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Die Uhren

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Ich möchte nicht immer an die Zeit denken, sagt eine Uhr zur anderen. Dann lass es, sagt die andere. Ich denke fast nie an die Zeit. Du denkst fast nie an die Zeit?, ruft die eine Uhr erstaunt. Es ist eine Armbanduhr. Wie machst du das?

Keine Ahnung, sagt die andere, eine Wanduhr. Ich muss mir keine Mühe geben. Ich denke einfach an etwas anderes, an den Wind, die Menschen, Holz, an irgendwas. Ich kann die Zeit anzeigen, ohne an sie zu denken, kein Problem!

Ich nicht, sagt die Armbanduhr, da ticke ich ganz anders. Ich kann ja auch den Pulsschlag spüren, ich denke immer an die Zeit und es macht mich verrückt. Warum bist du dann Armbanduhr geworden?, fragt die Wanduhr. Man braucht sehr gute Nerven. Und man muss die Zeit natürlich über alles lieben, sonst macht es einen verrückt, die ganze Zeit an sie zu denken. Ich liebe die Zeit, aber ich denke nicht immer an sie. Was ist? Warum schweigst du? Hallo?

Ich weiß nicht, sagt die Armbanduhr, ob ich noch weiter mit dir sprechen möchte. Wir sind sehr unterschiedlich. Du bist ja auch viel lauter und größer als ich, ihr Wanduhren habt von Natur aus dieses Grobe, das trennt uns, glaube ich.

Wenn du das Trennende sehen willst, bitte, sagt die Wanduhr. Aber eine kleine Wanduhr will niemand. Wir müssen eine gewisse Größe und Sichtbarkeit haben, das kannst du mir nicht vorwerfen. Und ehrlich gesagt: Ich beneide dich. Du hast so etwas Wertvolles. An einem Körper getragen zu werden, ist schon etwas Besonderes. Das haben wir Wanduhren nicht. Und einen Puls zu spüren, finde ich, das ist das Größte überhaupt, noch größer als die Zeit, denn es bedeutet Leben.

Ich finde, wer einen Puls spürt, lebt auch selbst, ein bisschen jedenfalls. Da würde es mir auch nichts ausmachen, ständig an die Zeit zu denken.

Spürst du die Wand denn nicht?, fragt die Armbanduhr. Ja, schon!, ruft die Wanduhr. Aber was ist denn eine Wand gegen den Pulsschlag?!

Ich finde Wände toll, sagt die Armbanduhr. Sie haben diese fantastische Schwere und Stabilität.

Wer feste Häuser baut, der macht auch Krieg, sagt die Wanduhr. Ist ein altes Nomadensprichwort. Und was war mit Dschingis Khan?, ruft die Armbanduhr. Komm mir nicht mit schlauen Sprüchen, gib mir lieber einen guten Rat.

Ich kann nur ticken, sagt die Wanduhr. Und zuverlässig sein, soweit die Batterien reichen. Tut mir leid, ich kann dir gar nichts raten. Wie spät ist es bei dir? Fünf vor Zwölf!, ruft die Armbanduhr. Die Lieblingszeit der Menschen, sie erwähnen sie so oft. Und bei dir? Ich bin vor zwei Tagen stehen geblieben, sagt die Wanduhr. Die Batterie ist leer und niemand wechselt sie. Der Puls ist schon seit Wochen weg, sagt die Armbanduhr, ich weiß nicht, wo er ist und ob er nochmal wiederkommt.

Vielleicht macht er Urlaub, sagt die Wanduhr, das gibt es bei den Menschen.

Ja, sagt die Armbanduhr. Urlaub. Das wird’s sein.

Die weitreichenden Folgen des Fleischkonsums

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