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»Aber bitte keine Namen« Der Humor der Österreicher

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Man kann dem Österreicher so manches nachsagen, nur eines nicht: humorlos zu sein. Das Lachen ist hierzulande von geradezu existenzieller Bedeutung und die Heiterkeit mit der anderer Völker nicht vergleichbar. Es gab zu allen Zeiten Menschen, die ihren Frohsinn nicht verloren hatten – selbst dann, wenn die Umstände ganz und gar nicht danach waren. Zu den mit einer eigenen Humorbegabung ausgestatteten Österreichern zählten berühmte Satiriker, Kabarettisten und Komödianten, aber auch einfache Leute, denen der Schmäh in die Wiege gelegt wurde.

Paul Morgan war ein Profi. Seine Karriere begann gerade, als die österreichisch-ungarische Monarchie ihrem Ende entgegensah, er stellte sich auf Wiener Kabarettbühnen und erzählte lebensnahe Geschichten – wie die von Herrn Pinkus, den ein Problem plagte, das manch einem bekannt vorkommen wird:

»Sie scheinen ein diskreter Mensch zu sein«, sagte Herr Pinkus zu mir, »ich kann Ihnen also getrost anvertrauen, was mir gestern passierte. Ich gehe durch die … na, wie heißt die Straße gleich rechts von der …, die parallel zur … Dingsda läuft. Gegenüber liegt der … -platz, wo an der Ecke das Café … Also, wie ich so gehe, begegne ich der kleinen blonden Frau … Wie heißt sie bloß, Sie kennen sie bestimmt. Ihr Mann hat die Lederhandlung in der Dingsstraße, seinen Kompagnon kennen Sie auch … dessen erste Frau war eine geborene … – Herrgott noch einmal, die dicke Frau, sie liegt mir auf der Zunge.

Also, die blonde Frau erzählt mir, ihr Mann wäre verreist nach … wie heißt das Nest da oben bei … Wir unterhalten uns – wer kommt des Weges? Der Herr … dieser lange, magere Mensch … Sie wissen schon, wen ich meine. Nun, der sieht mich mit der kleinen Frau, glaubt Gott weiß was und sagt, er wird’s ihrem Manne schreiben, dem Dingsda, der jetzt in Dings ist.

Na, was sagen Sie zu der Gemeinheit, mir solche Dinge zu sagen?«

Zu guter Letzt verabschiedete sich Herr Pinkus von Paul Morgan mit den Worten: »Sie können die Geschichte meinetwegen jedem weitererzählen – aber bitte keine Namen!«

Das also ist der Wiener Schmäh. Er kommt – um es ganz offen zu sagen – von überall her, nur nicht aus Wien, wie Hans Weigel, ein Kenner des Heiteren, nachwies: »Der österreichische Komiker Girardi hatte einen italienischen Namen, und seine große Antipodin, die Wiener Volksschauspielerin Hansi Niese, stammte aus Sachsen. Nestroy war böhmischen Ursprungs, Ödön von Horváth balkanisch-magyarisch, selbst das Herrscherhaus wurde aus der Schweiz importiert, und das Wiener Schnitzel stammt aus Italien.« Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen: Hans Moser, der eigentlich Julier hieß, hatte französische Ahnen, die von Karl Farkas kamen aus Ungarn, Fritz Grünbaum wurde in Brünn und Paul Hörbiger in Budapest geboren.

Was, bitte sehr, ist dann das Österreichische am Wiener Schmäh?

Nun, es ist genau diese Mischung, die den Bewohnern des Landes zu einem so ausgeprägt hohen Maß an guter Laune verholfen hat.

Den Humor in der Form, wie wir ihn heute kennen, gibt es seit knapp zweihundert Jahren, beginnend mit Nestroy und Raimund. Was davor war, ist schwer mit unserem Heiterkeitsverständnis zu vereinbaren. Scherze, die der vornestroyanischen Zeit entstammen, können uns nicht mehr zum Lachen bringen, selbst der berühmte Komiker Stranitzky* würde uns mit seinen Reimen, die er – als Wiener Mädel verkleidet – vortrug, kaum ein Schmunzeln entlocken, zu sehr haben sich die Zeiten geändert. In schier endlos langen Strophen jammert Stranitzky als ewige Jungfrau, weil kein Mannsbild an ihm/ihr picken bleiben will, bis er/sie endlich zum Schluss kommt:

Alle Morgen früh, fall ich nieder auf die Knie,

Und ruf alle Götter an, mir zu geben einen Mann!

Mag er bucklig sein – haben auch ein halbes Bein,

Mag er hinken oder stinken,

Nur dass ich nicht bleib allein!

Die Leute haben damals gebrüllt vor Lachen, und Stranitzky war ihr Abgott, eine Art Heinz Conrads der Barockzeit, aber es war nicht unser Humor, bestenfalls ein Vorläufer desselben. Wesentlich näher kommen wir der Sache, sobald wir uns den Pointen des Theatergenies Johann Nestroy nähern. Sein Satz

Die Phönizier haben das Geld erfunden – aber warum so wenig?

würde jedem modernen Kabarettprogramm ebensolche Lacher bescheren wie zu seiner Zeit. Und dieses Zitat von zeitlosem Witz ist nur eines von Hunderten, die er uns hinterlassen hat.

Das Wort Schmäh bedeutet in Österreich eigentlich Lüge, aber unter Wiener Schmäh versteht man den Humor der Bewohner dieser Stadt. Wiener Schmäh haben, heißt nicht einfach lustig sein, er beinhaltet auch Melancholie, Sarkasmus und ein bisserl Bösartigkeit. Der Schmäh war und ist in allen Schichten zu Hause, an der Ringstraße wie in der Vorstadt, auch wenn er da nasal und dort im tiefsten Dialekt vorgetragen wird. Den Wiener Schmäh beherrschen Sektionschefs und Prostituierte, Kutscher und Rechtsanwälte, Oberärzte und Unterläufel.

Eine Frau war gestorben. An ihrem offenen Grab stand ihr Gatte neben dem Hausfreund. Der Hausfreund war völlig gebrochen und weinte fassungslos. Schließlich legte der Gatte tröstend seinen Arm um die Schulter des anderen und meinte: »Nimm’s nicht so schwer. Ich werde sicher noch einmal heiraten!«

Während die Deutschen den Wiener Schmäh – so sie ihn mundartlich verstehen – im Allgemeinen lieben und heute noch für dessen große Vertreter Hans Moser, Paul Hörbiger und Peter Alexander schwärmen, kommt es umgekehrt selten vor, dass der Wiener für deutschen Ulk – auch Schnurre, Klamauk oder Narretei genannt – ein besonderes Faible entwickelt, Loriot und Heinz Erhardt vielleicht ausgenommen. »Der Wiener fällt auf den Schmäh nur selten herein«, meinte Wiens Lokalphilosoph Jörg Mauthe, »der Fremde aber mit Sicherheit. Er nennt’s dann Wiener Charme«.

Zu Österreichs bedeutendsten Satirikern neben Nestroy und Raimund zählen Karl Kraus, Egon Friedell, Alfred Polgar, Fritz Grünbaum, Helmut Qualtinger und Karl Farkas – um mit einer wirklich winzig kleinen Auswahl anhand weniger Beispiele zu beginnen.

Karl Kraus:

Der Wiener wird nie untergeh’n, sondern im Gegenteil, immer hinaufgehen und sich’s richten.

Egon Friedell:

Gott nimmt die Welt nicht ernst, sonst hätte er sie nicht schaffen können.

Alfred Polgar:

Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.

Fritz Grünbaum:

Auf einen Mann, der Geschichte macht, kommen mindestens tausend Frauen, die Geschichten machen.

Karl Farkas:

Gott hat aus dem Chaos die Welt erschaffen, und wir haben aus der Welt ein Chaos gemacht.

Helmut Qualtinger:

Das Problem für jeden Wiener: Man kann es in Wien nicht aushalten. Aber woanders auch nicht.

Neben diesen und Dutzenden anderen Großen des Wiener Humors haben sich die »kleinen Leute«, wie erwähnt, ihren eigenen Schmäh geschaffen: den Witz – und mit ihm eine Reihe von Witzfiguren. Da wären einmal der Altgraf Bobby und dessen nicht minder vertrottelter Gefährte Rudi.

Bobby und Rudi sind zu den Olympischen Spielen geladen. Bobby fragt, während er die Leichtathleten beobachtet: »Sag, verstehst du das, Rudi, warum rennen denn die Leut’ ständig auf dem Platz hintereinander her?«

»Natürlich«, entgegnet der Freund, »das ist ein Wettrennen. Einer wird der Erste und gewinnt.«

»Aha, verstehe«, sagt Bobby. »Aber warum rennen dann die anderen?«

Zum ehernen Bestand unter Österreichs Witzfiguren zählt auch die neureiche Frau Pollak, die parvenühaft und ungeübt im Gebrauch von Fremdwörtern als Quelle immer wieder neuen Gelächters lebendig bleibt:

»Stellen Sie sich vor, Frau Pollak, in New York wird alle fünf Minuten ein Mann überfahren!«

»Mein Gott, der Arme!«

Zu den Fixpunkten im österreichischen Humor gehören des Weiteren die Witze über die Burgenländer, die ausgerechnet dann ihre Hochkonjunktur erlebten, als einer aus ihren Reihen – nämlich Fred Sinowatz – österreichischer Bundeskanzler wurde:

Warum lagern die Burgenländer so viele leere Weinflaschen im Eiskasten? – Es könnt’ einmal wer kommen, der nix trinken mag.

»Was Humor ist, das hat wohl noch niemand zu erklären vermocht«, meinte Egon Friedell, »und ich glaube, schon der bloße Versuch, diesen Begriff näher bestimmen zu wollen, ist ein Beweis von Humorlosigkeit.«

Da ich mich dieser Gefahr nicht aussetzen will, wende ich mich der ungleich humorvolleren Praxis zu.

* Josef Anton Stranitzky (1676–1726) schuf die Figur des Wiener »Hanswurst«

Wenn man trotzdem lacht

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