„Später“, wich Kayla aus. Ihr war Cuinns unheimlicher Wandel auch nicht entgangen. Sie stand auf, um den Tee zu holen und schenkte uns ein. Ich konnte es kaum erwarten, meinen Körper mit wohltuendem Tee zu wärmen, doch als ich an der Tasse nippte, verbrannte ich mir natürlich nur Lippen und Zunge.
„Du warst lange nicht mehr hier“, bemerkte Kayla. Betrübt blickte sie auf die Teetasse herab, die sie in ihren Händen hin und her drehte. „Ich habe von Lou gehört. Oder sagen wir eher: Ich habe gespürt, wie ihr Licht erloschen ist. Was ist passiert?“
Das war eine Frage, die ich bisher nicht zu stellen gewagt hatte. Ich wusste, dass Cuinn und Lou in einen Kampf mit Feargal verwickelt worden waren, doch wie und was genau sich zugetragen hatte, davon hatte ich keine Ahnung.
Das Thema trug nicht gerade zur Erhellung Cuinns Stimmung bei. Für einen Augenblick starrte er weiter auf die Blumenvase. Dann atmete er tief ein und begann zu erzählen: „Ein Jäger hatte uns entdeckt und wir haben seine Fähigkeiten unterschätzt. Es scheint, dass Feargal die Waffen der Menschen allesamt mit starken Zaubern belegt hat. Unsere Unvorsichtigkeit hat dazu geführt, dass Lou von einem Pfeil schwer verwundet wurde.“
„Was genau meinst du mit starkem Zauber?“, wollte Kayla wissen.
„Der Pfeil hat meine Schutzzauber mühelos durchbrochen. Normalerweise sollte er dabei zu Staub zerfallen“, erklärte Cuinn, wobei er den zweiten Satz eher an mich Magie-Newbie richtete. „Um genau zu sein, war es also meine Unvorsichtigkeit. Lou hat sich auf mich verlassen, ich habe versagt.“
Kayla legte eine Hand auf Cuinns Arm. „Zieh dir diesen Schuh nicht an. Lou würde nicht wollen, dass du dir die Schuld an ihrem Tod gibst.“
Ich konnte Cuinns gequältem Gesichtsausdruck entnehmen, dass er sich trotzdem die Schuld gab.
„Jedenfalls“, fuhr Cuinn fort, offensichtlich, um von der Schuldfrage abzulenken, „ließ sich Feargal diese Gelegenheit nicht entgehen. Ein schwer verwundeter Drache, wann bekommt er schon mal so eine Gelegenheit.“
„Er hat sich persönlich blicken lassen?“, fragte Kayla interessiert. „Ihr habt gekämpft?“
Cuinn nickte langsam. „Hast du etwas gehört? Weißt du, was aus ihm geworden ist?“
„Nun, da weiterhin Jäger im Wald unterwegs sind, die von ihm gesandt wurden, scheint es ihm nicht allzu schlecht zu gehen. Aber weißt du das nicht selbst? Du warst schließlich bei ihm.“ Kayla zog irritiert die Augenbrauen zusammen.
Cuinn und ich wechselten einen Blick. Ab hier kannte ich die Geschichte. Es war der Moment, in dem er irgendwie in meine Welt gelangt war. Er erzählte, wie er in meinem Wohnzimmer aufgewacht war, meiner hysterischen Mutter begegnet war, im Krankenhaus versorgt worden war, versucht hatte fortzulaufen und schließlich mit mir ans Meer gefahren war, um Chloe aufzusuchen. Ich konnte mir ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen, als er voller Verwunderung und einer Mischung aus Ehrfurcht und Begeisterung von Autos, Bahnen, Fahrstühlen und Automatiktüren berichtete. Gleichzeitig überkam mich beim Gedanken an all diese vertrauten Dinge Heimweh. Ich war gerade mal ein paar Tage in Glenbláth, doch es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Was meine Mutter wohl grad machte? Meine Mutter! Sie musste sich riesige Sorgen machen. Ich war einfach so verschwunden und das schon seit zwei Tagen. Vielleicht sogar noch länger! Verlief die Zeit hier vielleicht langsamer als auf der Erde? Oder schneller? Einstein hätte es mir eventuell sagen können. Aber auch nur, wenn er gewusst hätte, wo im Universum ich mich befand. War ich überhaupt in unserem Universum? Oder in einem Paralleluniversum? Kurz durchzuckte mich der Gedanke, dass ich eindeutig zu viele Science-Fiction-Filme gesehen hatte, bis ich mich daran erinnerte, dass ich gerade mit einem Magier unterwegs war. Im Moment schien mir einfach alles möglich.
Cuinn beendete seine Erzählung an dem Punkt, als wir Lou in der Höhle aufgesucht hatten und Cuinn nichts mehr für sie hatte tun können. Es fiel ihm sichtlich schwer, darüber zu sprechen. Seine Stimme klang kratzig, sein Körper war angespannt und die Worte kamen nur mühevoll über seine Lippen. Danach versank er wieder in nachdenklicher Stille, physisch zwar anwesend, aber doch so fern.
Nach einer Weile unterbrach Kayla das Schweigen und schlug ein anderes Thema an. „Und du kommst also aus dieser fernen Welt.“ Sie musterte mich mit einem neugierigen Blick.
Ich nickte. Es war seltsam, dass meine Heimat bei anderen solch eine Bewunderung auslöste. Ich fand meinen Wohnort immer eher trist, grau und langweilig. Wobei ich mir während der letzten Tage so manchen Vorzügen der Großstadt bewusst geworden war. Und wenn es nur vernünftige Toiletten waren. Und Flüsse, in denen keine Aquare auftauchten.
„Wie gefällt dir Glenbláth?“, fragte Kayla und nippte an ihrem Tee.
„Es ist“, ich suchte nach dem passenden Wort, dachte an die wirklich bezaubernde Natur, an die aufregenden Geschöpfe, die hier in dem Wald lebten, gleichzeitig an die beiden Male, die ich nur knapp dem Tod entronnen war, meinen Hunger, meinen Durst und meinen schmerzenden Körper, „ungewohnt.“
Kayla lachte. Sie stand auf und ging zum Ofen. „Die Stadt ist das Grauen“, sagte sie, während sie mit zwei Stofflappen eine große ovale Form aus Ton aus dem Ofen zog und auf dem Herd abstellte. Sie sammelte Teller und Besteck zusammen und kehrte zu uns zurück, um den Tisch zu decken. „Aber du hast das Glück, dich im Herzen Glenbláths zu befinden“, fuhr Kayla fort und sah mir dabei direkt in die Augen. „Mit diesem Ort ist es wie mit den Menschen. Wahre Schönheit erkennt man oft nicht auf den ersten Blick. Aber erhaschst du einen Blick tief in ihr Herz“, Kayla legte sich eine Hand auf die Brust, „dann erkennst du, wie wundervoll sie sind. Glaub mir, je mehr Zeit du hier im Wald verbringst, desto mehr wirst du dich in ihn verlieben.“
Ich lächelte, obwohl ich mir kaum vorstellen konnte, dass ich je mit all den Gefahren, die hier lauerten, klar kommen würde. Ehrlich gesagt, hatte ich mir bisher auch noch keine Gedanken darum gemacht, mich ernsthaft mit diesen Gefahren zu arrangieren. Wenn alles gut ging, würde ich schließlich bald wieder fort von hier sein.
Als Kayla den Bräter an den Tisch brachte, lief mir förmlich das Wasser im Munde zusammen. Der knusprig gebräunte Braten verströmte seinen Duft nun noch intensiver und das bunte Gemüse, das das Fleisch umrandete, verwandelte das Gericht in einen wahren Augenschmaus. Ich glaubte, Möhren, Pilze, Paprika und Kartoffeln zu erkennen, außerdem ein paar nicht identifizierbare Gemüsesorten, die vielleicht auch nur in Glenbláth wuchsen und mir deshalb unbekannt waren.
Kayla schnitt den Braten mit einem scharfen Messer in dicke Scheiben und reichte mir dann einen Löffel und eine Gabel zum Auffüllen. „Schlag zu, ich hoffe, es wird euch schmecken.“
Dankbar nahm ich das Besteck entgegen, und füllte mir eine Scheibe des Fleisches, sowie zwei Löffel Gemüse auf.
„Nicht so bescheiden, meine Liebe“, sagte Kayla und riss mir das Besteck wieder aus der Hand, um zwei weitere Scheiben Fleisch und eine gehörige Portion Grünzeug auf meinen Teller zu häufen. Mit großen Augen starrte ich auf meinen randvoll gefüllten Teller. Unter normalen Umständen wäre ich mir sicher gewesen, diesen Teller nie leeren zu können. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass ich hungrig war, seit wir Glenbláth betreten hatten, traute ich mir durchaus zu, die ganze Portion innerhalb weniger Minuten zu verschlingen.
Sie reichte das Auffüllbesteck Cuinn. Als dieser nicht reagierte, füllte sie auch ihm auf und schließlich sich selbst.
„Nun iss schon!“, ermahnte Kayla Cuinn. „Ich wette, eure letzte vernünftige Mahlzeit ist eine Weile her und ihr seid sicher nur auf Durchreise hier. Iss dich satt, damit du gestärkt bist für eure weitere Reise. Wo wollt ihr überhaupt hin?“
Cuinn hatte die Dracheneier auf dem Feuerberg noch nicht erwähnt. Er nahm endlich seine Gabel in die Hand und stocherte in seinem Essen herum. „Lou hat die Dracheneier an Créla übergeben.“ Er schob sich ein Stück Gemüse in den Mund und sah beim Kauen so aus, als wolle er es am liebsten sofort wieder ausspucken.
Mir hingegen schmeckte das Essen ganz vorzüglich. Ich bekam schon fast ein schlechtes Gewissen allein davon, mit meinem Mordsappetit neben dem niedergeschlagenen Cuinn zu sitzen.
Ich wusste nicht was, aber irgendetwas schien an Cuinns Aussage amüsant zu sein, denn ein leichtes Lächeln stahl sich auf Kaylas Lippen. „Ich habe dir immer gesagt, du wirst nicht ewig davonlaufen können.“
„Wovor davonlaufen?“, fragte ich.
Kayla blickte mich nahezu entgeistert an. „Sie weiß wirklich gar nichts über dich, oder?“, fragte sie dann an Cuinn gewandt.
Da wurde ich hellhörig. „Sollte ich mehr über ihn wissen?“
Cuinn funkelte sowohl Kayla als auch mich böse an. „Nein. Ich habe es bisher nicht für nötig erachtet, Katja über Dinge zu informieren, die sie erstens nichts angehen und zweitens weit in der Vergangenheit liegen. Sie ist nur auf der Durchreise und wird bald wieder zu Hause sein. Es gibt nichts, was sie dafür über mich wissen müsste.“
Kayla schüttelte den Kopf. „Würden diese Dinge weit in der Vergangenheit liegen, würden sie dir nicht jetzt gerade so zu schaffen machen. Und Katja muss dich zum Feuertal begleiten, um eine Chance auf ihre Heimkehr zu bekommen. Spätestens dort wirst du ihr einiges erklären müssen.“
„Mir wäre es lieber, wenn mir jetzt irgendwer alles erklären würde. Ich verstehe gar nichts“, warf ich ein, um darauf aufmerksam zu machen, dass ich auch mit am Tisch saß.
Cuinn ließ sein Besteck fallen und stand mit einem Ruck auf. „Vielen Dank für das Essen“, sagte er, eilte zur Treppe und stieg die Stufen hinab.
Stille.
„Es tut mir leid“, brach Kayla das Schweigen nach einer Weile. „Ich würde ihm so gerne helfen, seine Vergangenheit zu überwinden, aber wahrscheinlich mache ich ihm zu viel Druck.“
„Welche Vergangenheit? Wenn er nicht darüber sprechen kann, erzähl du es mir“, schlug ich vor.
„Ich weiß nicht. Wenn er nicht dazu bereit ist, ist es vielleicht keine gute Idee, wenn du es von mir erfährst.“
„Du meintest gerade, ich würde es spätestens dann erfahren, wenn wir das Feuertal erreicht haben. Ich wäre gerne darauf vorbereitet“, versuchte ich, sie zu überreden.
Sie seufzte. Was verbarg Cuinn vor mir? Was war so Schreckliches vorgefallen, dass er nicht darüber reden konnte?
„Sein Verhältnis zu den Feuergeistern ist nicht besonders gut“, begann Kayla zögerlich. „Es ist eine große Herausforderung für ihn, dorthin zu gehen. Und gleichzeitig eine große Chance, sich mit ihnen zu versöhnen.“
„Was ist geschehen, dass sie sich zerstritten haben?“
Kayla sah mich gequält an. „Liebes, ich würde dir gerne mehr erzählen. Aber das sollte Cuinn wirklich selbst machen. Wichtig ist nur, dass du weißt, wie schwer ihm dieser Weg fällt. Achte etwas auf ihn. Ich bin froh, dass er dich an seiner Seite hat.“
Die Antwort empfand ich als höchst unbefriedigend, aber ich konnte sie auch verstehen. Schließlich wollte ich nicht, dass Cuinn sauer auf Kayla war, wenn sie mir von seiner Geschichte erzählen würde.
Stumm leerte ich meinen Teller und bedankte mich für die Gastfreundschaft.
„Wenn du magst, lasse ich dir ein Bad ein“, bot Kayla an. „Ich habe da etwas, das könnte dir gegen die Waldfeemale auf deiner Haut helfen, ein selbstgemachter Badezusatz.“
Erst jetzt kamen mir wieder die roten Flecken in den Sinn, die meinen Körper übersäten. Und der Gedanke an ein warmes, entspannendes Bad war unwiderstehlich verlockend. Also willigte ich ein.
„Ich bereite dir das Bad vor. Du kannst dich so lange gerne an meinem Bücherregal bedienen.“ Kayla nickte zur anderen Seite des Raumes, wo sich die Bücher häuften und verschwand dann wie Cuinn zuvor im Keller.
Ich schlenderte zum Bücherregal hinüber und ließ meinen Blick über die Titel auf den Buchrücken gleiten. Teilweise waren sie in Sprachen und Schriften verfasst, die ich nicht verstand. Die, die ich verstand, beschränkten sich größtenteils auf Kräuterkunde und Medizin. Schließlich blätterte ich in Die Geschichte Glenbláths. Es war ein dicker Wälzer. Die Schrift war schnörkelig, hübsch anzusehen, aber dafür nur schwer zu entziffern. Deshalb konzentrierte ich mich mehr auf die Bilder, die jede zweite Seite einnahmen. Sie zeigten meist Gebäude – kleine Hütten, prachtvolle Burgen – und auch den See, an dem Cuinn und ich vorbeigelaufen waren, bevor wir den Wald erreicht hatten, erkannte ich auf so manchem Bild wieder. Nach einer Weile schlichen sich Drachen und elfenartige Wesen auf die Darstellungen. Es folgten grausige Rituale. Eine Abbildung eines geköpften Säuglings jagte mir Schauer über den Rücken. Schnell blätterte ich weiter und blickte auf eine Frau, die in hoch lodernden Flammen stand, mit furchtsam weit aufgerissenen Augen und Mund. Ich konnte ihre Schreie förmlich hören.
„Das Bad ist fertig.“
Kaylas Stimme erschreckte mich so sehr, dass mir das Buch aus der Hand fiel.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Scheint mir, als hättest du ein Buch gefunden, dass dich in seinen Bann ziehen kann.“
Oh ja, das hatte ich. Für meinen Geschmack hatte es mich ein wenig zu sehr in seinen Bann gezogen. Ich sammelte das Buch vom Boden auf, klappte es zu und schob es wieder zurück in die einzige Lücke im Regal. Diese Bilder würden mich durch die Nacht begleiten und mir düstere Albträume bescheren.
„Ich habe dir ein Nachtkleid und frische Kleidung für morgen neben die Wanne gelegt“, teilte Kayla mir mit, während sie sich daran machte, den Esstisch aufzuräumen. „Wenn du runter gehst, die zweite Tür rechts.“
„Vielen Dank“, murmelte ich, in meinem Kopf noch immer den schrecklichen Gesichtsausdruck der in Flammen stehenden Frau. Ich tapste die Stufen in den Keller hinunter und hoffte, dass mich das warme Bad auf andere Gedanken bringen würde.