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Lebenskunde Nr. 903

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Als unsere Lebenskundelehrerin Frau Renzi in den Schwangerschaftsurlaub ging, waren wir alle total traurig. Wir mochten sie, sie mochte uns, sie mochte Kinder. Die kommt nicht wieder, dachten wir. Wenn die erst eins hat, kommt auch noch eins, sagte Tibia. Und noch eins. Das dachten alle. Die kriegt bestimmt 14 Kinder, meinte Georg. Die hat ja einen netten Mann. Du musst nicht gleich den Teufel an die Wand malen, sagte Raffaela. Vierzehn Kinder bekommen heutzutage nur noch religiöse Extremisten. Und dann kam als Vertretung erstmal Frau Hass.

Sie wollte gleich mit uns über die Liebe sprechen. Das ist mir zu privat!, rief ich gleich. Das geht doch keinen etwas an. Manche haben mit der Liebe noch keine Erfahrungen gemacht, entgegnete Frau Hass. Das ist doch voll ok, wenn die nichts sagen und nur zuhören. Auch so kann man etwas lernen. Für mich ist auch Schweigen eine Form der mündlichen Beteiligung. Ich wollte etwas erwidern, aber Jeremy rief: Frau Hass! Wenn sie Frau Liebe hießen, würde wir dann jetzt über den Hass sprechen? Sie lachte. I wo! Ich finde es besser in unserer ersten gemeinsamen Stunde über etwas so Schönes wie die Liebe zu sprechen, das erleichtert den Beginn.

Ramona, was meinst du? Woher wissen sie meinen Namen? Geraten, sagte Frau Hass. Ich kann Namen raten, sagte Frau Hass, das ist ein Phänomen. Ich sehe einen Menschen an und weiß sofort, wie er heißt. Wir glaubten ihr kein Wort.

Ich finde die Liebe gar nicht so gut, meinte Ramona. Ich finde sie bringt viel Kummer. Ich will mich nicht noch mal verlieben, auf gar keinen Fall. Sie steht auf Idioten!, ruft Jeremy. Sie lässt sich sogar schlagen. Jeremy, bitte!, sagt Frau Hass. Ich denke: Wow, schon wieder richtig. Sie kennt tatsächlich unsere Namen. Lass Ramona bitte aussprechen. Wer kann sich das denn aussuchen, fragt Ramona, in wen man sich verliebt? Das sind doch chemische Substanzen und Prozesse, oder? Da kann man gar nichts machen. Ich war noch nie verliebt, sagt Phil. Ich weiß nicht, was das sein soll, Liebe. Stell dich nicht doofer als du bist, sagt Georg. Was Liebe ist, weiß jeder. Was denn?, fragt Phil.

Georg sieht ihn verständnislos an. Na, dieses Gefühl von Zuneigung und Wärme, das kennst du doch, du spielst doch Fußball, du liebst es, Fußball zu spielen, auch das ist Liebe. Ach so, ruft Phil. Ja, so gesehen hast du Recht. Ich mag auch meine Muskeln. Du liebst dich selbst, sagt Tibia.

Vielleicht bist du ja in dich selbst verliebt, das nennt man Narzissmus. Das klingt wie eine Krankheit, findet Maria. Ja, Narzissmus hat ein schlechtes Image, sagt Frau Hass. Und übertriebene Selbstliebe ist auch nicht liebenswert, das darf man ruhig sagen. Aber sich selbst gut finden, ist völlig in Ordnung.

Ich weiß nicht, sagt Rocky. Sehr viele Arschlöcher finden sich selbst so toll, ich hasse das. Bitte nicht hassen!, sagt Frau Hass. Und so einen Pauschalbegriff, ich meine einen Pauschalbegriff wie, ich möchte äh… das jetzt nicht wiederholen. Finde ich nicht hilfreich. Aber ich denke, wir wissen, was du meinst. Frau Hass! Kennen Sie einen besseren Begriff als Arschloch für diese Menschen?

Naja. Frau Hass überlegt. Ich würde sagen: Problematische Persönlichkeit. Alle lachen. Voll daneben!, ruft Jeremy. Es gibt so viele problematische Persönlichkeiten, die keine Arschlöcher sind. Wir sollten beim Thema bleiben, sagt Frau Hass. Die Arschlochdefinition heben wir uns für später auf. Sie blickt zu Boden. Tut mir leid, jetzt habe ich es auch getan. Glaub mir, ich bin ein guter Mensch, aber ich stamme aus der Unterschicht und manche Dinge wird man einfach nicht los. Ich sage gerne Arschloch und noch lieber Scheiße, ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie oft ich privat Scheiße sage.

Doch!, sagt Jeremy. Ich stamme zwar aus der Mittelschicht, aber mir geht es auch so. Es hängt mit dem Zustand der Welt zusammen. Mit dem des Menschen, präzisiert Frau Hass. Sie sieht auf Jeremys Hände. Sie denkt: Er ist intelligent, aber er hat Wurstfinger. Als ob das ein Gegensatz wäre. Die Liebe, fragt sie schnell, gibt sie euch Kraft? Wir nicken. Also, wenn man frisch verliebt ist, sagt Maria, ist die Liebe wie ein Atomkraftwerk, das ist so eine ungeheure Energie, man strahlt die ganze Zeit, alleine dafür hat sich mein Leben schon gelohnt. Warst du schon oft so schwer verliebt?, fragt Frau Hass.

Maria nickt. Achtzehn mal. Wir applaudieren. Nur Raffaela nicht. Das gibt es gar nicht, sagt sie kühl. Achtzehn mal verliebt! Das hat ja sowas Nuttiges! Maria zuckt zusammen. Nimm das sofort zurück, du Single-Fotze! Stopp!, ruft Frau Hass. So nicht!

Ich nehm’s zurück, sagt Raffaela. Aber wenn man sich so oft verliebt, kann’s nichts Echtes sein. Ich habe mich in meinen Mann verliebt und in sonst keinen. Wir sind jetzt über zehn Jahre zusammen. Leider will er keine Kinder, er hat Angst vor Ähnlichkeit. Er ist in Therapie. Aber ich könnte mir nicht vorstellen, mich noch einmal zu verlieben, sowas ist doch Schicksal. Der Eine so, der Andere so, sagt Rocky, wo ist das Problem? In der Oberflächlichkeit, sagt Raffaela. Du verliebst dich in einen, und zwei Wochen später in einen anderen. So können doch keine tiefen Gefühle entstehen. Doch, ruft Maria, meine Gefühle sind sehr tief! Tief unten, meinst du wohl, ruft Raffaela. Bitte!, sagt Frau Hass. Reißt euch zusammen. Habt Respekt vor der Anderen. Es bringt doch nichts, sich zu beleidigen. Mir schon, sagt Raffaela ungerührt.

Vielleicht sollten wir jetzt über Hass reden, schlägt Jeremy vor. Nein, sagt Frau Hass. Ihr sagt mir jetzt einfach mal, was ihr an irgendeinem aus der Klasse toll findet. Das hat doch nichts mit Liebe zu tun!, meint Phil. Vielleicht doch, sagt Frau Hass. Na los.

Also, ich mag Georgs Haare, sagt Maria. Solche schwarzen Locken hätte ich auch gerne. Und ich mag Georgs Hund!, ruft Jeremy. Ich mag Raffaelas Ehrlichkeit, sagt Rocky. Dann schweigen alle. Also, Leute, ruft Frau Hass, war das schon alles? Haare, Hund, Ehrlichkeit? Sie sieht mich an. Ich mag Ramonas kleine Brüste, sage ich leise. Hast du sie schon mal angefasst?, fragt Jeremy.

Nein, nur gesehen, sage ich. Sie hat sie mir gezeigt. Für 20 Euro. Lügner!, ruft Ramona. Ich würde nie für Geld meine Brüste zeigen. Du warst so pleite, sage ich. Nun tu nicht so.

Du hast ihre Notlage ausgenutzt, sagt Frau Hass, das ist nicht gut. Das ist widerwärtig. Liebst du Ramona? Nur ihre Brüste, sage ich. Frau Hass schiebt ihre Zunge zwischen Oberlippe und oberer Zahnreihe und bewegt sie hin und her. Es sieht nicht schön aus. Dann drückt sie die Zunge von hinten gegen die untere Zahnreihe und sagt: Ihr seid eine interessante Klasse. Könnt ihr bitte für die nächste Stunde Namensschildchen anfertigen und vor euch auf die Tische stellen?

Aber sie kennen doch unsere Namen, meint Georg. Nein, sagt Frau Hass. Das Namenraten klappt nur bei Unbekannten. Aber danach vergesse ich die Namen wieder. Also bitte, tut mir den Gefallen. Wir nicken. Ich will ihr noch sagen, dass ich sie auch interessant finde. Aber ich lasse es. Nachher kommt sie noch auf falsche Gedanken.

Die weitreichenden Folgen des Fleischkonsums

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