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KAPITEL 6
ОглавлениеEMILY
Wir kamen nur schleppend vorwärts. Erst am dritten Tag fand sich eine Bauernkutsche, die uns mitnahm.
Nun saßen wir beide auf einer Kutsche, die voll mit Kartoffeln beladen war. Hinter der Kutsche folgte ein junger Esel, der angebunden war und einen ohrenbetäubenden Lärm von sich gab.
Wenn meine Füße nicht so vom Laufen schmerzen würden, dann wäre ich auf jeden Fall lieber wieder zu Fuß gelaufen, als mir diesen Esel anzuhören.
Gerda sprach ab und an irgendetwas, doch ich nahm sie kaum wahr. Der alte Bauer, der die Kutsche lenkte, war zum Glück überhaupt nicht gesprächig.
„Emily?“ Ich blickte zu Gerda und sie sah mich etwas genervt an. „Hörst du denn überhaupt nicht zu?“
Ich schüttelte leicht den Kopf. „Es tut mir leid Gerda. Dieser Esel, er macht mich verrückt.“
„Nun ja, es ist aber besser als zu laufen.“
„Da hast du recht...“, murmelte ich und sah auf den Wald, der sich links und rechts, soweit das Auge reichte, erstreckte. Die Bäume waren so hoch und die Äste verschlangen sich über uns, sodass man kaum den Himmel sehen konnte.
Hier im Wald war die Straße ganz schön unheimlich und wenn wir zu Fuß gewesen wären, hätte ich mich wahrscheinlich noch mehr gefürchtet, als ich es jetzt schon tat.
„Glaubst du, meines Vaters Soldaten sind uns schon nahe?“ Ich sah Gerda an, die gerade einen neuen Zopf in ihr Haar flocht.
„Shhhh!“ Sie warf mir einen warnenden Blick zu und deutete auf den alten Bauern. „Du kannst das doch nicht so laut aussprechen!“, flüsterte sie mir zu. „Ehrlich gesagt, es wundert mich, dass wir noch keine Soldaten gesehen haben, die direkt vom Palast kommen.“
„Hm... mein Vater würde mich aber nie einfach so gehen lassen...“, gab ich ihr so leise wie möglich zu verstehen.
„Woooohhh.“ Der alte Bauer brachte sein Pferd zum Stehen.
Wir sahen gespannt nach vorn und neben uns hielt eine weitere Kutsche an, die jedoch in Richtung Bauernland unterwegs war.
Ein etwas jüngerer Mann grüßte den alten Bauern. „Guten Tag Henri, bringst du deine Ernte nach Rothenburg?“
Der alte Bauer nickte. „Ja genau. Und natürlich komme ich zu eurer Bäckerei. Sie hat doch wohl geöffnet? Was führt dich ins Bauernland?“
Die beiden schienen sich zu kennen. Der jüngere Bauer entdeckte uns beide erst jetzt hinten auf dem Wagen und nickte uns kurz zu.
„Ja, meine Frau ist gerade in der Bäckerei. Morgen soll im Bauernland die Bekanntgabe sein, ob es tatsächlich Krieg geben wird zwischen dem Königreich von Adelbrecht dem III. und unserem König.“
„Krieg? Ich dachte, die Prinzessin soll den König Adelbrecht den III. heiraten, um Krieg zu verhindern.“
„Ach, das hast du noch nicht gehört? Die Prinzessin ist geflohen! Ich meine, wer nimmt es ihr schon übel? König Adelbrecht zu heiraten ist ja wohl nicht der Traum jeder Frau.“
„Aber ihre Pflicht.“, raunte der alte Bauer und strich nachdenklich über seinen Bart.
Mir wurde übel, als ich diesem Gespräch lauschte, und Gerda hielt meine Hand, während sie mich mit einem Blick ansah, der mir bedeutete, ruhig zu bleiben.
„Nun ja, es kamen aber bereits Gerüchte, dass König Adelbrecht den Krieg nicht führen würde, wenn König Friedrich den Tod der Prinzessin anordnet.“
Nun überkam mich die Übelkeit komplett und eine Schockwelle durchfuhr meinen Körper. Gerda drückte meine Hand fester.
„Seine eigene Tochter? Dazu wäre unser König nicht imstande!“ Der alte Bauer schüttelte den Kopf und ich wünschte, er hätte recht. Doch leider kannte ich meinen Vater. Wenn er das Wohl seines Landes mit dem Leben seiner Tochter bezahlen müsste, würde er es tun.
„Nun, wir werden es bald erfahren.“ Der jüngere Bauer sah neugierig zu uns beide herüber. „Deine Enkelinnen?“
„Nein... das ...“, der ältere Bauer sah uns kurz an und dann blieb sein Blick in meinen Augen hängen, als wurde ihm gerade etwas klar. Er räusperte sich und sprach weiter: „Das sind die Töchter von meiner Cousine. Die zwei wollten mal was anderes sehen als immer nur das Bauernland.“
„Das kann ich mir vorstellen. Viel Spaß euch, Rothenburg ist eine große Stadt.“ Der junge Mann nickte uns zu und verabschiedete sich.
Hatte der ältere Bauer tatsächlich gelogen? Er hätte doch einfach sagen können, dass wir nur zwei Wanderinnen sind.
Sobald die andere Kutsche hinter der Kurve verschwand, stieg der alte Bauer von seinem Sitz und stellte sich neben den Anhänger. Sein Blick war ernst und er stemmte seine Hände in die Hüften, während er im strengen Ton sagte: „Ihr seid die Prinzessin! Habe ich recht?“ Er deutete mit dem Kinn auf mich und mir blieb das Herz stehen.
Das war es also. Bis hierher waren wir gekommen. So nahe an Rothenburg. Nur zwei Tage vom Petschora Fluss entfernt, hinter welchem meine einzige Hoffnung auf Freiheit lag. Ein Land, in dem mich niemand kennen würde. Und das ich jetzt wohl auch nie betreten werde. Dieser alte, mürrische Bauer würde mich jetzt mit Sicherheit an die nächsten Soldaten des Königs übergeben und seinen Lohn dafür kassieren.
Hier würde meine Flucht also enden.
„Hatte ich also recht.“, murmelte er und ging an den Wegesrand, brach einen Zweig aus einem Dornenbusch und kam damit auf mich zu.
Ich war immer noch starr vor Angst. Was hatte er vor?
Gerda, die immer noch meine Hand hielt, drängte mich an die Seite der Kutsche, sodass ich springen und notfalls in den Wald fliehen konnte.
Sie stellte sich schützend, mit den Armen ausgestreckt, vor mich.
Ich hatte beinahe vergessen, wie tapfer Gerda war und dass sie immer versuchen würde mich zu beschützen. Selbst vor einem alten Bauern.
Der Bauer sah uns etwas überrascht an. „Keine Sorge, ich tue euch nichts! Und ich werde euch auch nicht verraten.“
Es war, als würde die Angst wie ein riesengroßer Stein von meinem Herzen fallen, als ich seine Worte hörte. Aber konnten wir ihm trauen? Und was hatte er mit dem Dornenzweig vor?
Er bemerkte meinen fragenden Blick auf den Zweig in seiner Hand und erklärte: „Eure Hände, sie sind wie Porzellan. Und die Blasen, die wahrscheinlich von den Zügeln beim Reiten kommen, deuten darauf hin, dass Sie selten länger reiten. Das verrät, dass Sie kein Bauern- oder Landmädchen sind, sondern aus einem Adelshaus kommen. Wenn Sie nicht wollen, dass man Sie bereits an Ihren Händen als die Flüchtige erkennt, dann sollten Sie dafür sorgen, dass diese Sie nicht verraten.“ Er hielt Gerda den Dornenzweig hin. „Zieht den Zweig durch beide Hände. Es wird schmerzhaft sein, doch die Dornen sind nicht groß, sie werden keine bleibenden Narben hinterlassen. Aber es wird erst einmal für die nächsten Tagen bleiben. Danach wälzt ihr eure Hände in den Kartoffeln, sodass der Dreck unter euren Nägeln bleibt. Und gebt acht, dass ihr diese nicht so bald säubert. Landmädchen haben nicht das Privileg, schöne Hände mit sauberen Nägeln zu haben.“, knurrte er und wartete darauf, dass Gerda den Zweig nahm.
Sie zögerte ein klein wenig und sah mich dann fragend an.
Der alte Bauer hatte recht und das wusste auch Gerda. Das er uns hierzu zwang, war nicht aus Bosheit, sondern zu unserem Schutz. Er wollte uns helfen.
Ich nickte Gerda zu und sie nahm langsam den Zweig, zog ihn dann erst durch ihre linke, danach durch ihre rechte Hand, während ich auf ihrem Gesicht die Schmerzen erkannte, die durch die Dornen verursacht wurden. Dann reichte sie mir den Zweig und ich tat es ihr nach.
Stechende und brennende Schmerzen durchfuhren meine Hände und Blut tropfte auf mein Kleid. Meine Mutter würde in Ohnmacht fallen, wenn sie dieses jemals erfahren würde. Sie hatte mich immer behutsam darauf aufmerksam gemacht, dass die Hände einer Prinzessin makellos sein mussten. Sie war damals schockiert gewesen, als ich mir die Wunde an meinem Handgelenk zugefügt hatte und auch noch eine Narbe davon blieb. So oft hatte sie mir diesen einen Tag vorgeworfen und dass diese Narbe einen Prinzen verscheuchen könne.
Ich wünschte, die Narbe hätte König Adelbrecht verscheucht, dann müsste ich das ganze hier jetzt nicht durchmachen.
Als der Dreck von den Kartoffeln sich unter meine Nägeln setzte, stellten sich alle meine Härchen auf den Armen auf. Es war ein höllisch unangenehmes Gefühl, doch wenn es half, nahm ich alles in Kauf.
Der alte Bauer nickte uns zufrieden zu und stieg wieder auf seine Kutsche, wo er sich auf den Sitz setzte und den alten Gaul wieder antrieb, sodass wir die Fahrt fortsetzten.
„Warum helfen Sie uns?“, fragte ich ihn mit einem Krächzen in der Stimme.
„Ich habe König Adelbrecht den III. nur ein einziges Mal in meinen Leben gesehen. Doch sein unanständiges Benehmen und seine Gier haben mir deutlich klar gemacht, dass er keine unschuldige Prinzessin, die fast noch ein Kind ist, als Frau verdient. Ich nehme euch bis auf den Markt in Rothenburg mit. Von dort aus geht ihr eurer Wege und ich möchte, dass ihr niemandem von mir erzählt. Und jetzt seid gefälligst still. Je weniger ich weiß, desto besser für euch.“
Ich sah Gerda an und musste beinahe erleichtert lachen.
„So ein sturer und alter Mann, mürrisch wie ein Bär und doch ein Herz, so groß wie das Königreich. Unglaublich, welche Eigenschaften manche Menschen haben.“ flüsterte ich ihr so leise zu, dass der alte Mann es nicht hörte.
Gerda lächelte und sah auf den Wald. „Ich dachte schon beinahe, das wäre das Aus unserer Flucht.“
„Ja...“, bekräftigte ich. „Wir müssen vorsichtiger sein. Vielleicht sollten wir nicht immer nur zu zweit unterwegs sein. Vor allem nicht, wenn wir das Schiff nehmen, um in das benachbarte Königreich zu gelangen. Wenn man selbst hier schon die Gerüchte hört, dann fallen zwei junge Mädchen schnell auf.“
„Hmm..., aber wir können nicht einfach irgendjemandem vertrauen.“
Gerda hatte recht. Aber dennoch mussten wir uns jemanden suchen. Denn wenn wir nur zu zweit über den Fluss wollten, würden wir den Grenzwachen auffallen.