Читать книгу Karibikstrand - Gabriele Ried-Hertlein - Страница 5

Als wären wir nie weggewesen

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Gut, dass unsere dicken Winterjacken und Schals jetzt in dem extra leer gelassenen zweiten Trolley verstaut sind und dass es dieses Jahr nicht wie aus Kübeln vom Himmel gießt bei unserer Ankunft auf dem dominikanischen Flughafen. Der Gänsemarsch gleich nach der Gangway im schnellen Rollengeklapper hinter und neben uns auf dem miserabel unebenen Asphalt zur offenen strohgedeckten Punta Cana Airport-Halle und die Klänge der Drei-Mann-Band am Eingang samt dem Blitzlicht und kurzen Klacken für das Erinnerungsfoto für alle Neuangekommenen gibt uns jedes Jahr das Gefühl, angekommen zu sein.

Das blaue Einreiseformular abgeben, Pass stempeln lassen, matt in der schwülen Luft unter einem Riesenventilator am Kofferband auf unser Gepäck warten. Alles wie immer. Kofferträger abschütteln, die zweimal 23 Kilo- und Handgepäck-Fracht selbst zum TUI-Empfangsschalter rollen und auf den Taxidriver warten.

"Nuevos Carreteras?" Alfredo in seinem Taxi-Rennauto verzieht keine Miene, nickt und lässt das Streichholz zwischen seinen Zähnen von einer Seite zur anderen Seite des Mundwinkels wandern. Er fegt alle drei Minuten zum Überholen zur linken Fahrbahnseite hinüber. Wenigstens bremst er rechtzeitig vor roten Ampeln und nimmt exakt bei der letzten Sekunde der digitalen Wartezeitanzeige über den Ampeln den Fuß von der Bremse, um sofort bei grün davonzupreschen. Erst die Besucherschranke zum ROY-Resort und die Geschwindigkeitsschwellen auf dem hell erleuchteten, gewundenen Zufahrtsweg zu unserem ROY Palacio drosseln gnadenlos seinen Überflug. Und mit jedem Schaukeln über eine Schwelle hüpft mein Herz vor Erwartung, endlich die imposante Rampe zum Hoteleingang hochzufahren.

Waren wir wirklich ein ganzes Jahr weg? Oder nur eine Woche, einen Tag? Vor dem Eingang des ROY Palacio steigen Kay und Raspel-Ria braungebrannt und im Glitzerfummel, mit Zigaretten zwischen den Fingern, in den Shuttlebus zum Spielcasino. Wie jedes Jahr. Die Altherren-Band aus Higüey kommt mit Gitarre, Trommel und Blechratsche gemächlich die fünfzig Stufen der eleganten, weit ausladenden Treppe hoch und verschwindet durch die Schwingtür ins Hotel. Durch die hohen Sprossenfenster dringt das helle Licht der massigen Kronleuchter von der pompösen Pracht-Lobby. Und die schwül-warme Abendluft steht wieder wie eine Säule an der windstillen Eingangsfront.

German in weißem Anzug, weißer Uniformkappe und roten Schuhen wartet konzentriert, bis Leo aus dem Taxi herausspringt und ich auf der anderen Seite meinen Fuß auf den roten Teppich setze. Mit ausgebreiteten Armen kommt unser zweimeterzehn großer Bellboy erst auf Leo zu, der an der Autoklappe das Abladen des Gepäcks überwacht. Und reißt mich dann fast um bei seiner herzlichen Umarmung.

"Bienvenido! Bienvenido!",

stemmt mich wieder ein Stück von sich weg, betrachtet mein Gesicht, geht ein wenig in die Knie, küsst mich vorsichtig auf die Wange und drückt mich nochmals an sich.

Ja, ich war erst gestern noch hier und eigentlich niemals weg.

Mit strahlenden Augen öffne ich die schmale seitliche Tür, die am schnellsten zur Rezeption führt und stehe in der mächtig hohen und weiträumigen Empfangshalle in blau-goldener Barockkulisse. Mit zierlichen niedrigen Sesseln und geschwungenen kleinen Tischen, griechischen Säulen, Königs- und Kaiserstühlen an den Wänden vor prunkvollen Spiegeln, wandhohen italienischen Gemälden aus der Renaissance und mannshohen Statuen aus dem Altertum. Cäsar, Lea und Venus.

Leo geht durch die breite Drehtür mit wachem, gespanntem Blick zur Rezeption.

Santi, der Rezeptionschef, steht breit grinsend hinter der Theke. Hebt ohne Umschweife einen Schlüssel hoch und lächelt so, dass seine makellos weißen Zähne seine schönen karibischen Gesichtszüge noch umwerfender aussehen lassen. Der Schlüssel zu unserer Traumsuite, die es in diesem Hotel nur zweimal gibt, im linken Flügel und im rechten Flügel, ganz vorn am Meer, mit Wendeltreppe zur Turmterrasse mit Pool-Jacuzzi und Liegefläche nur für uns. Und mit einzigartig grandiosem Blick auf das Paradies. Den Schlüssel sofort am Ankunftstag, ohne Umschweife und Erklärungen wie im letzten Jahr, dass wir erst in ein paar Tagen in die 3046 umziehen können, weil bei der Buchung das Personal nicht richtig aufgepasst hat. Wir trinken im Stehen vor der Rezeption den süßen, klebrigen Willkommenscocktail und lassen das All-Inclusive-Bändchen nicht um das Handgelenk, sondern so kurz es geht um das Band unserer Armbanduhren anklipsen. Leos Idee, die richtig gut ist. Wir haben noch für tausend Stunden Schwung, obwohl es auf meiner noch nicht umgestellten Armbanduhr weit nach Mitternacht ist!

Der junge Bellboy wartet schon vor der 3046 mit unseren Koffern und will uns unbedingt durch die Räume führen. Als ob wir nicht schon jeden Winkel kennen würden. Die kaminrote Sitzgruppe, die schweren roten Vorhänge an den bodentiefen Fenstern ringsum, durch die wir morgens in der oberen Wohnebene vom riesigen Kingsizebett aus direkt auf das türkisblaue Meer hinunterschauen können. Das schmale Ankleidezimmer, unser tanzsaalgroßes Marmorbad und die Jacuzziwanne zwei Schritte vom Bett entfernt, mitten im Schlafzimmer.

Mit einer Handbewegung wie eine Stewardess zu den Notausgängen im Flugzeug weist er zu drei Zwei-Liter-Flaschen, die fest an der Wand über der Kühlschrankverkleidung am Ende der Eingangsdiele montiert sind. Die Flaschenöffnung nach unten mit kleinem Hähnchen dran. Für Wodka-, Whiskey- und Rum-All-inclusive-Volldröhner. Für mich zum All-inclusive-direkt-an-den-geschwollenen-Mandeln-Gurgeln.

"Para mi por garganta!" Für meine Mandeln.

Ich warte darauf, dass Leo direkt hinter mir noch seinen Senf dazu gibt für den Bellboy und drehe mich um. Wo ist er?

Leo schiebt, ganz Techniker, auf Anhieb den grundsätzlich verklemmten Stift aus dem Gehäuse der Terrassentür nach oben und zieht begeistert die Terrassentür auf.

DONG! Sein Kopf hämmert unvermittelt an die Fliegengittertür und sein nicht mehr zu bremsender Fuß reißt mit Schwung den Moskitoschutz unten ganz aus der Schiene heraus.

"LEO! Wie beim letzten Mal!"

"Gleitsichtbrille!", kommt die gereizte Antwort von der nächtlichen Terrasse.

Der Wind auf der großen Terrasse weht durch mein Haar und ich atme tief in die Abendluft, höre von fern das sanfte Auslaufen der Wellen auf den nächtlichen Strand.

„Leo!!", der schon am Geländer zur Wendeltreppe steht, "wir gehen jetzt aber nicht ganz hoch, das machen wir morgen. Du willst ja noch zum Abendessen gehen!"

"Du nicht?"

"Klar, was sonst. Und so blass-grau, wie ich jedes Mal aussehe nach elf Stunden Flug."

"Aber die Papiere darf ich noch in den Safe legen?"

"Und meine offenen Schuhe schnell aus dem Koffer herausfischen. Bitte!"

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