Читать книгу Der arme Jack - Фредерик Марриет - Страница 4

Zweites Kapitel.

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Mein Vater handelt nach der Weise der meisten Matrosen — er schliesst eine thörichte Heirat. Eine von den Folgen derselben tritt mit dem Schlusse dieses Kapitels ans Licht.

Ich habe zuletzt bemerkt, dass meine Mutter und mein Vater endlich zu einem guten, wechselseitigen Einvernehmen kamen; gleichwohl aber trug Mamsell Araminta (denn so wollte sie durchaus genannt werden) Sorge dafür, meinen Vater wissen zu lassen, sie halte es für eine Herabwürdigung ihrer selbst, dass sie ihre reizende Persönlichkeit an den Beischiffsführer eines Kapitäns hingebe. Sie teilte ihm mit, ihr Vater sei ein königlicher Diener gewesen (und man konnte ihn in der That wohl in diesem Lichte betrachten, da er als Briefträger bei der Stadtpost funktioniert hatte), und ihre Mutter habe die ersten Persönlichkeiten des Landes auf ihrem Kerbholze (sie war nämlich Milchfrau); sie selbst aber habe einen jungen Baronet verpflegt und sei jetzt nicht nur eine Kammerjungfer, sondern sogar die Kammerjungfer einer gnädigen Frau. Diese wichtige Mitteilung nahm sich mein Vater tief zu Herzen und konnte kaum seinen Ohren trauen, als er vernahm, dass ihm das gute Glück einer derartigen Eroberung beschieden war; indes wird die Folge lehren, dass seine Heirat nicht sehr glücklich ausfiel. Er pflegte mir zu sagen: „Jack, lass Dir raten und heirate nie über Deinen Stand. Du kannst dabei mich zum Beispiel nehmen. Nichts anderes wollte mir gut genug sein, als die Kammerjungfer einer gnädigen Frau, obschon ich nicht einmal das Recht hatte zu einer blossen Kammerjungfer aufzublicken, wäre Deine Mutter lieber nur ein einfaches Dienstmädchen gewesen, so hätte alles gut ausfallen können.“ Doch derartige nachherige Erwägungen kommen zu spät, ich selbst wundere mich nicht über die Verblendung meines armen Vaters, denn „siehst Du, Jack,“ sagte er zu mir, „nachdem ich daran gewöhnt gewesen war, nichts als Pointweiber zu sehen, die so schlaff in ihren Stengen und so ungeordnet in ihrem Takelwerk waren, traf ich mit einem Fahrzeuge, wie Deine Mutter, zusammen — so schmuck und nett, alle Taue angespannt, die Stagen wohl gesetzt, jeden Tag in der Woche weisses Hängemattentuch ausgebreitet, mit einem Shawl unter Segel, gleich einer seidenen Flagge, und einer schelmischen Marssegelhaube mit rotem Wimpel. Ei, es war in der That, als ob ich Gesellschaft hielte mit einer zierlichen, kleinen Fregatte, die mit einer Flotte von Kohlenschiffen den Kanal hinunterrollt. Aber wie dem sein mag, hübsche Federn machen nicht gerade hübsche Vögel, und schön ist, wer schön thut.“

Meines Vaters Vermählung wurde jedoch durch Umstände beschleunigt. Eines Morgens hatte er eben sein Tabakröllchen aus der Backe genommen, den Mund mit dem Rücken seiner Hand abgewischt und war eben im Begriffe, einen keuschen Kuss auszutauschen, als Lady Herkules zufälligerweise in die Küche herunterkam — ein höchst seltenes Ereignis, das sich bei einer Dame von ihrem hohen Geiste durchaus nicht erwarten liess. Sie ertappte meinen Vater und meine Mutter auf der That, machte mit einem Ausrufe des Entsetzens „Schiff um“, wie es mein Vater nannte, „und wrickte im Nu die Treppe hinauf“. Ein schallendes Geklingel rief meine Mutter vor, so dass mein Vater in nicht sehr angenehmer Spannung zurückblieb, denn er berechnete, inwieweit Sir Herkules „das Küssen des Kammermädchens einer gnädigen Frau“ unter den Kriegsartikel, der von Verachtung der Vorgesetzten handelt, bringen könne, und wie viele Dutzend Küsse sein Rücken als Erwiderung durch die Katze erhalten dürfte. Während er sich in diese lieblichen Betrachtungen vertiefte, goss Lady Herkules alle nur erdenklichen Anathemas gegen den Mangel an Zartgefühl und Anstand aus, den sich meine Mutter hatte zu Schulden kommen lassen; dabei teilte sie ihr mit, es sei rein unmöglich, dass sie die Ausschmückung ihrer Person noch länger einem Geschöpfe anvertrauen könne, welches sich durch einen tabakkauenden Matrosen befleckt habe, denn wie die Schrift sagt: „wer kann Pech anrühren, ohne sich zu besudeln?“

Obgleich sich meine Mutter vorgenommen hatte, im Falle sich’s bei der Frage um die Stellung oder um den Gatten handle, den letzteren festzuhalten, so schien es ihr doch rätlich, die gnädige Frau womöglich zu versöhnen. Sie zog daher ein Nesseltaschentuch heraus, bedeckte, während Ihre Gnaden schmähten, ihr Gesicht damit und weinte. Lady Herkules fuhr fort zu zürnen, bis sie ausser Atem war und innehalten musste. Meine Mutter erwiderte dann mit tiefer Demut, unter vielen Thränen und häufigem Schluchzen, „man habe ihr freilich in der letzten Zeit so zugeredet (hupp), dass sie endlich ihr Versprechen gegeben habe, zu (hupp) heiraten; aber nur unter einer einzigen Bedingung — ja, in der That — (hupp), dass die gnädige Frau ihre Zustimmung gebe — entschieden unter keiner andern (hupp) — nein, gewiss nicht, auf Ehre! Mr. Sounders sei (hupp) ein vortrefflicher, junger Mann — (hupp) — Sir Herkules so zugethan (hupp), und habe eine so hohe Achtung vor der gnädigen Frau, dass (hupp — hupp — hupp —) er ihr Herz gewonnen habe.“

Mittlerweile war die gnädige Frau wieder zu Atem gekommen und unterbrach meine Mutter damit, dass sie derselben bemerklich machte, wenn auch alles wahr sei, was sie erwidert habe, so sehe sie doch keinen Grund ein, warum sie sich solche unanständige Freiheiten erlaube; überhaupt habe nicht einmal Sir Herkules von ihr eine derartige Gunstbezeugung genossen, bis er ihr den Ring an den Finger gesteckt. Dann seien allerdings derartige Dinge zulässig — jedoch immerhin nur gelegentlich. Und noch obendrein in der Küche! Sie bemerkte ferner, ob man wissen könne, dass der Beischiffsführer nicht bereits weiss Gott wie viele Weiber habe. Es würde sie nicht überraschen, wenn jener lange Haarzopf nicht schon wenigstens fünf — ja vielleicht sechs oder sieben besitze. Darauf erwiderte meine Mutter: „Nur die Dankbarkeit gegen sie (hupp), weil sie ihre Zustimmung gegeben, mit (hupp) Sir Herkules zu sprechen (hupp), damit er bei der gnädigen Frau ein Fürwort einlege (hupp), habe Mr. Sounders veranlasst (hupp), sich — eine — solche — Freiheit (hupp — hupp — hupp —) zu nehmen — was er nie — zuvor gethan habe, (hupp) — nie! nie — auf Ehre nie! —“ Sie konnte nicht weiter vor Schluchzen.

Diese Erklärung wirkte etwas besänftigend, und die Kammerjungfer einer gnädigen Frau brachte in der Folge durch Demut und Schmeicheleien ihre Gebieterin dahin, dass sie einwilligte, die Sache mit Sir Herkules ins reine zu bringen, als einzigen Grund für ihr Einschreiten angebend, dass es besser sei, wenn nach der Vertraulichkeit, welche zwischen ihnen vorgegangen sei, die Heirat je eher je lieber stattfinde. Die Wünsche der gnädigen Frau waren Befehle. Sir Herkules erklärte meinen Vater für einen Narren, und das Paar ging mit einander zur Kirche.

Meine Mutter hatte, wie bereits bemerkt, ein gutes Aussehen und mochte etwa zwei oder drei Jahre älter sein, als mein Vater. Sie war übrigens von schlimmer Gemütsart, empfindlich, rachsüchtig, und hatte stets eine grosse Freude daran, andere Leute zu ärgern. Wenn ihr dies dann gelungen war, so pflegte sie stets ihre Bemerkungen mit den Worten zu schliessen; „so, jetzt hab’ ich Dir doch die Galle ein bischen aufgeregt!“ War sie durch die Entgegnungen der andern in üble Laune versetzt worden, so versuchte sie ihren Verdruss durch Singen zu verbergen, und da sie sich so viele Jahre in der Kinderstube aufgehalten hatte, so wählte sie zu ihren Liedern gewöhnlich solche, mit denen man Kinder zu beschwichtigen oder zu unterhalten pflegt. „Sounders,“ konnte sie ausrufen, „bist Du nicht der grösste Narr, der je auf zwei Beinen gegangen ist, dass Du Dir so viel auf Deinen langen Haarzopf einbildest? Könnte man doch glauben, ich hätte einen Affen, einen Orangutang geheiratet statt eines Mannes. So, jetzt habe ich Dir die Galle ein wenig aufgeregt! Man kann nicht einmal den Mund aufthun.“

Meine Mutter wusste wohl, wo sie anklopfen musste, und dieser Angriff auf den Zopf war mit Sicherheit darauf berechnet, meinen Vater aufzubringen, der dann nicht gerade in höflichen Reden antwortete, bis endlich auch sie in Ärger und dann halb kreischend hinaussang —

„Heididel, heididel, die Katz und die Fidel,

Die Kuh sprang über den Mond“ u. s. w.

Und so quiekste sie fort, bis sich ihr Zorn abgekühlt hatte.

Die Folgen ihrer ehelichen Verbindung mit einem Beischiffsführer wurden bald sichtbar. Sechs Monate nach ihrer Verheiratung erklärte Lady Herkules das Aussehen meiner Mutter für ganz unanständig und durchaus nicht mehr geeignet, sich in dem Dienste einer Dame von ihrem grossen Zartgefühl zu präsentieren. Mrs. Sounders, die noch obendrein mit jedem Tage träger wurde, erhielt daher ihre Aufkündigung, packte nach Ablauf des Monates in grossem Zorne ihre Schachteln auf, schlug, als sie das Haus verliess, die Thüre hinter sich zu und sang im allerhöchsten Schlüssel ihrer Stimme:

„Dikori Dikori Dock

Die Maus lief hinauf zu der Glock“ u. s. w.

Mein Vater wünschte, dass sie an Bord der Fregatte wohne, aber dazu wollte sie ihre Einwilligung nicht geben, indem sie erklärte, es sei zwar wahr, dass sie sich und ihre Familie durch eine Heirat mit einem Beischiffsführer herabgewürdigt habe, aber so weit wolle sie sich denn doch nicht erniedrigen, dass sie sich unter die gemeinen Kreaturen an Bord mische. In diesem Entschlusse hatte meine Mutter, wie ich glaube, recht; aber ihrer Entlassung und Ungnade folgte der weitere Umstand, dass mein Vater seine Stelle verlor und dem grossen Mars zugeteilt wurde — aus keinem anderen Grunde, als weil es so der Wille und Befehl von Lady Herkules war.

Die gnädige Frau zog in Betracht, dass sie durch meines Vaters Dazwischenkunft eine gute Dienerin verloren hatte, und fasste daher einen solchen Widerwillen gegen ihn, dass sie ihn nicht wie gewöhnlich als Beischiffsführer ins Haus kommen lassen wollte; auch war sie ferner der Ansicht, wenn er die Funktion nicht mehr versehe, so sei er auch nicht zu den Rationen berechtigt. Nach kaum sieben Monaten war also meinem Vater die Heirat zu einer Quelle bitteren Verdrusses geworden: er gehörte nicht länger zu den Unteroffizieren und hatte auch von seinem Solde eingebüsst. Der Stolz meiner Mutter war verletzt, und wenn sie schon nicht als die Gattin von des Kapitäns Beischiffsführer an Bord bleiben mochte, so hatte sie jetzt noch weniger Lust dazu, nachdem er zu einem gemeinen Matrosen degradiert war. Was meinen Vater betrifft, so war er das leibhaftige Bild des Elends, denn jetzt hatte er keinen anderen Trost mehr, als dass er sein Tabaksröllchen im Munde umherwarf und seinen Zopf band.

Doch alles in der Welt ist dem Wechsel unterworfen, und so trat denn auch für die Fregatte ein Wechsel des Stationsplatzes ein, da sie ins Ausland kommandiert wurde. Sir Herkules verabschiedete sich von seiner gnädigen Dame, welche sich nun nach Tonbridge-Wells zurückzog, und mein Vater von meiner Mutter, die sich nach Woolwich begab. Sie hatte sich in ihrem Dienste einiges Geld erspart, und mein Vater händigte ihr allen Sold ein, den er erhielt, als die Schiffsmannschaft vor der Ausfahrt der Fregatte bezahlt wurde. Ich muss Sir Herkules die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass er, sobald er die Soundings und den Einfluss seiner Frau im Rücken hatte, meinen Vater wieder in sein früheres Amt einsetzte. Sounders war übrigens in der That der hübscheste und beste Matrose im Schiffe und verstand sich vortrefflich auf seinen Dienst, hatte auch ausserdem unter Rodney gefochten und die Belagerung von Gibraltar mitgemacht.

Ich muss jedoch zu meiner Mutter zurückkehren, welche sich nach der Abreise meines Vaters in einer Vorstadt von Woolwich einmietete. Von der abermaligen Standeserhöhung meines Vaters wusste sie nichts, und da sie nicht wünschte für die Gattin eines gemeinen Matrosen gehalten zu werden, so bezeichnete sie ihren Mann als den Kapitän eines Kauffahrers, welcher den Transport von Truppen nach Westindien übernommen habe. Diese Angabe verschaffte ihr Aufnahme in Gesellschaften, die über ihrer wahren Stellung standen, und da sie hiedurch genötigt war, mehr Geld auszugeben, als sie erschwingen konnte, so schwanden ihre Finanzen rasch dahin. Im Laufe der Zeit trat ich ans Licht — ein hübsches Bübchen, das aber zu nichts aufblicken konnte, als zu einer fast bettelarmen Mutter, einem abwesenden Vater (wenn er überhaupt noch am Leben war), dem Werkhause und dem Himmel.

Der arme Jack

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