Читать книгу Wenn man trotzdem lacht - Georg Markus - Страница 15

»Am End’ weiß keiner nix« Ferdinand Raimund oder Die Tragödie des Komödianten

Оглавление

Der zweite große Volksdichter litt zeit seines Lebens unter der Größe des ersten. Ferdinand Raimund war ein begnadeter Komödienschreiber und Komödiant, ging aber als tragische Figur in die Geschichte ein. Er fand als Autor und Schauspieler hohe Anerkennung, war wohlhabend und berühmt, sah sich jedoch im Schatten Nestroys und ließ sich durch Schwermut und Melancholie in den Tod treiben.

Ferdinand Jakob Raimann, wie er eigentlich hieß, war am 1. Juni 1790 als dreizehntes Kind eines Drechslermeisters in Wien zur Welt gekommen. Elf seiner Geschwister waren im Säuglingsalter verstorben, nur er und eine Schwester überlebten. Die Mutter starb an der Schwindsucht, als er zwölf war, der Vater zwei Jahre später. Nach der Bürgerschule schickte ihn seine ältere Schwester in die Lehre zum Zuckerbäcker Jung, die ihm zum Schicksal wurde, da es zu seinen Aufgaben gehörte, jeden Abend Süßwaren ins Burgtheater, damals noch am Michaelerplatz, zu liefern. Auf der vierten Galerie verkaufte er Brezeln und Zuckerln – und war vom ersten Tag an dem Theater verfallen.

Mit achtzehn Jahren schloss er sich einer Wanderbühne an und zog durch die Provinz, ehe der Direktor des Theaters in der Josefstadt 1814 sein Talent erkannte und ihn engagierte. Raimund wurde ein Star, fand jedoch – ähnlich wie Nestroy – in der damaligen Theaterliteratur nicht die Stücke, die ihm zusagten. Und war mit dem Barometermacher auf der Zauberinsel auf Anhieb erfolgreich.

Man muss stets lustig sein,

Und sich des Lebens freu’n,

Außer man hat kein Geld,

Nachher ist’s freilich g’fehlt.

Es folgten Der Diamant des Geisterkönigs, Der Bauer als Millionär, Der Alpenkönig und der Menschenfeind, dessen Rappelkopf die Menschheit warnt: »Eine Angst hat alles vor mir, dass es eine Freude ist.« Und schließlich 1834 Der Verschwender, das Zaubermärchen um den Millionär Flottwell, der sein ererbtes Vermögen verprasst und für aufwendige Jagdfeste verpulvert. Nachdem die Jagd im Jagdcouplet drei Strophen lang verdammt wird (»Kurz in allem Ernst gesagt: ’s gibt nix Dümmres als die Jagd«), findet Raimund in der vierten und letzten doch noch versöhnliche Worte:

Nein – die Sach’ muss ich bedenken,

D’ Jäger kann ich nicht so kränken.

Denn wenn keine Jäger wären,

Fräßen uns am End die Bären.

’s Wildbret will man auch genießen,

Folglich muss man es auch schießen!

Brat’ne Schnepfen, Haselhühner

Auf der Tafel schätzt der Wiener.

Und ich stimm mit Ihnen ein:

Jagd und Wildbret müssen sein!

Wenn man Raimunds Stücke nach humorvollen Zitaten durchsucht, wird man vordergründig nicht so viele finden wie bei Nestroy, aber auch in ihnen steckt großer Witz und Lebensweisheit.

Je weniger man ’kriegt hat, je mehr denkt man drauf.

Ich kenne keinen raffinierteren Schurken; da ist unsereiner grade nichts dagegen.

Das Leben hält nur dem Fröhlichen Wort.

Ich bin nur ein Diener, aber wenn ich mein eigener Herr wär’, ich jaget mich selber fort.

Gewohnheit tötet unsere schönsten Freuden.

Geld ist das niedrigste, was wir beweinen können.

Ich hätte das Weib noch mal so gern, wenn s’ nur um das jünger war, was s’ zu alt ist, und um das besser, was s’ z’schlecht ist.

Du begehst die größte Sünde, die es gibt: Du kennst dich selber nicht.

Was die Weisheit für eine langweilige Sach’ ist, das hätt’ ich für mein Leben nicht gedacht.

Ich möchte mich selbst ohrfeigen – aber auf sein Gesicht.

Ferdinand Raimunds Psyche war nicht geschaffen, Erfolg, Popularität und Wohlstand genießen zu können. Der schauspielernde Dichter hatte sich in Toni Wagner, die Tochter eines Kaffeesieders, verliebt, doch da dieser mit dem »Gesindel vom Theater« nichts zu tun haben wollte, verweigerte der reiche Cafetier die Einwilligung zur Heirat. So nahm Raimund in seiner Depression eine Beziehung mit einer Theaterkollegin namens Louise Gleich auf, die ihm wenig Glück brachte. Ohne Louise zu lieben, wurde er in eine von ihrer Familie regelrecht inszenierte Heirat getrieben. Die Ehe scheiterte, wurde nach wenigen Monaten geschieden und fand Jahre später im Hobellied ihren literarischen Niederschlag:

Oft zankt mein Weib mit mir, oh Graus!

Das bringt mich nicht in Wut.

Da klopf ich meinen Hobel aus

Und denk: Du brummst mir gut!

Ferdinand Raimund kehrte nach der Scheidung zu seiner angebeteten Toni zurück, mit der er den Rest seines Lebens zubrachte. Doch die geltenden Gesetze erlaubten nicht, ein zweites Mal zu heiraten, womit er ein Schicksal erlebte, das dem seines Kontrahenten Nestroy nicht unähnlich war.

Am 29. August 1836 ereignete sich ein zunächst unbedeutend erscheinender Vorfall: Raimund war von einer erfolgreichen Gastspielreise auf seinen Besitz im niederösterreichischen Gutenstein zurückgekehrt und von seinem Hund im Spiel gebissen worden. Überzeugt, dadurch an Tollwut erkrankt zu sein, ließ er eine Kutsche anspannen, um seinen Arzt in Wien zu konsultieren. Bei einem Aufenthalt im Gasthof Zum goldenen Hirschen in Pottenstein verlor er die Nerven und jagte sich eine Kugel in den Kopf.

Dem schrecklichen Ende war ein Leben zwischen beruflichem Erfolg und persönlichem Leid vorausgegangen. Auch die Vergänglichkeit alles Irdischen und die Gleichheit der Menschen vor dem Tod hatte er in seinem Hobellied im Verschwender ausgedrückt:

Da streiten sich die Leut’ herum

Wohl um den Wert des Glücks;

Der eine heißt den andern dumm;

Am End’ weiß keiner nix.

Da ist der allerärmste Mann

Dem andern viel zu reich!

Das Schicksal setzt den Hobel an

Und hobelt alles gleich.

Wenn man trotzdem lacht

Подняться наверх