Читать книгу Die Entführung der MS Hansa Stavanger - Frederik Euskirchen - Страница 19
2.5 Abdi ist da
ОглавлениеNach dem kleinen Zwischenstopp in Barawe geht es die Küste nordwärts, nach Haradere.
Kaum haben wir dort den Anker geschmissen, kommen weitere Piraten an Bord. Es sind die Wachtruppen. Ihr Kommandant, Axaalo (Somali für Sonntag), den wir aber nicht gleich in seiner Funktion erkennen, fällt mir sofort auf. Als ich ihn sehe, denke ich nur ‘nein, nicht so einer’. Er sieht aus wie der letzte Durchgeknallte aus einem billigen Actionfilm. ‘Bitte mach, dass er wieder geht’, denk ich mir. Er macht einen gestörten Eindruck auf mich, ich kann nicht erklären warum, aber die erste Zeit sollte ich recht behalten, er ist teilweise sehr unangenehm. Doch, wie bei fast jedem Piraten änderte sich das nach den ersten zwei Monaten. Was mir jetzt aber nicht weiterhilft, im Moment liege ich auf dem Boden unter meiner Decke und beobachte die Neuankömmlinge. Finstere Gestalten, ich will, dass sie gehen und ich will gleich wieder was anderes tun, was ich jedoch lernen muss zu beherrschen, wenn ich nach Hause will.
Wer da alles aus der Geisterbahn auf die Stavanger gekommen ist …
Nun erst mal zu einer Person, die im Moment weitaus wichtiger ist.
Abdi, unser Unterhändler.
Er wird die Verhandlungen durchführen, nicht leiten!
Ein wichtiger Unterschied, über den wir anfangs oft grübeln. Ist er vielleicht in Wahrheit derjenige mit der Entscheidungsgewalt, ist er eventuell der wahre Chef?
Um im Laufe des Buches Missverständnisse zu verhindern. Nein, ist er nicht. Er spricht mit einem anderen Unterhändler von der Reederei, dabei versucht er einen Preis zu bekommen, der dem Anführer der Piraten zusagt. Vielleicht kann er sie beraten, was machbar ist, aber wenn sie einen Preis wollen, dann muss er für ihn sorgen.
Eben das soll Abdi bei uns machen. Er stellt sich uns nur kurz vor, aber mit der Zeit kommen Abdi und ich immer mehr ins Gespräch und ich kann zumindest ein wenig sein Vertrauen gewinnen, wenigstens so, dass es nützlich ist und ich etwas über ihn erfahre.
Hier schon mal eine kleine Zusammenfassung über Abdi vorab:
Nach eigenen Angaben ist er 42 Jahre alt. Neben seinem Kinn- und Backenbart hat er eine Halbglatze. Im späteren Verlauf erfahre ich, dass Somalis Menschen mit Halbglatze nicht trauen, was unser leitender Ing. auch erfahren muss. Wieso aber vertrauen sie ihm dann die Verhandlungen an? Ist das vielleicht der Grund, warum er immer, aber auch immer und überall seine AK dabei hat? Diese trägt er wirklich ständig, selbst wenn er bei uns, auf der Seite der Geiseln ist. Dies ist eigentlich verboten laut den neuen Bordregeln, den Piratenregeln.
Als wir ihn mal nach dem Grund für seinen ständigen, langläufigen Begleiter fragen, sagt er nur, dass ein Mann ohne Waffe in Somalia wenig zählt. Sie haben keine Gesetze, und wenn jetzt jemand kommt mit einer Waffe und ihm was wegnimmt, dann kann er nicht zur Polizei gehen oder sonst irgendwas, dann muss er sich selber wehren.
Leuchtet ein. Aber es kann durchaus auch daran liegen, dass Abdi für diesen Clan das erste Mal arbeitet. Die Piraten der Stavanger scheinen im Moment so ausgelastet zu sein, dass es keine Vermittler mehr gibt und so haben sie Abdi von einer anderen Gruppe aus dem Norden ausgeliehen bekommen, wo er übrigens auch die BBC Trinidad verhandelte, welche zur Reederei Beluga gehört.
Abdi sagte selber mal, dass er diese Piraten weder kennen, noch ihnen trauen würde. Während der Verhandlungen hat er oft Bedenken, mit dem Preis runterzugehen, um nicht in den Verdacht zu kommen, mit der Reederei, gegen Zahlung eines Bonus, zu kooperieren.
Teilweise verstand er seine neuen Vorgesetzten angeblich selber nicht und fühlte sich von ihnen in seiner Arbeit gestört.
Vielleicht erklärt dies, warum er permanent dieses nervöse und absolut falsche Lächeln aufsetzt - oder es gehört einfach zu seinem Charakter.
Denn zusammen mit seinen strengen Gesichtszügen und seinen fuchsigen Augen unterstreicht dieses seltsame Grinsen das Gesicht eines absolut verschlagenen und rücksichtlosen Gauners.
Ich würde ihm nicht mal trauen, wenn er mir meine eigene Augenfarbe sagen würde.
Er ist der Typ von Mensch, der sich aus allem rauswinden kann, weil er, wie für eine Schlange üblich, kein Rückgrat hat.
Abdi hat sich im Laufe seines Lebens angeblich neben Englisch auch Französisch und Italienisch beigebracht.
Er betont immer wieder er sei kein Pirat, er arbeite nur als Übersetzer für sie. Wenn irgendwann mal die UNO oder sonst wer nach Somalia kommt, dann arbeitet er eben für die als Übersetzer …
Abdi fängt mit 15 Millionen an, einem sehr hohen Einstiegspreis.
Von diesem soll runterverhandelt werden. Er erklärt uns, den Betrag, welchen die Reederei biete, den gehe er von seiner Forderung runter, so würde es laufen.
Der Verhandlungsstil, mit dem Abdi zumindest anfängt, entspricht dem der Piratengruppen aus dem Norden, das kann ich in Telefonaten von zu Hause erfahren.
Soll heißen, zügige Verhandlungen, kein unnötiges Geschachere, Lösegelder ungefähr entsprechend dem Marktpreis.
Doch leider sind wir nicht im Norden - unsere Gruppe ist die unberechenbarste und die hartnäckigste unter den bisher vier Piratengruppen in Somalia, das merkt auch Abdi bald …
Bevor die Verhandlungen aber wirklich starten und wir endgültig für längere Zeit unser Anker vor Haradere fallen lassen, haben wir noch mal eine kleine Fahrt vor uns.