Читать книгу Die weitreichenden Folgen des Fleischkonsums - Funny van Dannen - Страница 6
Vögel
ОглавлениеHeute haben wir in der Schule für Große über Vögel gesprochen. Frau Federmann – dass die aber auch gerade so heißt – fragte uns zuerst: Wer kann denn Vögel nicht ausstehen? Mandy meldete sich. Als sie es begründen sollte, konnte sie es nicht. Hast du mit Vögeln schlechte Erfahrungen gemacht?, fragte Frau Federmann. Da lachten alle. Klar. Also bitte, sagte Frau Federmann, ihr seid doch kein pubertärer Scheißhaufen, oder? Prompt stellten sich natürlich viele pubertäre Scheißhaufen vor, mit Akne und wenig Schambehaarung.
Als wieder Ruhe eingekehrt war, hatten wir verpasst, was Mandy geantwortet hatte. Frau Federmann meinte, sie fände es ganz vorbildlich, dass Mandy den schwerverletzten Vogel auf dem Schulweg mit dem Atlas getötet hätte, um ihm weiteres Leid zu ersparen. Aber sie könne nicht verstehen, warum sie nun alle Vögel hasst. Wenn man einen Atlas auf einen Vogel legt und dann auf das Buch springt, sagte Frau Federmann, bleibt es nicht sauber. Da kann der Vogel auch nichts dafür. Mandy sagte nur: Na ja, dann hasse ich eben tote Vögel, die an Büchern kleben bleiben. Ja, sagte Frau Federmann, das ist ein Spezialgebiet. Lasst uns allgemeiner bleiben. Habt ihr Lieblingsvögel?
Arschgeier, rief Ronny. Aasgeier, sagte Frau Federmann, die heißen Aasgeier, weil sie Aas essen, also Kadaver, tote Tiere. Was findest du denn gut an denen? Dass sie die Umwelt sauber halten, sagte Ronny, obwohl sie Scheiße aussehen. Wie meinst du das denn?, fragte Lars. Glaubst du, wenn man Scheiße aussieht, ist einem alles egal? Ja, sagte Ronny, könnte so sein. Ich weiß nicht immer, was ich meine, aber so könnte es sein. Ich finde Geier gut, sagte Lars. Vor allem die Köpfe und den Ausdruck im Gesicht, ich mag den tiefen Ernst und ich finde, sie benehmen sich so, als hätten sie eine Aufgabe zu erfüllen. Ja, ja, ja, rief Hillary. Man kann alles überinterpretieren! Die sind gierig und Gierige sind immer ernst.
Was sind denn deine Lieblingsvögel?, fragte Frau Federmann. Blaumeisen, sagte Hillary. Ich mag diese Farbkombination, gelb und blau. Und dieses Blau mag ich ganz besonders. Sie sind so lebhaft und bescheiden, das genaue Gegenteil von mir. Sie lachte. Und du Romy?, fragte Frau Federmann. Ich mag die Plastikkrähen, die sich manche in die Blumenkästen stecken oder aufs Fensterbrett schrauben. Ich mag auch die Vogelsilhouetten auf den Fenstern, diese Warnvögel. Ich mag bewegungslose Vögel. Seltsam, nicht?
Vielleicht hast du als Kind den Film »Die Vögel« von Adolf Hitchcock gesehen, sagte Frau Federmann. Alfred!, rief Horst. Er hieß Alfred! Richtig, rief die Lehrerin. Gut aufgepasst, Horst. Das war ein kleiner Geschichtstest und du hast ihn bestanden, du ganz allein! Horst freute sich und wir alle freuten uns mit ihm. Das ist ein Horrorfilm, sagte Frau Federmann, in dem Vögel Menschen attackieren. Vielleicht sind dir seitdem bewegungslose Vögel lieber, kann das sein? Kann sein, sagte Romy und jeder merkte, dass sie jetzt ausgepowert war und nichts mehr sagen konnte.
Elvira!, rief Frau Federmann, sag du uns deinen Lieblingsvogel. Der Schildkrötenvogel, sagte Elvira. Kenn ich gar nicht, meinte Frau Federmann. Niemand kannte ihn. Ist superschwer, sagte Elvira, fliegt superlangsam und wird superalt. Und wo lebt er?, fragte Frau Federmann. Ex-Australien, sagte Elvira. Ach, ausgestorben? Elvira nickte. Alles was ich mag, ist ausgestorben oder kurz davor. Sie sagte es sehr sachlich und ohne Bitterkeit. Elvira, sagte Frau Federmann streng, du lebst in einer Traumwelt, wach bitte auf. Früher war nicht alles besser. Wenn du vor tausend Jahren gelebt hättest, wärst du in deinem Alter nach zwanzig Geburten ausgezehrt und potthässlich gestorben. Kein Prinz mit glänzender Schamkapsel würde um deine Hand anhalten, komm zurück in die Realität. Schildkrötenvögel, was für ein Blödsinn! Entschuldige bitte, wir Lehrer sind auch nur Menschen, wir müssen uns nicht jeden Müll auftischen lassen. So, das musste mal raus.
Und Sie?, fragte Lukas. Welchen Vogel mögen sie? Gans, sagte Frau Federmann. Aber nur einmal im Jahr.