Читать книгу Der arme Jack - Фредерик Марриет - Страница 8

Sechstes Kapitel.

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Ein schöner, angenehmer Abend nach einem Sturme, in welchem die Kunst des Angelns in einer Weise eingeführt wird, die selbst die Kunst eines Isaak Walton hätte erreichen können.

„Ich bitte um Verzeihung, Messmate,“ sagte Ben, sobald er und mein Vater vertraulicher geworden waren, „aber darf ich so frei sein zu fragen, wie Ihr’s anfingt, um diese Naht über Euern Figurenkopf zu kriegen? Wenn ich recht hörte, so habt Ihr etwas von einem Franzosen gesagt, und da der Krieg nun schon zwei Jahre dauert, so kann ich mir denken, dass Ihr etliche Mal mit den Musjös angebunden habt.“

„Schätz wohl,“ versetzte mein Vater. „Nun, alter Knabe, ich will zuvor meine Pfeife annetzen und dann Euch alles erzählen — ’s wird nicht lange dauern. Die Boote wurden ausgesetzt — —“

„Von welchem Schiffe, Messmate?“

„Ganz richtig, ich habe in der Mitte angefangen. Nun, von dem Schiffe, zu dem ich jetzt gehöre, von dem ‚Audacious‘ — wir lagen mit dem Geschwader auf der Höhe von Ferrol — Signal gemacht, nach Südosten zu jagen — jeden Stich aufgeklappt — nach zwei Kanonenbooten, die an der Küste hinunterliefen. Leichte Winde — kamen gut landeinwärts und wurden dann von einer Windstille befallen. Die Kanonenboote waren vier Meilen weiter und brauchten ihre Ruder — unsere Boote kamen zur Jagd heraus. Ich war der Führer der ersten Pinasse — ein verteufelt schnelles Boot, Messmate, kann ich Euch sagen, mit einer feinen Messingkanone — ruderte zweimal so schnell als der Feind und kam Hand über Hand an ihn — beide Kutter und die andere Pinasse hielten mit uns gleiche Geschwindigkeit, während die alte Lansche eine halbe Meile im Stern war. Nun seht Ihr, Sir, habe ich das ganze Bild vor Euch aufgerollt, oder nicht?“

„Vollkommen,“ versetzte der alte Ben.

„Wohlan denn, es war ein langer Zug, und das erinnert mich, dass ich jetzt gleichfalls einen langen Zug thun will. Bietet mir den Krug herüber, Messmate.“

Mein Vater that einen schrecklich langen Zug aus dem Zinnkruge, händigte ihn dann Ben ein und fuhr fort:

„Wir waren bald in Schussweite; sie wandten jetzt ihre Schnäbel gegen uns, tüchtig auf uns losfeuernd. ’s waren gute Kugeln, denn sie rissen uns drei unserer Steuerbordruder weg, ehe wir nahe genug kommen konnten, um das Feuer mit unserem kleinen Geschütz zu erwidern. Je nun, die zweite Pinasse und die Kutter kamen heran, teilten die Kugeln mit uns, und endlich humpelte auch die alte fette Lansche nach, welche die ganze Zeit wie ein alter Eber grunzte und ihre Kugeln und Kartätschen austeilte. In der Lansche war der erste Leutnant, der natürlich kommandierte und Befehl erliess, dass sich die Boote mehr trennen sollten, was ganz recht war, weil so die Kugeln mehr verteilt wurden. Dann ging das Wort herum, wenn das Horn töne, sollten wir auf das vorderste Kanonenboot zurudern und es entern. Versteht Ihr mich, Messmate?“

„Vollkommen,“ versetzte Ben, zur Antwort die Pfeife aus dem Munde nehmend.

„Gut denn; gebt mir den Krug herüber.“

Mein Vater leerte ihn diesmal und trug mir auf, ihn wieder füllen zu lassen.

„Dann höre ich aber Eure Geschichte nicht,“ entgegnete ich.

„Sorge nicht, Knabe,“ erwiderte Ben; „ich verspreche Dir, dass Dein Vater beilegen soll, bis Du wieder zurück bist.“

„Ja, so soll’s sein, Jack,“ sagte mein Vater.

Nachdem ich nun mit aller Behendigkeit meine Aufgabe erfüllt hatte, fuhr mein Vater wieder fort:

„Gut, da waren wir alle und warteten auf das Horn; jedes Boot kroch allmählich weiter, so dass wir einen schönen Vorsprung hatten, wie man’s in einem Wettrennen zu halten pflegt. Als endlich das Signal gegeben wurde, ging’s mit uns dahin, wie Rauch, mit lauter doppelt bemannten Rudern. Meine Pinasse langte zuerst an dem Kanonenboote an, dann knallten die Kutter herbei — wir alle windwärts — während die zweite Pinasse und die Lansche leewärts von dem Feinde standen, ’s braucht nicht viel Klettern, um an Bord eines Kanonenbootes zu kommen. In der That, wir waren darauf, ehe wir aus dem Boote waren, denn die Franzosen hatten Piken, so lang, als der Spankerbaum. Aber wir gerieten bald zwischen die Spitzen und nun kam’s zum Handgemenge. Ich muss ihnen nachsagen, sie standen gut im Kampfe und hielten sich stets brav. Wir mögen zwar über sie lachen und sie Johnny Crapauds nennen, aber sie sind eine tapfere Nation, obgleich keine guten Seeleute. Auch glaube ich, der Fehler liegt in ihrer Sprache, denn sie ist zu lärmend, als dass man den Dienst recht verstehen könnte, und sie werden nie ordentliche Matrosen werden, bis sie englisch lernen.“

„Ich habe nie französisch kommandieren hören“, sagte Ben, „und kann gar nicht begreifen, wie’s überhaupt nur möglich ist.“

„Nun, ich hab’s gehört“, versetzte mein Vater, „und jedes Wort, das sie brauchen, ist so lang, wie die Bolinie des grossen Marses: die Stenge ist über die Seite, ehe sie damit zu Ende kommen können. Würdet Ihr’s wohl glauben? Ich fragte einen dieser Burschen, wie der Fockmast in seiner Sprache heisse, und was denkt Ihr wohl, sagte er? Ich will auffliegen, wenn er ihn nicht ein ‚Mattemissäng‘ nannte (und das ist das einzige bischen Französisch, was ich kann); aber wie ist’s möglich, mit einem solchen Gefasel ein Schiff zu leiten?“

„Rein unmöglich“, entgegnete Ben.

„Nun, da ich ein bischen aus meinem Kurs abgegiert bin, so könnten wir, schätz wohl, einen andern Zug thun, eh’ ich aufs neue anhole?“

Nachdem beide getrunken hatten, nahm mein Vater seine Erzählung wieder auf.

„Gut, Messmate, ich war so bald auf dem Schanddeck, wie die anderen, und da kam wie der Blitz ein Säbel aus mich nieder. Ich hatte just noch Zeit, meinen Stutzer aufzuheben, um mir den Kopf zu schützen, und dann fand ich, dass es der Säbel des französischen Leutnants war, der das Kanonenboot kommandierte. Er war ein grosser, sauber gebauter Offizier mit Locken, die ihm an der Seite herunterhingen, wie Pudelhaare — jedes Röllchen nicht dicker, als ein Taugarn, und vielleicht ihrer tausend — er hatte eigentlich Schaum vor dem Munde (das ist wieder ein Fehler bei diesen Franzosen — sie nehmen die Dinge nicht kaltblütig, sondern setzen sich um nichts in Leidenschaft). Da denke ich bei mir selbst, es geht doch nicht, dass Du Dich in dieser Weise zerstücken lässt, denn als ich parierte, prickelte mir die ganze Hand unter der Gewalt des Hiebes. Ich stürzte also auf ihn los und stiess ihm das Heft meines Stutzsäbels in den Mund. Er fiel und seine eigenen Leute traten ihn unter die Füsse, während wir mit Hammer und Zangen auf sie losgingen. Mittlerweile verursachte das Entern der Lansche und der Pinasse im Lee (denn sie konnte nicht sobald herankommen als wir), eine Diversion, und trieb den Franzmann zu Paaren, der nun kaum wusste, wohin er sich wenden sollte. Da jedoch auf der andern Seite mehr von unseren Leuten waren, so drehten sich die meisten, und mittlerweile hatte sich auch der französische Offizier auf die Kniee geworfen. Während ich eben geschäftig war und ihn nicht sehen konnte, versetzte er mir diesen Hieb über den Figurenkopf, der gerade nicht zur Erhöhung meiner Schönheit beiträgt. Nun, es kam Hieb für Hieb, Messmate. Ich nahm mir nur Zeit, dem Bettler einen einzigen Blick zuzuwerfen, und trieb ihm, wie er gerade ganz aufstehen wollte, meinen Hirschfänger in den Schädel, so dass er umpurzelte und sich nie wieder erhob. — Das ist meine Geschichte.“

„Schätz wohl, Ihr habt das Fahrzeug genommen?“

„Ja, und seine Kameraden dazu. Aber viele haben ihre Tischnummer und ich alle meine Schönheit verloren. Gebt mir den Tabak herüber, Messmate — und Jack hole noch einen Krug Bier.“

Als ich zurückkehrte, fand ich beide stumm neben einander rauchend; nach einer Weile aber sagte mein Vater:

„Kamerad, da ich Euch gesagt habe, wie ich zu dieser Kerbe gekommen bin, so könnt Ihr mir, schätz wohl, zur Erwiderung auch erzählen, wie es zuging, dass Eure Nase so hart steuerbord fixiert wurde. Das ist ehrlich Spiel.“

„Habt vollkommen recht“, versetzte Ben. „Je nun, seht Ihr, ich habe die meiste Zeit meines früheren Lebens im Walfischgewerbe gedient. Ich machte drei Reisen nach dem Norden, aber das Fangen des Walfisches gilt für nichts. Ihr müsst südwärts nach dem Sparmacitty jagen, wenn Ihr einen rechten Spass sehen wollt.“

„Ich habe nie in diesem Fache gedient“, entgegnete mein Vater, „wohl aber Leute ein wahres Teufelsgarn darüber spinnen hören.“

„Nun, das können sie auch, ohne der Wahrheit Abbruch zu thun, Kamerad. Ihr müsst nämlich wissen, der Sparmacitty nimmt die Harpune nicht so ganz ruhig hin, wie der schwarze Walfisch; er kämpft hart bis aufs letzte und ist bisweilen sehr frei mit seinen Kinnbacken. Die ganz grossen sind am leichtesten zu töten, weshalb wir stets, wenn’s möglich ist, diese aussuchen, da sie uns weniger Mühe machen, und mehr Öl geben. Die gefährlichsten aber sind die halberwachsenen, welche wir die „Vierzig-Tonnen-Ochsen“ nennen, weil sich ungefähr so viel Thran aus ihnen gewinnen lässt.“

„Nun“, entgegnete mein Vater, „hol mich Gott, wenn ich je zuvor wusste, dass man Walfische Ochsen nennt.“

„Ja, das ist unser Ausdruck“, sagte Ben; „und jetzt zu meiner Geschichte! Wir waren drunten auf der Höhe von Japan, als gegen ein Uhr nach Tagesanbruch der Ausluger auf dem Stengenkopfe das Signal gab, durch das man gewöhnlich einen blasenden Walfisch ankündet. ‚Da spritzt er.‘ Und dies wiederholt er jedesmal, so oft sich der Fisch erhebt. Wir hatten damals saubern Raum, denn wir waren eben erst auf unsern Fischergrund gekommen und hatten’s gewaltig eifrig. Die Boote waren im Nu niedergelassen, und wir ruderten dahin. Wir standen ungefähr eine Viertelmeile von dem Walfische, als er zu unserem grossen Verdrusse seine Arme auftoppte — —“

„Was ist das, Kamerad?“ fragte mein Vater.

„Je nun, Ihr seht, das ist im Grunde der rechte Ausdruck, denn der Schwanz des Sparmacitty sieht just aus, wie die Arme eines Ankers. Jetzt versteht Ihr mich natürlich?“

„Ja, und Ihr wollt damit vermutlich sagen, dass er hinunterging.“

„Ganz recht; denn wie könnte er köpflings niedertauchen, ohne dass er seinen Schwanz in die Luft toppte?“

„Man lebt und lernt, so lang’ man lebt“, bemerkte mein Vater. „Fortgemacht, alter Knabe.“

„Nun, da Ihr nicht wissen könnt, was Ihr nie gehört habt, so muss ich Euch jetzt sagen, dass diese Tiere so regelmässig sind, wie die Glockenzüge auf einem Kriegsschiff; wenn sie hinuntergehen, um sich Nahrung zu holen, so bleiben sie genau so lange, als auf einem gemächlichen Schiffe Zeit zum Essen gestattet ist — das heisst auf den Punkt siebenzig Minuten; Ihr wisst, eine Stunde ist die regelmässig zugestandene Frist, und die andern zehn Minuten sind eine Vergünstigung des wachthabenden Offiziers oder des ersten Leutnants. Wir wussten, dass wir so lange auf ihn warten mussten, zogen deshalb unsere Ruder auf und legten bei.“

„Dann haben, schätz wohl, diese Sparamitty-Kunden eine Uhr in ihrer Tasche“, sagte mein Vater lächelnd.

„Es ist demungeachtet eine wahre Rechnung, Kamerad, von der sie nie abgehen. Wie und warum sie so ihre Zeit kennen, weiss nur Gott, der ihnen den Instinkt dazu gab. Es ist eins von den Wundern der Tiefe, welche nur diejenigen schauen können, welche sich auf die grossen Gewässer begeben.“

„Das geht über meine Fassungskraft“, versetzte mein Vater, „und doch habe ich Tiere mit grossem Verstand gesehen. Auf einem Schiffe hatten wir ein Schaf, das Tabak kauen und Grog trinken konnte. — Nun fahret fort.“

„Gut, wir hatten ungefähr eine halbe Stunde gewartet, als wir ein Signal an dem Stengenkopf des Schiffes sahen, aus dem wir entnehmen konnten, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf einen andern Punkt richten müssten. Wir blickten deshalb am Horizont umher und bemerkten, dass etwa drei Meilen von uns eine ganze Schule von jungen Ochsen stand. Wir zählten im ganzen vier Boote, und der erste Mate forderte das meinige nebst einem der übrigen auf, Jagd nach den Bestien zu machen, während er mit den andern beiden auf das Wiederkommen des alten Walfisches warten wollte. Gut, wir fuhren ab und trafen bald auf die Schule. Solche Tiere sind die widerlichsten beim Walfischfang, denn sie sind nicht nur sehr wild, sondern obendrein leicht zu verscheuchen. Ich las mir eines davon aus und versuchte in seine Nähe zu kommen; aber es war sehr scheu, hob endlich seinen Kopf ganz aus dem Wasser und schwamm mit einer Geschwindigkeit von zehn Meilen in der Stunde davon. Daraus konnten wir entnehmen, dass es die ihm drohende Gefahr kannte. Ich hatte eben daran gedacht, den Burschen aufzugeben und es mit einem andern zu versuchen, als er plötzlich wieder umwandte und gerade auf die Boote zukam. Daraus erkannten wir, dass er Unheil brütete, aber während er auf uns zuschwamm, kam er so dicht an dem andern Boote vorbei, dass ihm der Steuermann die Harpune tüchtig in den Leib werfen konnte. Dies machte ihn noch wilder; er stand gerade vor dem Boote und pflügte ganze Wellen auf, als er weiter schoss. Ich hatte mich im Bug mit der Harpune aufgepflanzt und die übrige Mannschaft war bereit, rückwärts zu rudern, um der Bestie auszuweichen. Der Kerl kam heran, und als seine Schnauze noch etwa sechs Fuss von uns abstand, ruderten wir scharf seitwärts, bei welcher Gelegenheit ich ihm die Harpune tief in die Finne gab. „Alles sternwärts!“ lautete das Geschrei wie gewöhnlich, um das Tier klar von uns abzuhalten. Es peilte alsbald, das heisst, es ging köpflings hinunter, und das fürchteten wir am meisten. Denn Ihr müsst wissen, dass wir nur zweihundert Faden Leine in jedem Boote hatten. Da nun beide Harpunen in ihm staken, so konnten wir, im Falle es tief eintauchte, nicht eine an die andere anschlagen, denn der Walfisch geht bisweilen ganz senkrecht hinunter, und nimmt vier Leinen oder achthundert Faden mit sich. Wir erwarteten deshalb, wir würden diesmal sowohl die Bestie, als auch die Leinen verlieren, denn wenn sie ausgelaufen sind, müssen wir sie entweder kappen oder mit hinuntergehen. Gut, die Leine lief so geschwind ab, dass wir Wasser aufgiessen mussten, damit sie sich nicht entzündete, wir dachten bereits, dass alles vorüber sei, denn die Leinen hingen schon zu zwei Dritteilen im Wasser, und es ging noch immerfort so schnell, als je, als plötzlich ein Stillstand eintrat. Wir holten die schlaffen Leinen wieder herein und sahen endlich das Tier eine Viertelmeile entfernt wieder auftauchen. Nun ging es an ein Hurra, denn wir meinten es jetzt schon zu haben. Der Walfisch schoss mit in die Höhe gereckter Nase recht in das Wind-Auge und taute die beiden Boote mit einer Geschwindigkeit von zwanzig Meilen in der Stunde fort. Unsere Vordersteven pflügten durch die See und warfen das Wasser wie Federn auf beide Seiten der Buge, während die Sonnenstrahlen durch die Sprühe drangen und einen glänzenden Regenbogen bildeten. Wir hofften, das Tier werde bald müde und wir im stande sein, unsere Leinen einzuholen, damit wir ihm nahe genug kämen, um ihm unsere Lanzen zu geben. Das war aber nur eine Hoffnung, wie Ihr bald hören werdet. Plötzlich machte der Walfisch Halt, drehte um und kam mit aufgesperrtem Rachen geradeswegs auf uns zu. Wir konnten jetzt weiter nichts thun, als beiseite gehen und ihm drei Lanzen geben. Er schien nicht schlüssig zu sein, welches Boot er angreifen wolle, denn er gähnte, da wir sehr nahe bei einander waren, bald gegen das eine, bald gegen das andere. Endlich schoss er geradeswegs auf unsern Nachbar zu; doch der Bootsetzer wich ihm geschickt aus, während wir ihm näher ruderten und ich ihm die Lanze bis an den Schaft in die Seite stiess. Er bäumte sich jetzt, als ob er wieder weilen wollte, warf aber dabei mit seinen Armen unser Boot etwa zwanzig Fuss hoch in die Luft. Es wurde gerade in zwei Hälften geschlagen und einer der Bootsdosten flog quer gegen meine Nase, die seitdem nicht wieder gerade werden wollte. Da habt Ihr es nun, Kamerad, und ich will es Euch nicht übel nehmen, wenn Ihr das Bier ein bischen herüberbietet, denn das lange Garn hat meine Kehle etwas trocken gemacht.“

„Wenn Ihr einen Zug gethan habt, alter Knabe, so könnt Ihr mir eben so gut auch sagen, wie die Geschichte ausgegangen ist“, bemerkte mein Vater.

„Je nun, sie endigte damit, das wir erstlich den Walfisch und zweitens das Boot mit seinem Gezeug verloren. Wir wurden von dem andern Boote aufgelesen und hatten dabei keine Zeit zu verlieren, denn die Witterung des Walfischbluts hatte die Haifische herbeigeholt. Der Walfisch peilte wieder, und wir sahen uns genötigt, die Leinen zu kappen und an Bord zurückzukehren. Aber Gott behüte, Kamerad, ich könnte Euch noch manches viel längere Garn spinnen, vielleicht geschieht’s auch dieser Tage.“

„Gut, es wird mir lieb sein“, versetzte mein Vater; „aber Eure Fischgeschichte da ruft mir einen etwas kuriosen Fisch ins Gedächtnis, den ein Junge an Bord eines Kriegsschiffes fing. Ich denke übrigens, wir wollen jetzt das Krüglein leeren und Jack nach einer frischen Füllung fortschicken; wenn er zurückkommt, kann ich Euch das weitere erzählen.“

„Nichts macht mir mehr Vergnügen“, entgegnete Ben, „als den Abend, wie eben jetzt, in nüchterner Weise mit Erzählen und Anhören von langen Garnen zu verbringen — wie, Du bist doch nicht schläfrig, Jack?“

„Oh nein“, antwortete ich, „nicht im geringsten. Ich will den Porter holen, aber lass den Vater nicht anfangen, bis ich wieder zurück bin. Das Haus wird bald geschlossen; soll ich mehr als einen Krug bringen?“

„Ja, Jack, aber kein Bier mehr“, erwiderte mein Vater, mir etwas Silbergeld in die Hand drückend. „Ein Krüglein meinetwegen noch, aber dann eine Flasche Rum. Wir wollen uns in dieser Weise eine Nachtmütze aufsetzen, alter Knabe.“

Ich beeilte mich, das Bier und den Branntwein zu holen und war bald wieder zurück. Mein Vater und Ben füllten ihre Pfeifen auf, und der erstere begann folgendermassen:

„Als ich Schiemann an Bord der ‚Melpomene‘ war, hatten wir einen alten Burschen, namens Fletcher, als ersten Leutnant. Er war ein gutherziger Mann und plagte die Mannschaft nicht ohne Grund, hielt aber gleichwohl gewaltig viel auf einen pünktlichen Dienst und übersah keine Nachlässigkeit oder Ordnungswidrigkeit, obgleich er bei einem bischen Lerchen die Augen zudrückte, nach dem Hinterschiffe ging und dergleichen that, als sehe und höre er nichts. Seine gewöhnliche Phrase lautete: ‚meine Bursche, Ihr habt Eure Pflicht zu thun und ich die meinige.‘ Und dies wiederholte er wohl fünfzigmal des Tages, so dass man ihn zuletzt nur die ‚alte Pflicht‘ nannte. Ich meine ihn noch zu sehen, wie er auf und ab ging, das Spähglas unter seinem linken Arme und die rechte Hand in die Brust gesteckt, als ob er nach einem Floh suche. Sein Hut war an der Vorderseite sehr zerrissen und abgenützt, weil er ihn beständig abnahm, statt bloss an ihn hinaufzustechen, wenn er auf das Halbdeck kam. War es dann so weit mit ihm, dass der Kopf durchschien, so pflegte er ihn umzuwenden und die Hinterseite nach vorn zu bringen. Dies that dann solange gut, bis derselbe, wie die Yankees sagen, ‚nur ein Fetzen‘ und Mr. Fletcher genötigt war, einen neuen zu kaufen.

„Gut, wir hatten einen Knaben an Bord, der eines Tages eintrat, als der Kapitän zu Torquai ans Land gegangen war, um mit einem Freunde zu dinieren. Er hiess Jack Jerwis. Sein Vater und seine ganze Sippschaft waren seit undenklichen Zeiten Fischer gewesen, Jack selbst hatte, fast von der Wiege an, von einem Jahresende bis zum andern seinem Vater helfen müssen. Ihr begreift also wohl, dass ihm das Fischen zur andern Natur geworden war, die sich auch, nachdem er an Bord gekommen, nicht verlor; denn es war ihm nie wohler, als wenn er seine Leine über Bord werfen oder in irgend einer Ecke eine Angel einflechten konnte. Er hatte nur den Namen Jack, der Fischer, und war im ganzen ein netter, rühriger, gutwilliger Junge.

„Nun gab es eine kleine Schwierigkeit zwischen der alten Pflicht und Jack, dem Fischer. Die alte Pflicht wollte keine Leine über Bord werfen lassen, wenn das Schiff im Hafen lag, denn er sagte, es gewinne den Anschein, als habe man an Bord nichts zu thun, wenn man sich Zeit zum fischen nehme. Jack hatte daher seine Leine noch nicht zehn- oder zwölfmal aufgezogen, als er selbst aufgeholt wurde. ‚Wem gehört diese Leine?‘ fragte die alte Pflicht. ‚Mir, Sir‘, sagte Jack, an seinen Hut langend. ‚Ich gestatte kein Fischen, junger Mensch‘, sagte der erste Leutnant, ‚habt Ihr mich verstanden? — Das Fischen ist verboten. Ihr habt Eure Pflicht zu thun, Bürschlein, und ich die meinige.‘

„Jack, der erst zwei oder drei Tage an Bord war und wahrscheinlich nie eingetreten wäre, wenn er gewusst hätte, dass ein solches „Veto“ (wie es der Hochbootsmann zu nennen pflegt) eingelegt werden könnte, sah ganz erstaunt darein und sagte:

„‚Wie, darf ich nicht fischen, Sir?‘

„‚Nein, junger Mensch, Ihr dürft nicht fischen ohne Erlaubnis, und diese wird im Hafen nie erteilt. Wenn ich Euch wieder darüber ertappe, kriegt Ihr zwei Dutzend vor der Kanone. Merkt Euch das. Ihr habt Eure Pflicht zu thun und ich die meinige.‘

„Nun konnte Jack seine Gewohnheit nicht aufgeben, sondern fischte jetzt des Nachts, und zwar die ganze Nacht hindurch aus den Fockputtingen. Da traf sich’s aber, dass der Schiffskorporal in der Mittelwache ihn erwischte und dem ersten Leutnant hievon Meldung machte.

„‚So, Ihr habt also wieder gefischt, Sir?‘ sagte die alte Pflicht.

„‚Nein, Sir?‘ versetzte Jack, ‚nicht gefischt — nur Nachtleinen gelegt.‘

„Ah, so!‘ entgegnete der erste Leutnant, ‚nur Nachtleinen gelegt! Nun, so sagt mir, worin liegt denn der Unterschied?‘

„‚Mit Erlaubnis, Sir‘, sagte Jack, an seinen Hut langend, ‚der Unterschied ist — — dass es nicht das nämliche ist.‘

„‚Gut, Sir, ich sehe nur einen einzigen Unterschied und will demgemäss handeln. Ihr habt Eure Pflicht zu thun und ich die meinige.‘

„Der Waffenmeister hatte die Köpfe und Ohren der Knaben gehörig hin- und hergepufft und sie nach ihren Übungen entlassen, so dass Jack bereits dachte, man werde nicht weiter nach ihm fragen; aber er war im Irrtum.

„Nachdem mit dem Einbruche der Nacht die Hängematten niedergepfiffen waren, beschied der Waffenmeister die Knaben herauf, und Jack wurde nach der Kanone gebracht, wo er seine zwei Dutzend erhielt.

„‚So, Bürschlein‘, sagte die alte Pflicht, als man die Stricke wieder losmachte, ‚wenn das Fischen bei Nacht kein Fischen ist, so ist eine Züchtignng bei Nacht auch keine Strafe. Wir sind jetzt quitt. Ihr habt Eure Pflicht zu thun und ich die meinige.‘

„Ich glaube nicht, dass Jack einen grösseren Unterschied in den Nacht- und Taghieben fand, als der erste Leutnant im Tag- und Nachtfischen; wie dem übrigens sein mag, er legte für eine Weile seiner Liebhaberei Zwang an. Endlich traf sich’s aber, dass der erste Leutnant von dem Hafenadmiral zur Tafel gebeten wurde, und obgleich er nur selten das Schiff verliess, so konnte er doch eine derartige Aufmerksamkeit nicht wohl zurückweisen. Er ging deshalb ans Land, und sobald es dunkel war, hielt Jack seine Abwesenheit für eine zu gute Gelegenheit, sich einen Fisch zu holen; er begab sich demgemäss in die Besahnputtingen und warf seine Leine aus. Nun, er fischte (ob er etwas gefangen hat oder nicht, weiss ich nicht zu sagen), bis das Boot angebreyt wurde, in welchem der erste Leutnant wieder an Bord kam, und nun hielt es Jack für Zeit, seine Leine heraufzuholen. In demselben Augenblicke geschah aber ein Ruck, und Jack, der daraus entnahm, dass ein Fisch anbiss, hätte ums Leben nicht seine Leine heraufziehen können — denn seht Ihr, er war ein Fischer mit Leib und Seele. Er vertraute also auf die Vorsehung und hoffte, der erste Leutnant werde in seine Kajüte hinuntergehen, sobald er auf das Deck käme.

„Nun, das Schiff lag damals quer in der Flut und der Wind blies gegen die Strömung. Die Steuerbordseite, die für den Wind leewärts, für die Strömung aber windwärts lag, war abgeräumt und für das Boot bemannt worden weshalb Jack zuversichtlich in der Hoffnung lebte, der erste Leutnant werde an dieser Seite anfahren; aber er war im Irrtum. Wollte vielleicht der Offizier Musterung halber das Schiff umfahren — ich weiss es nicht; genug, er ruderte quer vor den Bugen vorbei, ging um den Stern und kam auf die Backbordseite. Jack duckte sich unter das Lee der Jungfern und der Taljereepen, um nicht entdeckt zu werden; aber der erste Leutnant, der den klaren Horizont auf der andern Seite hatte, bemerkte die halb aufgezogene Leine, und da er ein Auge, wie eine Katze hatte, so entging ihm auch Jack nicht.

„‚Ah, ich sehe, Sir — Mr. Jervis, Ihr fischt wieder. Ganz gut‘, rief der erste Leutnant im Vorbeifahren von den Sternschooten des Bootes aus. ‚Ihr habt Eure Pflicht zu thun und ich die meinige.‘

„‚Das ist so gut, wie zwei Dutzend morgen früh bei der Musterung‘, dachte Jack, welcher sein Pech verfluchte und in sehr melancholischer Stimmung seine Leine aufzuziehen begann, die er, sobald er entdeckt worden, wieder hatte fallen lassen. Nun traf es sich, dass beim Hinaufsteigen der Fuss der alten Pflicht ausglitt. Wie dies zuging, kann ich nicht sagen, denn ich hörte, er sei nicht im mindesten grogig gewesen — aber er fiel zwischen dem Schanddeck des Boots und der Schiffsseite herunter, just wie ein Tiefloth, und verschwand. Es waren so wenige Leute auf dem Deck, dass nicht viel Lärmen darüber erhoben wurde — man tauchte etlichemal mit den Enterhaken nach ihm unter — aber vergebens — die alte Pflicht war fort.

Inzwischen holte Jack auf der andern Seite langsam seine Leine auf, war aber noch nicht halb damit fertig, als er ein schweres Strammen fühlte. Er dachte, ein grosser Meeraal sei dem Köder gefolgt, wie dies bisweilen der Fall ist, und zog und zog aus Leibeskräften. Was brachte er aber endlich heraus? Niemand anders als die alte Pflicht, welche durch die Flut unter dem Schiffsboden weggefegt und von Jack angehakt worden war, als er seine Angel an sich zog. Er sagte mir später, er habe im ersten Augenblicke, als er gesehen, dass es der erste Leutnant sei, gute Lust gehabt, wieder loszulassen; dies währte jedoch nur einen Augenblick. Die Worte des Offiziers klangen noch in seinen Ohren: ‚Ihr habt Eure Pflicht zu thun und ich die meinige‘ — und Jack that seine Pflicht. Er rief aus, er habe die alte Pflicht gefangen und das Boot kam herum, um sie an Bord zu nehmen. Der alte Knabe war ganz bewusstlos; da er aber nur kurze Zeit im Wasser gelegen hatte, so schaffte man ihn zu Bette, wo ihn der Wundarzt bald wieder ins Leben zurückrief. Am andern Morgen ging er wieder wie gewöhnlich auf dem Deck einher, die rechte Hand in der Brust und das Spährohr unter seinem linken Arm, als ob nichts vorgefallen wäre.

„Wir alle sagten Jack, dass er diesmal sicher sei, er aber schien unsere Ansicht nicht zu teilen. Er schüttelte blos den Kopf — nun, Ihr werdet sehen, wer recht hatte.

„Als am nächsten Morgen die Knaben in Linie gemustert wurden und ihre Pfoten aushielten, wandte sich der erste Leutnant um und sagte:

„‚Jervis, Ihr habt gestern Nacht gegen meinen Befehl gefischt.‘

„‚Ja, Sir‘, versetzte Jervis, ‚und habe einen ersten Leutnant gefangen‘, denn Jack hatte eine gute Portion Witz in sich.

„‚Ja, Sir, und das sind bisweilen wunderliche Fische‘, versetzte die alte Pflicht; ‚aber vergesst nicht, dass Ihr auch zwei Dutzend gefangen habt. Ihr müsst Eure Pflicht thun und ich die meinige.‘

„Nun, Ihr könnt Euch denken, dass viele von uns nach hinten schauten, nur um zu sehen, was stattfinden würde, denn wir waren nicht wenig erstaunt über den Einfall, Jack für die Rettung von des ersten Leutnants Leben mit zwei Dutzend zu belohnen; natürlich verhielten wir uns aber mäuschenstille. Jack wurde angebunden; der erste Leutnant flüsterte dem Waffenmeister ein Wörtchen zu, der dann wiederum dem Hochbootsmannsmaten William etwas ins Ohr raunte. Die Folge dieses Geflüsters war, dass die Katze unserem Jack kaum fühlbar aufgelegt wurde — und zwar so leicht, dass der erste Leutnant wegging, um nicht als dabei beteiligt zu erscheinen. Jack wurde wieder losgemacht, ohne auch nur eine halbe Thräne im Auge zu haben, und nun ging die alte Pflicht auf ihn zu.

„‚Ihr habt gestern Nacht gegen meine Befehle gefischt und deshalb Eure Bestrafung erhalten. Ihr habt aber auch mein Leben gerettet, weshalb es meine Pflicht ist, Euch zu belohnen. Die Züchtigung konnte ich Euch nicht erlassen, da Euch sonst der König bezahlt haben würde, während es doch mir zusteht, es zu thun. Ich bin kein reicher Mann, aber hier habt Ihr zehn Guineen in Eure Tasche und hier meine goldene Uhr. Verbraucht die ersteren nützlich und behaltet die andere — merkt Euch übrigens, Jack Jervis, wenn Ihr je wieder im Hafen über dem Fischen ertappt werdet, so erhaltet Ihr zuverlässig Eure zwei Dutzend für die Mühe. Ihr habt Eure Pflicht zu thun und ich die meinige.‘“

„Nun, Kamerad, das ist eine kuriose Geschichte und handelt von noch kurioseren Leuten. Ich hätte mir nichts daraus gemacht, mit dieser alten Pflicht zu segeln. Schätz wohl, wir trinken seine Gesundheit.“

„Von ganzem Herzen, denn Ihr habt recht, alter Knabe. Wenn wir wissen, was wir zu gewärtigen haben, so müssen wir stets darauf gefasst sein, aber einige von den Offizieren, mit denen ich segelte, schlugen um, wie ein Verklicker, und da weiss man nie, wie man mit ihnen dran ist. Ich erinnere mich — — aber he, Jack, schätz wohl, Du thust Dich ein — Deine Augen zwinkern und blinzeln wie die einer Eule im Sonnenschein. Du bist müde, Knabe; geh’ daher zu Bette. Heute Nacht werden keine Fäden mehr erzählt.“

Ich war allerdings sehr müde und konnte meine Augen kaum mehr offen halten; ich ging daher die Treppe hinauf und schlief, als ich meinen Kopf auf das Kissen legte, sogleich ein.

Der arme Jack

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