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Die Vergessliche

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Kaum hat die Werbefachfrau Katrin P. die ersten Wäschestücke, es sind ein paar Söckchen, auf die Leine gehängt, da sieht sie ihn schon wieder. Er steht mit großen, gierigen Augen hinter der mageren Eiche.

Wie kann er glauben, dass ich ihn nicht sehe?, geht es Katrin durch den Kopf. Sie geht nach hinten an den Zaun und ruft: Heh, Sie da! Was wollen Sie von mir? Ich seh Sie schon zum dritten Mal. Soll ich die Polizei rufen?

Nein, sagt der Mann. Nicht nötig. Ich schau nur ihrer Wäsche zu.

Was reizt Sie denn an meiner Wäsche?, fragt Katrin.

Sie schaukelt so geil im Wind, sagt der Mann.

Die Wäsche anderer schaukelt genauso geil im Wind, meint Katrin.

Finden sie?, fragt der Mann.

Also, sagt Katrin, verschwinden Sie!

Komm ich dir nicht bekannt vor?, fragt der Mann.

Vorsicht, denkt Katrin, er will mich fixieren. Nicht in die Augen schaun. Am besten ganz an ihm vorbei.

Sie schaut an ihm vorbei.

Ich kenn Sie nicht. Ich ruf die Polizei.

Sie dreht sich um.

Katrin!, ruft der Mann. Du warst mein Ein und Alles!

Ach Ecki!, sagt Katrin und macht wieder kehrt. Du bist das! Jetzt erst erkenn ich dich.

Katrin, sagt der Mann. Bist du glücklich geworden?

Ja, sagt Katrin. Ich bin dreimal geschieden und zwar glücklich. Jetzt hab ich einen, der ist 10 Jahre älter, auch nicht schlecht.

Na, dann bin ich beruhigt, sagt Ecki. Ich hab vor einiger Zeit von dir geträumt, weißt du. Da ging es dir gar nicht gut. Da warst du eine Akrobatin im Zirkus. Du hast mit einer langen Stange auf dem Hochseil gestanden und tränenüberströmt »Ecki, rette mich!« gerufen. Da wollt ich mal nach dir sehen.

Ecki, sagt Katrin. Das mit uns beiden ist seit über 30 Jahren vorbei. Und du träumst immer noch von mir?

Ecki lächelt. Ich bin eben eine treue Seele.

Na, nun weißt du ja, dass es mir gut geht, sagt Katrin. Aber das hättest du mich auch gleich beim ersten Mal fragen können, und ohne diese Wäsche-Nummer. Ganz schön verschroben, mein Lieber.

War ich doch auch damals schon, sagt Ecki.

Weiß Gott!, sagt Katrin. Jetzt fällt’s mir wieder ein. Du warst bizarr und voller nackter Emotionen.

Bin ich immer noch, sagt Ecki.

Katrin schüttelt sich. Mir ist kalt geworden, sagt sie. Ich mach mal weiter. Du hast ja sicher auch zu tun.

Sie sieht ihm in die Augen.

Es gibt so viel zu tun, sagt Ecki. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Und wenn du wissen willst, wie’s mir geht, komm mal auf meine Homepage.

Was muss ich denn eingeben?, fragt Katrin lächelnd. Ecki Bizarr?

Nein, sagt Ecki. Naked Emotions Germany.

Merk ich mir, sagt Katrin. Ist ja leicht!

Erst als sie wieder bei der Wäsche ist, denkt sie: Der hieß doch gar nicht Ecki, der hieß Stefan!

Jetzt ärgert sie ihre Vergesslichkeit, zum allerersten Mal!

An der Grenze zur Realität

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