Читать книгу Im Kraftstrom des Satan-Seth - Frater Eremor - Страница 10
Religion
Selbstverschuldete Unfreiheit des Menschen?
ОглавлениеDu sollst keine anderen Götter anblähen neben mir.
James Joyce
Satanismus wurde oftmals beschrieben als Atheismus mit einer Prise Ritual. Der Atheismus geht, ähnlich wie andere Formen der Religionskritik, von einer selbstverschuldeten Unfreiheit des Menschen aus. Indem der Mensch aufgrund seines fehlerhaften Wesens seine Anlagen, sowohl positive als auch negative, in eine Gottheit projiziert, begibt er sich selbst in starre Unfähigkeit zu handeln. Wo einmal Selbstvertrauen war, ist nun nur noch Gottvertrauen und Gott bestimmt das Leben der Gläubigen. Dem Atheismus zufolge wird der Mensch durch ein Phantasiewesen, das er selbst geschaffen hat, gesteuert.
Man vergleiche aber kritisch die magische Maxime, daß alles was der menschlichen Psyche entspringt und den Willen des Menschen widerspiegelt, im wahrsten Sinne des Wortes „göttlich“, weil schöpferisch, ist. Wohlgemerkt sollte man hier den Willen nicht mit einem aus einer Laune entsprungenen „ich möchte gern“ verwechseln. Doch seitdem es Menschen gibt, existieren Götter, ob real existent oder als Phantasiewesen. Es ist naheliegend, daß der Wille und das Verlangen nach dem Wissen um ein „Höheres Sein“, das so alt ist wie die Menschheit, weder aus einer Bierlaune, noch aus abnormalen pathologischen Mustern entstanden ist. An der Frage nach Gott und damit nach dem Sinn es Lebens beißt sich der Mensch bereits die Zähne aus, seit er Zähne hat. Das Verhalten des religiösen Menschen ist manchmal vergleichbar mit dem eines Autofahrers, der auf der Autobahn bei Tempo 100 (der Umwelt zuliebe) das Lenkrad losläßt und auf Gott vertraut, daß dieser ihn schon sicher ans Ziel bringen wird. Uns ist völlig klar, daß dieser Fahrer sein gläubiges Leben an einer Leitplanke beenden wird, woran er dann noch nicht einmal schuldig ist, war es doch Vorsehung und Gottes Wille.
An diesem Punkt unserer Überlegungen ist eine vom Atheismus ausgehende Definition von Gott und menschlicher Freiheit vonnöten.
Als Gott bezeichnet der Atheist eine Massenpsychose, die Summe allen projizierten Lebens aus der immanenten Welt in eine transzendente Leere/Lehre. Die projizierten „Wesen“ verlieren ihre Individualität, werden grobmaschig zusammenaddiert zur höchsten Instanz Gott. Als menschliche Freiheit nehmen wir ein “aus sich selbst heraus“ Entscheiden- und Handeln-Können an, das Zusammenspiel zwischen Motivation und Tat des Einzelnen. Freiheit ist etwas Feines und Individuelles, während Gott etwas Grobes, Allgemeines darstellt. Gott unterbricht die Kette zwischen Motivation als Ausdruck eines „ich will“ und dem Handeln. Hier geht der Glauben des Atheismus in die Erfahrungswerte der Tiefenpsychologie über. Auch der Atheismus ist ein Glauben, denn die Nicht-Existenz Gottes ist ebenso unbeweisbar wie seine Existenz (aber Gott sei dank sind wir ja transzendentale Atheisten und wissen, was recht ist). Die ureigene, individuelle Motivation wird unterdrückt, um den Willen Gottes zu erfüllen. Sein Wille bestimmt das Handeln. Nietzsche sagt: „Gott ist von einer der Würde des Menschen unverträglichen Größe.“ Der sich aufbäumende und rebellierende, unterdrückte eigene Willen kann zu einem fundamentalen Selbsthaß des Individuums führen, wenn es sich nicht befreit. Diese Selbstverachtung wird auf die Umwelt projiziert, es entsteht das fatale Paradoxon „Menschenhaß – Gottesliebe“. Über die Vorzüge des Glaubens im christlichen Sinne (ewiges Leben etc.) ergibt sich das Bild einer Haßliebe für Gott, die daraus gespeist wird, daß der Mensch sich, um an der Macht Gottes zu partizipieren, völlig dieser Macht unterwirft. Dieser Widerspruch existiert jedoch nicht nur zwischen Gottesgläubigkeit und innerer Freiheit. Bei der obigen Reaktionskette sind ebenso gültig statt Gott gesellschaftliche Normen oder ideologische Systeme einsetzbar.
Die oben beschrieben Haßliebe gleicht der, die Kinder oft gegenüber ihren Eltern entwickeln.
Wird aus der Projektionsfläche Gott jedoch ein Spiegel Gott, der die projizierten Dinge zurückspiegelt mit all ihren subtilen und filigranen Anlagen, so verliert sich keine Kraft im „Jenseits“ (Pantheismus als vornehmste Form des Atheismus). Der Mensch begibt sich nicht seiner Handlungsfähigkeit. Diese scheinbar sinnlose Hin- und Herprojiziererei bringt eine Heiligung aller existierenden Körper, Kräfte und Beziehungen zwischen ihnen mit sich. Achtung, Würde und Bedeutung werden dem Leben zurückgegeben, denn alles ist göttlich und jede Kraft enthält etwas von der anderen Kraft.
Die Projektion als Hilfsmittel zum Verständnis des Verbindungen zwischen den Dingen war und ist eine bewußte Transaktion. Das Wissen um den tiefenpsychologischen Hintergrund schließt jedoch einen religiösen Anspruch nicht aus.
Religion schließt menschliche Freiheit nicht in jedem Fall aus. So, wie nach dem Atheismus die Konzentration auf das Jenseits eine Abhängigkeit von der Religion bewirken kann, so kann die Religion dem Menschen jedoch auch die menschliche Freiheit und Würde zurückgeben, die er aufgrund von diesseitigen Zwängen verloren hat.
Und die Freiheit steht möglicherweise vor den Religionen, vor der Wissenschaft, sogar vor der Wahrheit.