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Auf einem Tisch

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Eine feste Kiwi und eine dunkelblonde Wimper streiten sich über das Wesen der Welt. Die Kiwi findet die Welt lustig und sehr erfüllend: Immer, wenn mich etwas berührt, könnte ich platzen vor Glück!

Wart’s ab, meint die Wimper. Spätestens wenn sie dir mit dem Schälmesser auf die Pelle rücken, wirst du dich sehr anders fühlen! Und wenn sie dich gegessen haben, wirst du völlig auseinandergenommen und was von dir übrigbleibt, kann Gottseidank nicht vor Glück platzen.

Wer will mich essen?, fragt die Kiwi.

Menschen, sagt die Wimper. Große Wesen aus Fleisch und Blut!

Meinst du Koteletts?, fragt die Kiwi.

Du bist so doof! ruft die Wimper. Aber mit mir willst du über so etwas Wichtiges wie das Wesen der Welt diskutieren! Du solltest bescheidener sein! Also, pass auf: Menschen sind keine Koteletts, sie essen Koteletts, manche jedenfalls. Kiwis und Koteletts sind als Nahrung sozusagen Kollegen.

Kollegen, sagt die Kiwi langsam und ausgesprochen liebe­voll. Kollegen. Ist das ein Gen?

Nein!, ruft die Wimper, das hat mit Genen nichts zu tun! Die Menschen essen Kiwis und Koteletts und Brot und Wurst und Ei und Reis.

Und Kollegen, sagt die Kiwi.

Die Wimper will weg. Verdammt! Kein Wind, kein Luft­hauch! Kann hier mal bitte jemand ein Fenster aufreißen!, ruft sie. Doch es ist Nacht und alles still.

Warum essen uns die Menschen?, fragt die Kiwi.

Menschen müssen essen, erklärt die Wimper, sonst ver­hungern sie, also, sie sterben und werden zu Staub.

Wie schön!, ruft die Kiwi. Ich möchte auch zu Staub werden!

Kommt noch, sagt die Wimper.

Wie aufregend!, ruft die Kiwi. Ich könnte platzen vor Aufregung!

Bitte nicht, sagt die Wimper. So ganz bist du mir lieber.

Und woher weißt du so viel?, fragt die Kiwi. Oder tust du nur so schlau?

Ich war mal Teil eines Menschen, erzählt die Wimper. Mit meinem Volk beschützte ich ein Auge.

Die Kiwi staunt. Vor wem?

Fäuste, Steine, Raketen, sagt die Wimper. Vögel, Blitze, Meteoriten. Das ganze fliegende Gesocks.

Du bist klein, wendet die Kiwi ein.

Wir waren viele, entgegnet die Wimper. Dann fiel ich aus, jetzt bin ich frei.

Frei!, ruft die Kiwi. Was du für Wörter kennst!

Was heißt denn das schon wieder? Ich bin nicht mehr am Menschen dran, erklärt die Wimper, und du nicht an der Pflanze. Wir sind frei, wir können gehen, wohin wir wollen.

Ich kann nur rollen, sagt die Kiwi. Aber nur wo’s schräg ist oder wenn mich jemand schubst. Kannst du dich selbst bewegen?

So gut wie, meint die Wimper. Ich arbeite eng mit der Luft zusammen.

Es wird hell, bemerkt die Kiwi. Ich liebe das.

Das nennt man Tag, sagt die Wimper, das kommt vom Sonnenlicht.

Ich liebe Tags!, ruft die Kiwi.

Das heißt Tage!, schreit die Wimper. Tage!!! Lern endlich Deutsch, du dummes Obst!

Tu ich doch die ganze Zeit, sagt die Kiwi leise. Wie heißt der Himmel jetzt? Die Wimper schweigt.

Ach bitte!, ruft die Kiwi. Nur dieses eine Wort noch!

Morgenrot!, schreit die Wimper. Morgenrot!!!

An der Grenze zur Realität

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