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Die Liebesreise

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Sebastian sitzt im Zug, er fährt 252 km/h. Er schaut aus dem Fenster und sieht Stationen seines Lebens vorbei­fliegen und andere Geschichtserscheinungen.

Oh!, ruft er erschrocken aus. Ist das der Train of His­tory?

Die Frau im Sitz vor ihm dreht sich um und sagt: Das ist der Train of History.

Dann habe ich den falschen Zug erwischt!, ruft Sebas­tian. Ich muss raus! Wo ist der nächste Halt?

Gibt’s nicht, sagt die Frau. Die Endstation heißt Urknall, glaub ich. Wo wollten Sie denn hin?

Ich wollte mit dem Future-Train nach Brasilien, sagt Sebastian.

Das ist ein bisschen furchtbar, sagt die Frau und bietet Sebastian ein Stück Apfelsine an.

Ein bisschen?, ruft Sebastian. Sie sind gut!

Ich bin sehr gut, sagt die Frau. Schaun Sie, da draußen hängt Nietzsche und schmiert Popel an die Scheibe.

Das ist nicht Nietzsche!, ruft Sebastian. Das ist nur jemand, der ihm den Schnauzbart gestohlen und sich selbst angeklebt hat. Nietzsche würde so was nie machen!

Kennen Sie ihn gut?, fragt die Frau.

Wie schafft der das nur, fragt Sebastian, sich bei der Geschwindigkeit an der Scheibe festzuhalten?

Der Mann hat ihn gehört und brüllt: Hey, Seb! Schau dir mal meine Pfoten an! Ich bin Efeu-Man!

Ja, wirklich!, ruft Sebastian, schaun Sie sich das an!

Er kennt Sie, sagt die Frau. Sind Sie vielleicht der heilige Sebastian?

Bin ich vielleicht von Pfeilen durchbohrt?, fragt Sebas­tian zurück und schaut an sich herab.

Nein, sagt die Frau. Sie sind unverletzt und fit, niemand muss sie verarzten oder gesundpflegen. Sie haben noch mal Glück gehabt. Warum setzen Sie sich nicht neben mich? Der Platz ist frei. Wir könnten uns ineinander verlieben und eine verdammt gute Zeit haben.

Wie kann ich im falschen Zug sitzen und eine gute Zeit haben!, ruft Sebastian aufgeregt. Sie sind gut!

Ich bin sehr gut, sagt die Frau und nimmt ihre hässliche Handtasche vom freien Platz und wirft sie auf die Gepäckablage.

Wie schwungvoll!, denkt Sebastian und setzt sich neben sie. Der Zug rast immer schneller, Dinosaurier ziehen vorbei. Der Bordservice kommt.

Möchte hier vielleicht jemand einen Tannenzapfen oder Tierblut oder etwas anderes zum Anschauen oder Trinken?

Haben Sie ein Bildchen von Elvis Presley in Hot Pants?, fragt die Frau.

Aber natürlich, sagt der Service-Boy und zieht es aus dem Optikfach. Die Frau bezahlt mit einem Lächeln.

Und ich hätte gerne ein Schwarz-Weiß-Plakat, sagt Sebastian.

Und was soll draufstehen?, fragt der Boy, es ist Rex Gildo.

Militärmusik, sagt Sebastian. Und dazu bitte eine gekochte Kartoffel.

Rex Gildo reicht ihm beides und rechnet im Kopf: Macht nichts!

Danke, sagt Sebastian und klebt das Plakat mit der zerdrückten Kartoffel und mit der Schrift nach außen auf die Scheibe. Jetzt ist Efeu-Man nicht mehr zu sehen.

Gute Idee, sagt die Frau. Jetzt können wir uns ungestört verlieben.

An der Grenze zur Realität

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