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Die Sonne stieg aus dem Meer. Dieses Schauspiel war unsagbar schön, dauerte aber leider nicht sehr lange. Und, man musste schon sehr früh aufstehen, um es zu erleben. Zu dieser Zeit konnte man auch die Luft und die Temperatur ertragen.

Um sie herum schien alles noch zu schlafen.

Manja, das blonde Mädchen, hüpfte in dem verblassten Badeanzug durch den Palmenhain und dann sah sie das Meer zu ihren Füßen liegen. Leise gluckerte es gegen den Strand. Noch waren die Steine nicht so heiß, dass man nicht auf ihnen laufen konnte. Bisher waren auch die Wellen nicht sehr hoch. Die Welt schien noch zu schlummern.

Sie streckte die Arme gen Himmel und ließ den Sand leise an sich herunterrieseln. In diesen frühen Morgenstunden gehörten die Insel, das Meer, die Sonne ihr, gehörte alles ihr allein.

Bald lief sie mit überschäumender Freude ins Meer. Sie tauchte, kam wieder hoch und ließ sich dann einfach treiben, so weit, dass sie den Strand mit den Palmen noch sehen konnte. Sie hörte die Vögel, und ganz weit in der Ferne zog lautlos ein großes Schiff vorbei. Es war sicher auf dem Weg nach Trinidad. Sie seufzte leicht vor sich hin und schwamm dann zügig zum Ufer zurück.

Dort ließ sie sich in den weichen Sand gleiten und spürte sogleich die prickelnden Sonnenstrahlen auf ihrer gebräunten Haut, die die Wassertropfen trockneten.

Damals, ach, das lag so weit zurück, damals hatte sie sehr darunter zu leiden gehabt. Für blonde Menschen konnte diese Sonne zur Qual werden.

Aber inzwischen lebte sie so lange hier, dass ihre Haut sich daran gewöhnt hatte. Sicher, in der Mittagssonne musste sie einen großen Hut tragen, doch das bedeutete kein Opfer.

Manja lag im Sand und lächelte leise vor sich hin.

Für sie glichen diese Stunden kostbaren Edelsteinen.

Mit achtzehn Jahren erwachte das bewusste Leben behutsam, man war neugierig. Noch hatte man keine allzu großen Wünsche, weil man bisher nicht viel von dem wusste, was es alles in der Welt da draußen gab.

Manchmal wünschte sie sich, in der Hauptstadt dieser Insel zu leben, oder in einem der mondänen Urlaubsorte und nicht gerade in einem Dorf und unter Schwarzen und Mulatten. Sicher, hier gab es auch ein paar Weiße, aber sie hatten es ganz gewiss nicht leicht.

Dass Schwarze und Mulatten ärmlich lebten, war eine Tatsache, mit der sie sich schon lange abgefunden hatten. Aber Weiße? Weiße waren nicht dafür geschaffen, in ärmlichen Verhältnissen zu leben.

Manja warf ihr blondes Haar in den Nacken. Dabei bemerkte sie eine Bewegung in ihrem Rücken.

Sie erschrak nicht. Wenn ihre Familie auch nicht beliebt war, so doch sie. Sie brauchte sich nicht zu fürchten, nicht vor den Leuten aus dem Dorf, auch nicht vor den jungen Männern. Wenn sie auch arm waren, so hatten sie doch ihren Stolz und waren gut erzogen.

Unter der glühendheißen Sonne, die ja alles verschönte, war Armut nicht so grausam. Sie gewann dem tristen Alltag immer ein wenig Schönheit ab. Da waren zum Beispiel die Gärten. Die Blumen wuchsen in Hülle und Fülle und waren wunderschön. Jedes junge Mädchen konnte sich mit ihnen schmücken und war dann selbst eine Zierde. In diesem Klima brauchte man nicht viel Kleidung. Und da man sich meistens im Schatten der Palmen aufhielt, wurde auf die Einrichtung der Häuser kein großer Wert gelegt.

»Da bist du ja!«

Jetzt schaute sie sich doch um und runzelte die Stirn.

»Sandor«, sagte sie unwillig und setzte sich auf. »Was willst du?«

Die Zähne blitzten in dem braunen Gesicht.

»Das weißt du ganz genau!«

Seine Augen schienen das schöne Mädchen zu verschlingen.

»Seejungfrau, ja, so werde ich dich nennen, das passt viel besser zu dir als dein Name.

»Untersteh dich!«, rief Manja ärgerlich.

Der Mann ließ sich an ihrer Seite in den Sand nieder. Er trug nur eine weiße Leinenhose und lose Sandalen.

»Na, schon gebadet?«, fragte er.

»Ich muss zurück.«

»Keine Sorge, sie schlafen noch. Du hast bestimmt noch eine halbe Stunde Zeit.«

Sie rückte ein wenig von ihm ab.

Seine Augen glitzerten kalt.

»Du entgehst mir nicht, Manja, das weißt du ganz genau. Sie gehen alle diesen Weg. Es ist nur eine Frage der Zeit und des Preises. Und das eine sage ich dir: lange darfst du nicht mehr warten, sonst wird dein Preis nur noch lächerlich gering sein. Hast du mich verstanden?«

»Ich mache keine Geschäfte mit dir!«

Neben ihrem linken Fuß fiel eine Kokosnuss herunter. Unwillkürlich war sie zusammengezuckt.

»Nein?«, fragte er ironisch und lachte hässlich auf.

»Das sagen sie zuerst immer. Aber dann bleibt ihnen nichts anderes übrig, Schätzchen.«

Sie grub ihre Zähne in die Unterlippe.

Das junge Mädchen wusste genau, was Sandor meinte, wenn er von zu langem Warten sprach.

Manja sah auf das ewig blaue Meer hinaus. Das Schiff war weitergezogen, und sie dachte sehnsüchtig: Ach, könnte ich doch wie ein Vogel fliegen, weit fort. Immer weiter, bis ich gute Menschen gefunden hätte.

Sandor rückte wieder näher.

Seine listigen und kalten Augen glitten über die makellose Haut dieses Mädchens. Sie war eine Schönheit, eine Perle in der Wildnis. Oh, so wie sie aussah, würde er sehr, sehr viel Geld mit ihr verdienen.

»Du wirst es gut haben«, sagte er lockend und strich über ihren nackten Arm.

Doch sie schüttelte ihn ab und sprang auf. Mit Tränen in den Augen schrie sie ihn an: »Das hast du auch zu Tia Maria gesagt und dann!«

Er fluchte leise.

»Was hat Tia Maria dir gesagt?«

»Sie ist meine beste Freundin! Wenn sie auch ein paar Jahre älter ist, aber ich hab sie lieb! Du hast die gleichen Worte auch zu ihr gesagt, und dann ist sie ins Dorf zurückgekommen und hat so schrecklich geweint. Ich glaube, sie ist zerbrochen; ihr Herz ist zerbrochen, und Faustin wird sie nicht mehr wollen. Sie hatte ein Baby, hat sie mir gesagt, aber du hast sie mitgenommen, und dann haben sie was mit ihr angestellt ...«

Wild schrie das junge Mädchen ihm die Worte ins Gesicht.

Sandor spürte Wut und Zorn in sich, aber er musste es unterdrücken. Er durfte sie nicht kopfscheu machen.

»Hör zu, das ist etwas ganz anderes, verstehst du mich?«

»Wieso ist das etwas anderes?«

Das Schluchzen wurde leiser.

»Tia Maria war dumm. Sie hat nicht getan, was ich ihr gesagt habe. Sie ist dumm, hörst du? Sie ist strohdumm. Ich hab es ihr genau erklärt und ihr Pillen gegeben, aber sie hat sie fortgeworfen.«

Manja stand auf und schlug den Weg zum Dorf ein. Aber er versperrte ihr den Weg.

»Du wirst es wirklich besser haben, Manja, ich schwöre es dir.«

»Lass mich . ..«, stammelte sie.

»Ich habe drüben meine Jacht liegen, Manja. Wenn ich dich jetzt einfach nehme und dann ...«

Angst stand auf ihrem Gesicht. Das liebte Sandor, wenn er spürte, dass er Angst einjagen konnte. Dann hatte er willige Opfer vor sich. Er würde auch sie bekommen. Schon zu lange wartete er auf sie; jetzt war seine Geduld zu Ende. Er wollte sie haben.

»Das wirst du nicht tun«, sagte sie und rang nach Atem. »Das wäre Menschenraub.«

Er lächelte über ihre Verstörtheit.

»Aber aber, warum das denn? Wer sollte mir denn etwas nachweisen, du kleines Luder? Niemand, hörst du, niemand wird mich zur Rechenschaft ziehen! Und ich möchte dir noch einen guten Rat geben; schreib ihn dir hinter deine hübschen Ohren, damit du ihn nie mehr vergisst: Ich könnte mein Angebot zurücknehmen, allein deshalb, weil du mich geärgert hast, verstehst du!«

Sie wollte sich von ihm lösen, aber sein Griff ließ nicht locker. Entsetzen erfasste sie. Auf einmal war dieses Stückchen Erde nicht mehr lieblich und schön. Verzweifelt setzte sie sich zur Wehr. Tränen strömten über ihr Gesicht, aber der Mann schien keine Gnade zu kennen.

»Du kommst jetzt mit mir!«, befahl er mit lauter Stimme.

Hinter seinem Rücken war ein Geräusch.

»Manja, brauchst du Hilfe?«

Laut und deutlich waren die Worte gesprochen worden. Jetzt brach auch das Kreischen der Vögel ab, als schienen sie abwarten zu wollen, was da unten am Strand vor sich ging.

Sandor fluchte, dann drehte er sich blitzschnell um. Das Mädchen hielt er immer noch gepackt.

Er sah einen alten Mann, hochaufgerichtet und mit einer Machete in der Hand.

Unerschrocken ging Pico auf Manja zu. Seine Augen starrten Sandor unverwandt an.

»Lass das Mädchen los! Auf der Stelle!«

Sandor wusste, dass er keine Chance hatte. Er war kein Held und ganz gewiss kein Schläger. Das besorgten andere Muskelpakete für ihn. Er musste die Kleine gehenlassen.

»Wir haben uns nur unterhalten. Ist das vielleicht verboten?«, sagte er mit einem hässlichen Auflachen.

Manja floh zu Pico, sie zitterte wie Espenlaub.

»Master, ich würde Ihnen raten, augenblicklich zu verschwinden. Gleich werden die anderen hier sein, und ich weiß nicht, ob Sie sehr erfreut darüber wären, wenn man Sie hier sieht.«

»Aber ich habe der Kleinen wirklich nichts getan!«, schrie Sandor den alten Mulatten an. »Wirklich nicht!«

»Nein, noch nicht«, erwiderte Pico ruhig und musterte das verstörte Mädchen. »Aber Tia Maria, und darum ...«

Eine kalte Gänsehaut zog über den Rücken des Mannes. Nun hielt er es wirklich für angebracht, das Weite zu suchen. Verflucht, dachte er, die Kleine hat ja Beschützer. Das habe ich nicht gewusst. Aber warte, ich werde dich schon noch allein antreffen, und das schwöre ich dir, Täubchen dann wirst du mir für diese Niederlage büßen.

Er drehte sich um und ging den Weg zum Strand zurück, den er gekommen war. Erst als er außer Sicht war, löste sich der Krampf des Mädchens. Schluchzend warf sie sich in die Arme des Mannes.

»Pico, Pico, wenn du nicht gekommen wärst! O du meine Güte, ich ...«

Die braunen Hände streichelten den zuckenden Rücken.

»Aber, aber«, sagte er in leichtem Singsang. Wie zu einem Kind sprach er zu der achtzehnjährigen Manja.

Sie ließen sich jetzt in den Sand fallen, und Manja schaute auf das Meer hinaus. Ihre Lippen zitterten noch.

»Er wird wiederkommen, nicht wahr?«, sagte sie. Es klang wie eine Feststellung.

Davon war Pico auch überzeugt.

»Oh«, jammerte sie, »jetzt darf ich nicht einmal mehr morgens baden! Alles wird mir genommen.«

»Ich habe schon eine Weile dort drüben unter den Palmen gestanden; ich habe gehört, was dieser Lump zu dir gesagt hat. Doch ich verstehe nicht, woher er sich das Recht nimmt. Du bist doch eine Weiße! Dein Vater wird dich schrecklich rächen, wenn er dich fortnimmt. Tia Maria war nicht weiß.« Er zuckte die Schultern. »Da war es normal, ich meine ...«

»Nein!«, rief Manja wütend. »Nein, eben nicht! Sie ist meine Freundin. Warum sind die Menschen nur so schrecklich?«

Salzige Tränen rannen über ihr apartes Gesichtchen.

»Nun ist die Gefahr vorüber, aber an deiner Stelle würde ich doch mit deinem Vater darüber sprechen.«

»Vater«, wiederholte sie und zuckte zusammen. »Vater wird mir Vorwürfe machen. Er ist so willensschwach.«

Der alte Mulatte sah das weiße Mädchen erstaunt an. Er mochte Manja; sie war immer fröhlich und zu jedermann freundlich. Nie hatte man bei ihr das Gefühl, dass sie sich als Weiße über sie emporhob. Sie war ein liebes und sehr zärtliches Mädchen.

»Ich verstehe das nicht«, wiederholte er.

Mit ihren jungen Jahren war sie doch schon sehr reif.

»Ach«, sagte sie leise, »das weißt du doch selbst. Wir hier im Dorf sind arm, alle sind wir arm. Aber bei euch ist das nicht so schlimm. Aber, dass wir als Weiße hier leben müssen, das macht die Sache noch schrecklicher. Wir bekommen keine Arbeitsstelle, wir werden einfach in den gleichen Topf geworfen wie ihr. Nein, was noch schlimmer ist, man lässt uns noch mehr dafür büßen.

Pico, warum sind die Menschen so schlecht? Warum erheben diese Menschen sich und sagen, sie wären etwas Besseres als ihr? Wer gibt ihnen das Recht dazu? Sind denn nicht alle Menschen gleich?«

Der Alte lächelte wehmütig.

»Liebe Manja, was du da sagst, ist Balsam für meine Seele. Ja, du bist ein gutes Mädchen, wirklich, Manja. Und ich werde dich beschützen, wenn dein Vater es nicht kann.

Aber die Menschen in den Städten, die reichen, weißen Menschen sind nun einmal so und werden auch immer so sein.«

»Das ist ja schrecklich!«

Manja ließ den Sand durch ihre Finger rieseln. Nach einer Weile sagte sie leise: »Eigentlich hätten wir nie hierherkommen dürfen, Pico.«

»Hast du Heimweh?«

»Heimweh? Du meinst nach Deutschland?«

»Ja, nach dem fernen Land, in dem du geboren bist und in dem es im Winter Schnee gibt; in dem keine Schwarzen leben und in dem es im Sommer niemals so schön ist wie hier, ja, dieses Land meine ich.«

»Ach, Pico, ich kann mich gar nicht mehr an dieses Land erinnern. Ich war doch erst vier Jahre alt, als meine Eltern hierherkamen. Sie sind geblieben, weil es ihnen so gut gefiel. Ich habe lange Zeit geglaubt, ich gehöre hierher nach Barbados. Aber das stimmt nicht. Für euch bin ich eine Fremde.«

»Nein!«

»Doch Pico, doch.«

»Dein Vater ist ein ehrenwerter Mann«, sagte der Mulatte.

Manja lächelte müde.

»Vielleicht war er das, als Mutter lebte. Aber sie hat das Klima hier nicht vertragen. Sie war nur vier Jahre hier, bis sie starb, das weißt du doch. Mein Vater hat dann Rosna, die Mulattin, zur Frau genommen. Ich habe nichts gegen Rosna, wirklich nicht. Maler sei mein Vater, sagt man mir. Aber kannst du mir sagen, was das ist? Er malt jetzt kleine Bilder auf Leder und lässt sie an die Fremden als heimische Kunst verkaufen. Das besorgen meine Brüder und Schwestern. Acht Kinder hat Rosna ihm geboren. Unsere Hütte ist voll, verstehst du. Und der Erlös dieser Lederbildchen ...? Oh, es wird nicht besser, sondern schlimmer; mein Vater trinkt, Pico. Er ist nicht so wie du. Du bist ein wirklicher Vater; ich hab dich gern, Pico. Alle hier sind besser. Glaubst du, ich wüsste nicht, dass wir nur geduldetes Pack sind?«

Beide schwiegen eine Zeitlang. Dann fuhr Manja fort:

»Und Rosna zankt und keift den ganzen Tag. Sie ist böse und zornig. Aber ich kann sie sogar verstehen, denn sie muss für das Essen sorgen; alles hängt an ihr.

Deshalb ist sie auch ungerecht zu mir. Als sie erfuhr, dass ich in den Hotels keine Arbeit finde, wurde sie böse und sagte zu mir, ich sollte mich lieber gleich ertränken, dann würde mir ein schlimmeres Los erspart.

Ach, Pico, ich bin so unglücklich.«

Der Alte hatte sie ausreden lassen. Natürlich kannte er die Verhältnisse in der erbärmlichsten Hütte des Dorfes. Nicht einmal ein Schwarzer würde darin leben wollen. Sie hatten mehr Stolz als dieser weiße Mann, der vor vielen Jahren gekommen war und noch immer unter ihnen lebte. Anfangs waren sie stolz darauf gewesen, dass er ihnen die Ehre erwies, hier zu bleiben; aber später machte er sich in ihren Augen nur lächerlich und dumm. Und vom Stolz des weißen Mannes war nichts mehr übrig. Und Rosna? Nun, keine anständige Schwarze oder Mulattin hätte sich mit diesem weißen Mann eingelassen. Doch damals hatte sie sich noch viel darauf eingebildet und hatte geglaubt, sie könnte den weißen Mann dazu bringen, wieder in seine Heimat zu gehen. Zumindest würden sie in der Hauptstadt leben. War er nicht ein Künstler?

Doch niemand wollte seine Bilder kaufen, auch nicht die Touristen, die jetzt immer zahlreicher ins Land kamen. Sie lachten über diesen verrückten Kerl. Erst als er diese Lederbildchen anfertigte und man glaubte, echte heimische Arbeit zu kaufen, erst dann konnten sie leben. Aber er musste es im Verborgenen tun und deshalb im Dorf bleiben. Das verstand auch Rosna. Aber mit den Jahren war für den Mann dieses Leben eine Qual. Er wollte wieder unter seinesgleichen sein, aber die anderen stießen ihn fort. Deshalb hatte er zu trinken begonnen. Und er musste immer wieder an Evelyn, seine erste Frau denken. Er war überzeugt, ihren Tod verschuldet zu haben. Sie war fein und sanft und friedfertig gewesen. Ach ja, der Alkohol löste alle Probleme für eine Zeitlang. Nur, das Geld wurde jetzt noch weniger, und es waren so viele Münder zu stopfen. Er verfluchte diesen Kindersegen.

Er sehnte sich danach, fortgehen zu können, heimlich. Eines Tages würde er einfach verschwinden, ohne Rosna und die Kinderschar. Aber dazu brauchte man Geld.

Eines Tages lernte er bei seinen Streifzügen diesen Sandor kennen. Ein feiner Bursche, dachte er und nahm ihn mit nach Hause. Der Vater hatte gar nicht gemerkt, dass es eigentlich Sandor gewesen war, der sich buchstäblich selbst eingeladen hatte. Endlich ein Weißer, dachte er, wenn auch ein Mischling, aber äußerlich wirkte er wie ein Weißer. Der Mann war elegant und vornehm und wusste sich zu benehmen. Mit ihm konnte man sich gut unterhalten. Er war in allen Clubs und vornehmen Hotels anzutreffen, fuhr einen sündhaft teuren Wagen und sollte sehr reich sein.

Für Manjas Vater war es eine außerordentliche Ehre, dass Sandor zu ihm ins Dorf kam. Damals hatte er sich geschämt, ihm nichts Besseres bieten zu können. Aber Sandor hatte als Weltmann nur darüber gelacht und sich ganz ungezwungen gegeben.

Er ahnte ja nicht, der weiße alte Mann, dass er mit diesem Menschen das Unglück ins Dorf gebracht hatte. Der Mulatte war auf der Suche nach hübschen Mädchen. Als er sah, dass sich die Fremden langweilten und bereit waren, viel Geld für ein kleines Abenteuer auszugeben, hatte er sozusagen diese Marktlücke entdeckt. Und nun warb er um hübsche Mädchen. Ja, sie mussten hübsch sein; die Hautfarbe spielte keine Rolle. Hübsch und sehr jung, das war die Devise.

Also ging er in die Dörfer und besah sich die dortigen Schönheiten. Wenn ihm eine ins Auge stach, dann verhandelte er mit den Eltern. Geschickt versprach er ihnen ein hübsches Handgeld. Damit hatte er gleich die Herzen gewonnen. Und wenn er dazu noch erzählte, er würde dafür sorgen, dass die Tochter in einem Hotel angestellt würde und so auch Geld verdienen konnte, dann waren sie blindlings bereit, sie ihm anzuvertrauen.

Auch Tia Maria war glücklich gewesen. Sie wollten ja alle arbeiten und aus ihrer Armut herauskommen. Sie hatte es also geschafft! Sie war erwählt worden! Alle im Dorf hatten sie darum beneidet.

Damals, als er Tia Maria gesehen und mitgenommen hatte, war ihm auch Manja aufgefallen. Aber sie war zwei Jahre jünger als Tia Maria gewesen, also noch ein halbflügges Mädchen und als Europäerin nicht so schnell reif wie diese schwarze Brut, wie er sie insgeheim nannte, obwohl seine Vorfahren ja ebenfalls schwarz gewesen waren. Doch darüber sprach man nicht.

Aber er hatte Manja nicht vergessen. Dieses Juwel reifte dort in der Einsamkeit vor sich hin, und er, Sandor, würde sie sich schon zu holen wissen.

Geschickt hatte er die Freundschaft mit dem alten Weißen aufrechterhalten. Angeblich sorgte er dafür, dass dessen Lederbildchen immer verkauft wurden. Dabei hatte er nichts getan, gar nichts.

Eines Tages war Tia Maria geflohen. Völlig verstört war sie in ihr Dorf zurückgekommen und hatte den entsetzten Eltern erzählt, welche Arbeit sie hatte tun müssen. Von dem abgetriebenen Kind sprach sie auch. Ihr Verlobter hatte daraufhin gesagt, er wolle von Tia Maria nichts mehr wissen.

Zwei Tage hielt sie sich im Dorf verborgen, dann war sie plötzlich verschwunden. Sandors Leute hatten sie in den Wald gelockt und wieder in die Stadt geschleppt.

Dort fristete sie nun weiterhin das Leben einer Dirne, und wenn sie nicht tat, was Sandor ihr sagte, wurde sie geprügelt. Tia Maria wusste, dass sie nicht mehr nach Hause zurückgehen konnte. Dort wurde sie verachtet wie ein schlechter Mensch. Niemand würde ihr helfen, im Gegenteil, man würde sie verjagen, auch wenn alle wussten, dass sie keine Schuld trug. Manchmal war die Moral sehr hart.

Manja hatte alles von Tia Maria erfahren; die Freundin hatte sie noch warnen können.

Sandor war wütend und würde sie deswegen hart bestrafen; denn jetzt würde Manja nicht so einfach zu bekommen sein. Aber mit dem Alten würde es keine Schwierigkeiten geben. Der würde ihm die Tochter verkaufen, nur würde der Preis jetzt ein wenig höher liegen.

Manja erhob sich.

»Ich muss ins Haus zurück. Die Kleinen müssen zur Schule, ich muss mich darum kümmern.«

Pico sagte: »Ich gehe fischen. Wenn ich genug gefangen habe, bringe ich dir einen Fisch.«

»Aber ihr braucht ihn doch selbst.«

Er lächelte.

»Guter alter Pico«, sagte das junge Mädchen leise und winkte ihm zu, als sie davonging.

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