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Kapitel 5
ОглавлениеNicht ein guter Mensch, sondern Gott zu werden, daß ist das Ziel.
Plotin
Dieses Kapitel trägt die feurige, marsische Zahl „5“, da die Fünf über die scheinbare Vollkommenheit und Sicherheit der Vier triumphiert, ihre Begrenzung sprengt. Sie korrespondiert mit des Menschen Fall aus dem Paradies und der Pubertät, dem Erwachen des Geschlechtstriebs, der Bewußtwerdung der Eigenperson, dem Morgengrauen einer ureigenen Sicht der Dinge. Somit ist in ihr ein geheimer Schlüssel zur Initiation verborgen und versiegelt.
Wir werden heute nicht in einer Welt geboren, in der wir uns täglich gegen widrige Naturgewalten, Stürme, Erdbeben, feindliche Menschen, die uns nach dem Leben trachten, wilde Tiere und Krankheiten behaupten müssen. Der (Über-)Lebenskampf findet heute subtiler statt. Die Nahrung, die einstmals mit eigenen Waffen erlegt wurde (oder für Vegetarier: mit eigenen Händen gewaltfrei gesammelt), wartet heute vakuumverpackt im Supermarkt auf uns, die wenigsten von uns haben das Haus, in dem sie wohnen, mit eigenen Händen gebaut. Die überlebenswichtigen Güter sind verfügbar, wir können sie kaufen und noch viel mehr Luxus darüber hinaus.
Voraussetzung ist jedoch, daß wir genug Geld haben.
Dieses Geld muß mit eigenen Händen erwirtschaftet werden; fehlt es eines Tages, so erfaßt uns eine ähnliche Existenzangst, als wenn vor tausend Jahren ein Unwetter die Ernte verdorben hätte. Der Kampf ums Überleben wird begleitet von dem Ringen um Anerkennung, Liebe und Macht; sei es nun in unserem Beruf beim Sport, beim Werben um das Objekt unserer Begierde, im Freundeskreis oder auch in der Religion.
Für den „normalen“ Menschen sind dies Selbstverständlichkeiten. Er stellt sich, wenn er stark genug ist, den Herausforderungen des Alltags und lernt, immer besser und adäquater auf die Anforderungen des Lebens zu reagieren.
Für den schwarzen Magier der Erde ist dies ein Weg der Einweihung in die großen Mysterien, ein Pfad der Initiation.
Initiation ist Konfrontation mit dem Leben, ein „sich stellen“, mit der Möglichkeit zu scheitern. Oder zu triumphieren. Initiation ist wie Fisherman’s Friend. Ist sie zu stark, bist du zu schwach.
Initiation findet da statt, wo die eigene Wahrnehmungsblase brüchig wird in der Peripherie, das Ich sich reibt an den Möglichkeiten des Nicht-Ich, durchlässig wird und seine gut bewachten Grenzen für einen Moment öffnet, nicht wissend, ob Freund oder Feind ins Innere gelangt, auch so manches „Trojanische Pferd“ wurde schon gesichtet. Initiation im Ritual ist ein Beschleunigen dieses Vorgangs auf der einen Seite, auf der anderen Seite wird im Ritual die Option eröffnet, neue Erfahrungsspektren zu erschließen, Energien aufzunehmen, die im Alltag möglicherweise zwar ebenfalls existent sind und wirken, jedoch mit unseren mageren Sinnesorganen nicht wahrgenommen werden können.
Anton Szandor LaVey nannte den Ritualraum „Intellektuelle Dekompressions-Kammer“. Über den Westen, die Dame des Westtores und den Kelch bekommen wir Kontakt mit dem Umfang, der Schlange Leviathan. Durch das Tor des Westens strömt alles, was war, ist, und ins Dasein gelangen will in unseren Tempel. Gleichzeitig können wir uns in ihm von allem zurückziehen, von dem Lärm der Welt, selbst von der Stille der Welt; können willentlich jedoch Kontakt herstellen zu allem, was ist. Dies ist eine Basis der schwarzen Magick.
Der Leser wird wissen, daß mit dem Großen Tempel oft prachtvolle, säulengetragene Tempelanlagen gemeint sind, aber auch die kleine hergerichtete Ecke neben dem Fernseher im Wohnzimmer. Der Kleine Tempel beinhaltet die Essenz und die Potenz des Großen Tempels. Der Kleine Tempel ist dein Körper. Halte ihn funktionstüchtig, damit ein Gott darin wohnen mag. Sieh zu, daß du dich wohlfühlst in deinem kleinen und deinem großen Tempel, richte sie entsprechend ein.
Initiation ist nur begrenzt durch andere Menschen zu erhalten. Wenn man von den diversen Pfadfindereiden zur Geheimhaltung und anderen ordenspolitischen Aufnahme-Aspekten einmal absieht, bleibt in einer guten Initiation folgendes: Ein Verunsichern des Kandidaten, ein Herauslocken aus gewohnten Verhaltensmustern. Wenn er „sein Element“ verlassen hat und sich verhält wie ein Fisch, der Bergsteigen soll, entsteht ein großer freier Raum im Initianten, der dann vom Initiator gezielt mit neuen Impulsen gefüllt wird. Dies setzt beim Initianten, der sich freiwillig auf diese Manipulation einläßt, ein großes Vertrauen in den Initiator voraus. Suche dir deinen Initiator gut aus.
Man weiß heute, daß sich durch künstlich herbeigeführte Extremsituation beim Menschen die Bindung an Entitäten, Ideen, Gruppen, etc. hochgradig verfestigen läßt. Die Literatur ist voll von Beispielen, die beschreiben, wie Entführungsopfer nach einiger Zeit anfingen, ihre Kerkermeister anzuhimmeln, sich manchmal sogar zu verlieben.
In einem Fall ist eine junge Frau aus gutem Hause, die von der Guerilla entführt worden war, schließlich übergelaufen. Sie hat sich so sehr mit den Ideen und Idealen ihrer Entführer identifiziert, daß sie später bis an die Zähne bewaffnet an den Aktionen der Gruppe teilnahm.
Dies alles hat sicherlich mit dem Zusammenbruch des sicheren Rahmens, in dem wir uns bewegen, zu tun. Das Selbst spaltet sich ab und versucht an der Macht der (scheinbar oder real) Stärkeren zu partizipieren. Ähnlich beschreibt der Psychologe Arno Gruen den Moment, in dem das Kind nicht mehr unmittelbar an den Empfindungen und Impulsen der Eltern teilnimmt, sondern sie so sehen muß, wie sie sich sehen. Es fügt sich dem Selbstbild von Vater und Mutter und ist den Eltern gehorsam, damit sie weiterhin für das Kind da sind und es teilhaben kann an der Macht der Eltern. Genauso stellt sich der Mensch auf unterschiedliche Rahmenbedingungen ein, Gehorsam gegenüber Gott, Gehorsam gegenüber der Wissenschaft, der Realität; all‘ dies ist eine Frage des Zeitgeistes . Gehorsam gegenüber den „guten Sitten“, gegenüber dem, was anständig ist.
Das gleiche Spiel funktioniert auch mit ganzen Völkern. In Windeseile wurden nach dem Krieg in Deutschland überzeugte Nazis (und ein paar muß es ja schon von ihnen gegeben haben, auch wenn im Nachhinein jeder im „passiven“ Widerstand gewesen sein will) zu überzeugten Demokraten und die Wenigsten haben bewußt gelogen.
Vieles von dem, was wir denken, für gut und richtig halten, ist ein Produkt des heiligen Zeitgeistes, das Wenigste von all‘ dem ist entstanden, indem wir in Einklang mit unseren echten Bedürfnissen und Empfindungen gedacht und gehandelt haben. Doch wir lassen unsere Impulse ausfiltern und bewerten sie selbst nach fremden Maßstäben, nach dem, was „man“ von uns erwartet und üben Gehorsam gegenüber diesem Erwartungsgespenst.
Je weiter wir voranschreiten, je größer unser nietzscheanischer Wille zur Macht und zur Autarkie wird, um so mehr kringeln sich die vampirischen Schmarotzer um unsere Füße, die teilhaben wollen an unserer Macht. Sie sind es, die uns in Handlungen drängen, die wir sonst nie getan hätten, sie erreichen es, daß wir uns schuldig fühlen, wenn wir uns nicht (scheinbar) altruistisch herniederbeugen zu ihnen und mit-leid-en. Kennst du Menschen, die du nur anrufst oder besuchst, weil sie es von dir erwarten, du aber eigentlich nie richtig Lust darauf hast? Die es verstehen, dir ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn sie etwas von dir wollen. Die dich schuldig fühlen lassen, wenn du dich nicht mit ihnen beschäftigst?
Sie sind fast immer die ersten, die sich von uns abwenden, wenn wir straucheln und oft diejenigen, die uns mit ihren Fangzähnen zerreißen und uns gierig herunterschlingen, sollten wir fallen.
Hier liegt eine große gut getarnte und sehr, sehr tiefe Fallgrube.
Denn auch wir sind wie schmarotzende Pflanzen im Schatten der großen Bäume, die uns weit überragen. Wir haben unsere Wurzeln in ihre verschlungen, nähren uns von ihrer Nahrung, gedeihen in ihrem Schatten. Dort auf der Lichtung inmitten des Waldes, auf dem Hügel steht ein Baum, der allein, stolz und selbstbestimmt stehen wollte; die Herbststürme des Lebens, von der Setschlange in ihrer Hölle entfacht, haben seine Äste zerbrochen. Der herabzuckende Blitz eines Gottes hat seinen Stamm gespalten, der nun auf der feuchten Erde liegt. Und die eine oder andere kleine Pflanze wächst aus dem morschen Holz, nährt sich nun von seinem modrigen Stolz. Erst, wenn wir uns nicht einmal dem „beugen“, was ein LaVey, ein Aquino, ein Webb, ein Crowley oder auch ein Eremor als setianisch/satanistischen Weg beschreiben, sondern unseren Schritte und Glaubenssätze ständig überprüfen, den gnostischen Weg gehen und eigene Erfahrung über Glauben setzen, uns mit der Frage beschäftigen „was ist mein wahrer Wille?“, ganz gleich ob im Sinne des transzendenten „Thelema“ Begriffes eines Meister Therion oder im Stile des psychologischen Primärimpulses, an dem sich unser Leben ausrichtet; erst dann sind wir in der Lage, unserem Selbstverrat zu begegnen und Wege zu suchen, größere Freiheit zu erlangen. Konfrontiere dich mit verschiedenen Paradigmen, experimentiere. Widerstehe der Besessenheit des Geistes, unbedingt in einer klaren, einfach strukturierten Welt leben zu wollen, alles Neue ein für alle mal einordnen zu müssen. Lasse das Subtile, den Widerspruch und die Komplexität zu. Laß Stärke nicht zur Starre verkommen. Esse vom Baum der Erkenntnis. Sehe die Welt durch deine eigenen Augen und sei bereit für das, was kommt. Sage keine Einladung zu einer schamanischen Schwitzhütte oder einer dynamischen Meditation ab, weil man das als Satanist nicht macht. Schau vielleicht auch mal wieder in der Kirche vorbei, es sind Menschen dort, von denen du möglicherweise etwas lernen kannst.
Wenn du Angst hast, daß deine finsteren Freunde dich sehen könnten, schlage sofort diese Buch zu, verbrenne es und opfere eine schwarze Katze.
Der Pfad der Einweihung durch Set führt dich weiter über deine Grenzen hinaus, als es dir möglicherweise zur Zeit bewußt ist.
Bevor du den ersten Schritt auf diesem Pfad machst, sei dir sicher, daß du nicht morgen statt Satanismus ein anderes Hobby hast, mit dem du dich beschäftigst. Sei dir sicher, daß du den Weg weitergehen willst, wohin auch immer. In deiner Zeit, auf deine Art und Weise. Humorvoll und spielerisch oder ernsthaft und diszipliniert, langsam und gründlich oder schnell und furchtbar intensiv, experimentell oder traditionell. Oder alles zusammen.
Erfolg ist dein Beweis, Tapferkeit dein Schild. Gehe weiter, schreite voran.