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1.6 Abwehrmaßnahmen

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Grundsätzlich sollte man zwischen passiven und aktiven Maßnahmen unterscheiden.

Unter passiver Abwehr kann jegliche Art von Hindernissen verstanden werden, welche es den Piraten erschweren, an Bord und an die Mannschaft zu gelangen. Passive Maßnahmen sind meist festinstalliert und benötigen keine direkte Bedienung durch die Mannschaft. An Bord der HS:

- Stacheldraht um die Reling

- Ausbringen von Feuerschläuchen

- Verriegeln der Schotten der Aufbauten


Da diese Maßnahmen bekanntlich wenig Erfolg hatten (es sei daran erinnert, dass ein Schiff wie die HS bisher außerhalb der gefährdeten Schiffstypen lag), sollten diese Vorbereitungen verstärkt werden.


Anmerkung: Um Verwechselungen zu vermeiden: Im folgenden Punkt schreibe ich über Verbesserungen, u. a. basierend auf meinen Erfahrungen mit den somalischen Piraten, näherer Beschäftigung mit der Materie und der Möglichkeit, meine neu gewonnenen Einschätzungen während des Einsatzes nach der „Hansa Stavanger“ in der Praxis anzuwenden. Es geht im Folgenden NICHT um die Absicherung der Hansa Stavanger.


In der Zeit einer meiner letzten Einsätze und einer damit verbundenen Passage durch den Golf von Aden haben wir vor allem die Aufbauten komplett abgeriegelt. Zum einen mit Stacheldraht, zum anderen mit fest geschweißten Gittern. Sollten Piraten tatsächlich boarden, werden sie es nicht schaffen, zur Brücke zu kommen bzw. in die Aufbauten und an die Mannschaft zu gelangen. Generell kann man sich darauf einstellen, dass der erste Weg der Piraten hoch zur Brücke führt. Von dort zwingen sie das Brückenteam zum Aufstoppen und fordern den Rest der Mannschaft auf die Brücke.

Es ist daher sinnvoll, eine sichere Zitadelle zu schaffen, in welche sich die Brückenbesatzung zurückziehen kann. Von dieser Zitadelle aus kann dann Kontakt zu den entsprechenden Behörden aufgenommen werden, welche daraufhin veranlassen, dass Marinekräfte das Schiff gewaltsam befreien.

Um einen sicheren Weg des Teams auf der Brücke zu gewährleisten, soll es den Piraten so schwer wie möglich gemacht werden, hoch zur Brücke zu kommen. Alle Schotten zu verriegeln sollte die geringste Maßnahme sein, sinnvoller ist es, eher die Aufbauten zu verbarrikadieren, wenn möglich noch so, dass Sicherheitsaspekte wie Brandabwehr etc. nicht beeinträchtigt werden.

Erstellen Sie mindestens drei Sicherheitsbereiche auf Ihrem Schiff.

Der erst stellt die Bordwand des Schiffes dar. Sorgen Sie hier für den größtmöglichen Freibord. Außenbords sollten die Feuerlöschschläuche, welche nur zur zusätzlichen Störung der Piraten dienen, sie aber nicht aufhalten werden, so angebracht sein, dass sie einander abdecken und eng an der Bordwand anliegen. Die Reling sollte mit Stacheldraht abgesichert sein. Das Sinnvollste ist es, eine Rolle Stacheldraht, besser Natodraht, entlang der Reling zu ziehen, gegebenenfalls auf Stellagen, die außenbords zeigen.

Der äußerste Sicherheitsbereich, den Sie absichern müssen, ist also das Deck, der zweite Bereich sind die Aufbauten, zu welchen Sie den Zugang durch Piraten verhindern müssen. Dies hängt selbstverständlich von der Konstruktion des Schiffes ab, daher kann ich hier keinen Standardplan geben, lediglich ein paar Hinweise.

Der erste Tipp ist, die Somalis niemals zu unterschätzen, wenn Sie meinen „da würde ich nie durchkommen“, vergesse Sie nicht, dass Sie vermutlich mehr als 50 kg wiegen … Die somalischen Piraten sind unheimlich dünn, die meisten haben Oberschenkel wie unsereins Oberarme hat (Bodybuilder ausgenommen). Sie sind sehr gelenkig und vor allem während des Angriffs gehen sie sehr entschlossen vor. Beobachtet man sie allein schon, wenn sie in den Containerbuchten rumklettern, um in einen aufgebrochenen Container zu gelangen, hat man den Eindruck, dass sie nicht besonders zögerlich und sehr geschwind sind im Klettern.


Sie sind leicht, beweglich und durch ihre dünnen Körper und Gliedmaßen passen sie überall durch, dabei sind sie in der Regel recht groß, wodurch sie beim Klettern eine größere Reichweite haben.

Möchte man also verhindern, dass diese Leute auf schnellem Wege in die Aufbauten kommen, muss man sich davon lossagen, mit dem eigenen Ermessen die Lage abzuschätzen. Geben Sie vor allem auf Ecken und Kanten acht, die leicht umklettert werden können, an denen man sich lang hangeln und so schließlich eventuelle Absperrungen umgehen kann. Verschätzen Sie sich nicht in der Größe der Abstände zwischen den Stacheldrahtlagen oder den Gittern. Bei den Gittern sollten es nicht mehr als 20 cm sein und beim Stacheldraht ist zu beachten, dass er auch verschoben werden kann, wenn er nicht fest genug sitzt.

Während meines letzten Einsatzes haben wir die schnell erreichbaren Bereiche, durch welche man an bzw. in die Aufbauten gelangen kann, sowie Niedergänge durch eigens an Bord hergestellte Gitter verriegelt, welche entweder festgeschweißt wurden oder um das schnelle Durchkommen während einer eventuellen Brandbekämpfung nicht zu verhindern mit Vorhängeschlössern und an Schrauben festgezogenen Muttern verriegelt wurden. Bereiche an den Aufbauten, die von außenbords erklettert werden können, wurden durch eng gezogenen Stacheldraht verriegelt. Der Aufbau dieser Barrieren hätte uns nicht in einer möglichen Brandbekämpfung oder beim Verlassen des Schiffes behindert, da sie durch Schlüssel oder entsprechendes (gut verstautes) Werkzeug schnell von uns geöffnet hätte werden können.

Piraten haben meines Wissens weder Seitenschneider, Brecheisen oder Schraubenschlüssel dabei. Selbst wenn, müssen sie das Zeug erst mal an Bord holen und zum Boarden können sie maximal ihre Waffe mitnehmen. Weiterhin müsste das Werkzeug passen und man muss es bedienen können. Selbst wenn die Piraten eine Barriere öffnen können, haben sie immer noch die Schotten der Aufbauten vor sich, welche es sich empfiehlt, auch von innen zusätzlich zu verriegeln und mit Stahlplatten zu verstärken.

Sollten sie es doch irgendwie und irgendwann nach innen schaffen, haben wir bis dahin genügend Zeit gehabt, uns in die dritte Sicherheitszone zurückzuziehen, in die Zitadelle. Dort angekommen würde der leitende Ing. einen Blackout erzeugen und auch ein Starten der Notdiesel verhindern. Bereiten Sie dies gründlich mit ihrem gesamten technischen und nautischen Offiziersstab vor.

Zur Zitadelle werde ich in Punkt 1.7 etwas schreiben.

Bis die Piraten diese finden und aufbrechen würden, müssten sie erstmal in die dunklen Aufbauten rein. Meiner Erfahrung nach haben die somalischen Piraten Probleme damit, in Bereiche zu gehen, die sie nicht kennen und die auch noch dunkel sind. Vor allem die Maschine - auf der HS brauchte es mehr als einen Monat, bis sie sich hineintrauten. Dann, wenn sie drinnen sind, müssen sie sich erstmal zurechtfinden, selbst wir Seeleute haben in unseren ersten Tagen an Bord eines neuen Schiffes unsere Probleme.

Dies ist alles kostbare Zeit, die eine Kontaktaufnahme mit Marinekräften ermöglicht.

Bei all diesen Vorbereitungen kommen wir um einen Punkt nicht herum: das Training der Mannschaft. Jedem muss klar sein, dass er drinnen zu sein hat, wenn die Piraten kommen! Auf dem letzten Schiff haben wir für die Zeit der Passage das Deck gesperrt. Wer rausgeht, informiert die Brücke, nimmt UKW17 mit (für den Notfall!, ansonsten gilt Sendepause) und trägt sich aus einer Liste aus, die an dem einzigen Ein- und Ausgang hängt, welcher während der Passage benutzt werden kann. Solche Vorgänge sind ungewöhnlich an Bord, daher muss man sie besprechen, üben und vor allem kontrollieren.

Die Brückenmannschaft checkt die Liste, wenn sie im Ernstfall runtergeht, da beide Seiten ein UKW haben, können sie sich koordinieren und auf die Person warten. Für den Fall, dass aus irgendeinem Grund kein UKW-Kontakt besteht, werden maximal drei Minuten gewartet, dann verriegelt. An Deck haben wir die Luken zu den Laderäumen unverriegelt gelassen, ein an Deck gestrandeter, soll sich dort verstecken. Auch dort werden die Piraten nicht reingehen. Selbst auf der Stavanger haben sie das in vier Monaten nicht gemacht.


Dass diese Abläufe klar sind, ist so wichtig, damit wir in der Zitadelle den Marinekräften mitteilen können, dass kein Mannschaftsmitglied in der Hand der Piraten ist, erst dann werden sie angreifen.

Weiterhin ist der gehörige Ausguck so wichtig, das frühzeitige Erkennen eines Angriffes. Die Evakuierung dauert zwar nicht lange, aber man sollte so viel Zeit wie möglich haben, um Spielraum für alle Eventualitäten zu haben.


Aktive Maßnahmen

Diese beinhalten alle Maßnahmen, welche die Mannschaft während des Angriffs ergreifen kann, um ein Boarden der Piraten zu verhindern:

Hier bietet der Markt viele Möglichkeiten an.

Welche man nun an Bord verwendet, sollte in Kooperation mit dem CSO erarbeitet werden


Maßnahmen nach der Kaperung:

Sobald die Piraten an Bord sind, stoppt man das Schiff auf, verlässt die Brücke und verriegelt jeden Durchgang, den man benutzt hat.

Das Brückenteam begibt sich zur Zitadelle und gibt sich durch einen vorher besprochenen Code zu erkennen. Eine Person ist verantwortlich, zu öffnen und sofort wieder zu schließen.

Sobald alle in der Zitadelle sind, wird der Kapitän die Anweisung zum Blackout geben. Daraufhin wird wieder Kontakt mit den Behörden aufgenommen, über Iridium - vergessen Sie nicht, eine geeignete Stelle für die Antenne zu finden.


Auf den Schiffen der Reederei „Leonhardt und Blumberg“ haben die Verschärfungen passiver wie aktiver Abwehrmaßnahmen bereits während der Geiselhaft der HS zu einer Aktualisierung des SSP geführt. Wie bereits erwähnt, ist der SSP wie auch die anderen Anweisungen und Empfehlungen bei der Vorbereitung zu konsultieren.


Ein reger Informationsaustausch mit dem CSO, sowie regelmäßiges Sichten neuer Merkblätter und Ratgeber ist unabdingbar, um seine Sicherheitsstandards der Gefahrenlage anzupassen.

Die Entführung der MS Hansa Stavanger

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