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»Nichtswürdiger Herr Direktor!« Der Frosch-König Alexander Girardi

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Es sind zwei Volksschauspieler, die im zwanzigsten Jahrhundert Raimunds und Nestroys Figuren in einzigartiger Weise verkörperten: Alexander Girardi und Hans Moser – jeder für sich eine Säule in der Geschichte des österreichischen Theaters und des österreichischen Humors.

Girardi kam am 5. Dezember 1850 in Graz zur Welt und musste vorerst gegen seinen Willen das Schlosserhandwerk erlernen. Erst nach dem Tod des strengen, aus Cortina d’Ampezzo eingewanderten Vaters, der selbst Schlosser war, ging »Xandl«, ohne jede Schauspielausbildung, zum Theater. Er debütierte auf einer Grazer Dilettantenbühne, verbrachte seine Wanderjahre an Provinztheatern und nahm dann ein Engagement am Wiener Strampfer-Theater an. Als er 1874 ins Theater an der Wien kam, war seine Begabung bereits erkannt, die er von nun an in zahlreichen Rollen unter Beweis stellen konnte. Seine Popularität steigerte sich im Lauf der Zeit zum Girardi-Kult, jeder Wiener, der auf sich hielt, trug Girardi-Hut, stützte sich auf einen Girardi-Stock, sprach und bewegte sich wie Girardi, kurzum: Österreich war im Girardi-Fieber. Unsterblich wurde Girardi in der Darstellung des Fortunatus Wurzel im Bauer als Millionär und als Valentin im Verschwender. Er kreierte den Zsupán im Zigeunerbaron und war als Dritter-Akt-Komiker maßgeblich für den Erfolg der Strauß-Operetten verantwortlich. So war es Girardi, der der ursprünglich bedeutungslosen Figur des Gefängnisdieners Frosch in der Fledermaus jenes Leben einhauchte, mit dem sie bis heute zur Glanzpartie großer Komödianten wurde. Einzigartig die Szene, in der der besoffene Frosch seinem nicht minder angeheiterten Gefängnisdirektor Frank vorspielt, dass er nüchtern sei.

FROSCH (erblickt Frank schlafend in seinem Arbeitszimmer): Herr Direktor ist schon da! Er scheint sehr vertieft in seine Lektüre (bemüht sich, stramme Haltung anzunehmen). Ich muss ihm meinen Rapport machen (sehr laut): Herr Direktor, ich komm zum Rapport.

FRANK (fährt auf): Was gibt’s? Nun Frosch, quake deinen Rapport. Komm näher.

FROSCH (verlegen, da er sich nicht zu rühren wagt): Näher soll ich kommen?

FRANK: Ja, freilich (Frosch macht zwei wankende Schritte; Frank spricht zu sich): Der verdammte Champagner! Alles hüpft mir vor den Augen. Auch der Frosch hüpft (laut): Was gibt’s Neues?

FROSCH: Nichtswürdiger Herr Direktor …

FRANK: Was?

FROSCH (korrigiert sich): Nichts – würdiger – Herr Direktor. Nur Numero 12 verlangt einen Advokaten.

FRANK: Der Herr von Eisenstein? Meinetwegen, das ist sein gutes Recht … Warum schwankst du denn so?

FROSCH (schwankend): Ich schwanke ja nicht!

FRANK (für sich): Verfluchter Champagner! Alles schwankt mir vor den Augen.

FROSCH (hat an einem Sessel Halt gefunden): Sehen Sie, Herr Direktor, ich schwanke nicht.

FRANK: Wer sagt denn, dass du schwankst?

FROSCH: Niemand, Herr Direktor, niemand sagt es. (Für sich) Mir kam es so vor, als ob er’s gesagt hätte.

FRANK: Wie gefällt es dir in diesem Gefängnis?

FROSCH: Wie es mir hier gefällt? Sehr gut. Recht fidel ist es. Wahrhaftig, ein so fideles Gefängnis ist mir noch nicht vorgekommen …

So glanzvoll seine Karriere verlief, so dramatisch entwickelte sich Girardis Privatleben. Von Millionen geliebt, machte er auf dem Höhepunkt seiner Popularität die Hölle auf Erden durch. Der im Grunde seines Herzens schlicht gebliebene ehemalige Schlosser aus Graz hatte sich in die Schauspielerin Helene Odilon, die man als »Wiens gefährlichste Frau« bezeichnete, verliebt und sie im Mai 1893 geheiratet. Zwei Jahre später wollte sie ihn wegen eines anderen Mannes »loswerden« und heckte, um die Scheidung zu erreichen, einen teuflischen Plan aus. Sie bestellte beim berühmten Psychiater Professor Julius Wagner-Jauregg eine Expertise, der zufolge Girardi »vom Kokainwahn befallen, irrsinnig und gemeingefährlich« wäre und ließ ihn daraufhin von Irrenwärtern abholen. Der Coup wäre – obwohl Wagner-Jauregg den Schauspieler nie untersucht hatte – beinahe aufgegangen, hätte Girardis Nachbar, ein hoher Staatsbeamter, nicht wie die meisten Wiener damals einen Girardi-Hut getragen. Als die von der Odilon gerufenen Irrenwärter vor Girardis Wohnhaus in der Nibelungengasse warteten und der Nachbar zufällig gerade jetzt mit seinem Girardi-Hut auf die Straße trat, hielten sie ihn für den Schauspieler, zerrten ihn in den Krankenwagen und lieferten ihn in die Privatanstalt Svetlin ein. Girardi, der die Szene vom Fenster seiner Wohnung aus beobachtet hatte, konnte zu Katharina Schratt flüchten, die beim Kaiser intervenierte und ihrem Kollegen so die Einweisung ins Irrenhaus ersparte.

Nach rund zwanzig glanzvollen Jahren im Theater an der Wien unternahm Alexander Girardi zahlreiche Gastspiele, ehe ihn kurz vor seinem Tod der Ruf ans Burgtheater ereilte. Mehrere Anekdoten bezeugen die unvergleichliche Popularität des Alexander Girardi.

Girardi war mit Alexandrine von Schönerer, der Besitzerin und Prinzipalin des Theaters an der Wien, verfeindet. Er schloss daher einen der kuriosesten Bühnenverträge aller Zeiten ab. Ein Passus seines Kontrakts lautete: »Wenn Herr Girardi in einer Probe die Bühne betritt, hat Fräulein von Schönerer dieselbe augenblicklich zu verlassen.«

Eines Tages begleitete der Volksschauspieler den alten Kaiser bei einem Spaziergang durch Bad Ischl, und die Leute drehten sich um und fragten: »Wer ist denn der alte Herr neben dem Girardi?«

Als er einmal von einem Kollegen gebeten wurde, ihm zehn Gulden zu leihen, sagte Girardi: »Wissen S’ was, lieber Herr, simma lieber gleich bös!«

Girardi heiratete nach der Scheidung von Helene Odilon noch einmal und verbrachte mit seiner zweiten Frau Leonie, der Adoptivtochter des Klavierfabrikanten Bösendorfer, glückliche Jahre. Er starb am 20. April 1918 im Alter von 68 Jahren an den Folgen seiner Zuckerkrankheit. Nach seinem Tod munkelte man hinter vorgehaltener Hand: »Der Johann Strauß ist tot, der alte Kaiser ist tot – und jetzt ist der Girardi g’storben. Da wird’s die Monarchie aa nimmer lang geben.«

Ein halbes Jahr später sollte sich diese düstere Prophezeiung bewahrheiten.

Wenn man trotzdem lacht

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